Leitsätze:
1. Wurde ein die Betriebskosten auslösender Dienstleistungsvertrag bereits vor Abschluss des Wohnraummietvertrags geschlossen, kann eine mögliche Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots als Nebenpflicht des Vermieters schon wegen einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht nicht in der Eingehung dieser Verbindlichkeit gesehen werden. Vielmehr kommt eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur in Betracht, soweit dem Vermieter – im Falle eines nicht angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses – eine Korrektur der zu überhöhten Kosten führenden Maßnahme während des Mietverhältnisses – beispielsweise durch Kündigung eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen – möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre und er diese Möglichkeit nicht ergriffen hat.
2. Aus der Einordnung des Wirtschaftlichkeitsgebots als vertragliche Nebenpflicht des Vermieters folgt nach allgemeinen Grundsätzen, dass der Mieter, der wegen einer solchen Pflichtverletzung Ansprüche erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für ein pflichtwidriges Verhalten des Vermieters trägt.
BGH vom 25.1.2023 – VIII ZR 230/21 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 22 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter wohnen in einem Mehrparteienhaus, das Teil eines Gesamtkomplexes mehrerer Gebäude ist, für den entsprechend der Abfallentsorgungssatzung der Stadt Düsseldorf ein Mindestrestmüllvolumen von rund 5000 Litern zur Verfügung steht. Dieses Volumen wurde zu keiner Zeit ausgeschöpft.
Im Jahr 2010 beauftragte der Vermieter eine externe Dienstleisterin mit der Erbringung von Leistungen im Rahmen eines sogenannten Müllmanagementsystems, das unter anderem die Nachsortierung des Abfalls (insbesondere die Aussortierung von mit dem „grünen Punkt“ versehenem Abfall), den Betrieb eines die Restabfallmenge pro Haushalt erfassenden Chipsystems, die Reinigung der Mülltonnenstandplätze und die Entfernung von Beistellungen umfasste.
Die nach Einrichtung des Müllmanagements abgeschlossenen Mietverträge sehen vor, dass die Kosten für die Abfallentsorgung sowohl nach der Quadratmeterzahl als auch dem individuellen Verbrauch je Wohneinheit unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Mindestmenge von 20 Litern Restmüll für jeden Haushalt auf die Mieter umgelegt werden.
Mit ihrer Klage beantragten die Mieter festzustellen, dass die Kosten für das Müllmanagement nicht als Betriebskosten im Rahmen der Mietverhältnisse auf sie umgelegt werden können. Ferner nahmen die Mieter den Vermieter auf Rückzahlung der von ihm bezogen auf das Müllmanagement für die Jahre 2016 bis 2018 abgerechneten Kosten in Höhe von 168,12 Euro (56,04 Euro x 3) in Anspruch.
Die Vorinstanzen gaben der Klage in vollem Umfang statt. Denn die Entscheidung für das Müllmanagement stelle einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dar. Hierdurch fielen zusätzlich zu den reinen Entsorgungs- und Abfuhrkosten weitere Kosten an. Betriebskosten dürfe der Vermieter aber nur bei ordnungsgemäßem Kostengrund und angemessener Kostenhöhe an den Mieter weitergeben. Die Beweislast, dass die zusätzlichen Kosten dem Grunde nach erforderlich sind, liege – anders als hinsichtlich der Höhe der Kosten – beim Vermieter. Diesen Nachweis habe der Vermieter nicht erbracht, denn er habe nicht dargelegt, dass die über die Leerungs- und Abfuhrkosten hinausgehenden Kosten der Dienstleisterin erforderlich seien.
Anders der BGH. Er hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück. Denn die Kosten für den Betrieb der chipgesteuerten Müllschleusenanlage als Müllmengenerfassungsanlage und der durch die wiederkehrende Beseitigung von (zu entsorgenden) Beistellungen der Mieter oder Dritter ausgelöste Aufwand seien als Kosten der Müllbeseitigung im Sinne von § 2 Nr. 8 BetrKV dem Grunde nach auf die Mieter umlegbar. Auch die Kosten der Nachsortierung des Abfalls würden als der Vorbereitung der Müllbeseitigung dienende Kosten von § 2 Nr. 8 BetrKV umfasst.
Die Kosten für die von der externen Dienstleisterin darüber hinaus vorgenommene Reinigung der Mülltonnenstandplätze seien ebenfalls umlagefähig, wobei dahingestellt bleiben könne, ob es sich hierbei um Kosten nach § 2 Nr. 9 oder Nr. 10 BetrKV handele.
Auch treffe den Vermieter gemäß § 556 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 BGB gegenüber den Mietern die vertragliche Nebenpflicht, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der von diesen zu tragenden Betriebskosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen (sogenannter Wirtschaftlichkeitsgrundsatz), und die Verletzung dieser Pflicht durch den Vermieter könne zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB führen, der auf Rückzahlung der unnötigen Kosten beziehungsweise auf Freihaltung von diesen gerichtet sei.
Das Landgericht habe aber bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass eine mögliche Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Vermieter nicht in der „Entscheidung für das Müllmanagementsystem“ – mithin nicht in dem Abschluss des Vertrags mit der externen Dienstleisterin – liege. Wurde ein die Betriebskosten auslösender Dienstleistungsvertrag – wie hier – bereits vor Abschluss des Wohnraummietvertrags geschlossen, könne eine mögliche Nebenpflichtverletzung des Vermieters schon wegen einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht nicht in der Eingehung dieser Verbindlichkeit gesehen werden. Vielmehr komme eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur in Betracht, soweit dem Vermieter – im Falle eines nicht angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses – eine Korrektur der zu überhöhten Kosten führenden Maßnahme während des Mietverhältnisses – beispielsweise durch Kündigung eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen – möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre und er diese Möglichkeit nicht ergriffen habe.
Nach diesen Maßstäben könne mit der vom Landgericht gegebenen Begründung ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht angenommen werden.
Ob der Vermieter hier – einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Abwägung zwischen den Kosten und dem Nutzen dieses Vertrags unterstellt – nach Abschluss des Mietvertrags die Möglichkeit gehabt hätte, den Vertrag mit der Dienstleisterin zu kündigen oder abzuändern, sei unklar, weil das Landgericht hierzu keine Feststellungen getroffen habe.
Unabhängig davon könne die Unwirtschaftlichkeit des Betriebs der Müllmengenerfassungsanlage durch die externe Dienstleisterin nicht allein deshalb bejaht werden, weil das dem Gesamtkomplex durch die Abfallentsorgungssatzung zugewiesene wöchentliche Mindestrestmüllvolumen bislang nicht ausgeschöpft worden sei. Denn eine verbrauchs- und verursachungsabhängige Abrechnung schaffe grundsätzlich mehr Abrechnungsgerechtigkeit und fördere einen kostenbewussten Umgang mit Müll.
Auch der Umstand, dass die Kosten der externen Dienstleisterin 30 % der Gesamtentsorgungskosten bildeten, lasse nicht erkennen, dass mit den im Gegenzug erbrachten Dienstleistungen ein wirtschaftlicher Vorteil für die Mieter nicht verbunden wäre.
Bezüglich der Nachsortierungsarbeiten lasse sich allein mit der Begründung des Landgerichts, eine Kostenersparnis sei durch die Nachsortierung des eingeworfenen Abfalls zur Reduzierung des anfallenden kostenpflichtigen Restmülls nicht zu erreichen, wenn die Mindestmüllvolumina des abzunehmenden Restmülls nicht ausgeschöpft würden, ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht verneinen. Denn das Nachsortieren diene nicht nur dazu, die Menge an Restmüll zu reduzieren, sondern soll auch Fehlbefüllungen der Abfallbehälter verhindern.
Schließlich sei auch die Umlage der für die Reinigung der Mülltonnenstandplätze anfallenden Kosten auf den Mieter unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots aus Rechtsgründen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allein aus dem von dem Landgericht herangezogenen Umstand, dass das Mindestrestmüllvolumen hier nicht ausgeschöpft worden sei, ergebe sich nichts anderes.
Letztlich liege, anders als das Landgericht meint, die Beweislast für ein pflichtwidriges Verhalten des Vermieters auch im Hinblick auf den Kostengrund beim Mieter. Es obliege daher den Mietern, darzulegen und nachzuweisen, dass ein Festhalten am Müllmanagement dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspreche.
Anmerkung: Dass dieser Beweis den Mietern gelingt, dürfte in den meisten Fällen eher ausgeschlossen als unwahrscheinlich sein.
21.03.2023