Leitsätze:
Der Mietspiegel 2021 ist eine geeignete Schätzungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete.
Die 63. Kammer ist neu besetzt und hält die Rechtsauffassung, wie sie im Urteil vom 26.3.2019 (- 63 S 230/16 -, GE 19, 536) zum Ausdruck gekommen ist, nicht mehr aufrecht, weil sie mit § 558 c Abs. 1 BGB nicht vereinbar ist.
LG Berlin vom 1.11.2022 – 63 S 196/22 – mitgeteilt von RA Manfred Lenz
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die 63. Zivilkammer des Landgerichts Berlin folgt nunmehr den anderen Zivilkammern des LG Berlin und hält den Mietspiegel 2021 für eine geeignete Schätzungsgrundlage zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Denn der Mietspiegel 2019 stelle einen neu erstellten „einfachen“ Mietspiegel dar und könne deshalb gemäß Art. 229 § 50 Abs. 1 S. 2 EGBGB einmal angepasst werden. Der BGH billige dem Tatrichter die Befugnis zu, „einfache“ Mietspiegel zur Schätzung zu nutzen, weil die Beteiligung beider Interessenvertreter bei seiner Erstellung nach der Lebenserfahrung dafür spreche, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet (BGH vom 27.5.2020 – VIII ZR 45/19 ). Ob der gemeinsam erstellte oder anerkannte Mietspiegel auch die Anforderungen des § 558 d BGB einhalte, sei unerheblich.
§ 558 c BGB verlange auch nicht eine gemeinsame Erstellung und Anerkennung des Mietspiegels durch die Interessenvertreter. In Absatz 1 der Vorschrift heiße es vielmehr, dass eine gemeinsame Erstellung oder Anerkennung vorliegen muss.
Die 63. Kammer sei neu besetzt und halte die Rechtsauffassung, wie sie im Urteil vom 26.3.2019 zum Ausdruck gekommen war, nicht mehr aufrecht, weil sie mit § 558 c Abs. 1 BGB nicht vereinbar sei.
Urteilstext
Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO:
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 21.07.2022, Az. 2 C 315/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil der Mietspiegel 2021 eine geeignete Schätzungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete ist.
Die Kammer teilt nicht die Kritik der Klägerin an der Rechtsprechung der 65. Kammer. Diese hat überzeugend dargelegt, dass der Mietspiegel 2019 auch einen neu erstellten „einfachen“ Mietspiegel darstellt und deshalb gemäß Art. 229 § 50 Abs. 1 S. 2 EGBGB einmal angepasst werden durfte.
Die Kammer kann nicht erkennen, welche Relevanz die Ausführungen der Klägerin zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel haben soll. Die Übergangsvorschrift ist nicht auf qualifizierte Mietspiegel beschränkt. Die Gemeinden trifft überdies keine Pflicht, qualifizierte Mietspiegel zu erstellen. Wenn der Mietspiegel 2019 (auch) ein neu erstellter „einfacher“ Mietspiegel ist, kann er nach der Übergangsvorschrift einmal fortgeschrieben werden.
Die Klägerin vermengt in ihrer weiteren Argumentation die Frage, ob der Tatrichter einen einfachen Mietspiegel zur Grundlage seiner Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete machen darf und ob der Anwendungsbereich der Übergangsvorschrift eröffnet ist.
Wie die Klägerin selbst zutreffend ausführt, billigt der BGH dem Tatrichter die Befugnis zu, „einfache“ Mietspiegel zur Schätzung zu nutzen, weil die Beteiligung beider Interessenvertreter bei seiner Erstellung nach der Lebenserfahrung dafür spricht, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet (BGH, Urteil vom 27.5.2020, Az.: VIII ZR 45/19, juris Rn. 104). Ob der gemeinsam erstellte oder anerkannte Mietspiegel auch die Anforderungen des § 558d BGB einhält, ist unerheblich. § 558c BGB verlangt auch nicht, wie die Klägerin meint, eine gemeinsame Erstellung und Anerkennung des Mietspiegels durch die Interessenvertreter. In Abs. 1 der Vorschrift heißt es vielmehr, dass eine gemeinsame Erstellung oder Anerkennung vorliegen muss.
An der Erstellung des Mietspiegels 2021 haben über die Arbeitsgruppe Mietspiegel unter anderem – als Mietervertreter – der Berliner Mieterverein e.V., die Berliner MieterGemeinschaft e.V. und der Mieterschutzbund Berlin e.V. sowie – als Vermietervertreter – der Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine e.V., der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg e.V. und der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. mitgewirkt.
Ob auch der Argumentation der 66. Kammer zu folgen ist, muss nicht entschieden werden.
Die 63. Kammer ist neu besetzt und hält die Rechtsauffassung, wie sie im Urteil vom 26.3.19 zum Ausdruck gekommen ist, nicht mehr aufrecht, weil sie mit § 558 c Abs. 1 BGB nicht vereinbar ist.
Das Amtsgericht Schöneberg war gemäß § 287 Abs. 2, 1 S. 2 ZPO auch nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der BGH hat kürzlich bestätigt, dass der Tatrichter sich damit begnügen kann, den Mietspiegel und seine Orientierungshilfe uneingeschränkt anzuwenden (BGH, Beschluss vom 14.6.2022, Az.: VIII ZR 24/21, juris Rn. 18ff.).
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
22.02.2023