Anfang 2021 schlossen sich 31 Initiativen, die gegen die Bebauung ihrer grünen Innenhöfe kämpfen, zu einem Bündnis zusammen. Das MieterMagazin sprach mit Britta Krehl (Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow), Axel Matthies (Grüne Höfe Hellersdorf Süd) und der Präsidentin der Architektenkammer Berlin, Theresa Keilhacker, die das Bündnis fachlich unterstützt.
MieterMagazin: Wozu braucht es ein Bündnis als eine Art Dachverband?
Britta Krehl: Zusammen sind wir eben stärker! In den letzten Jahren haben sich in vielen Bezirken Initiativen gegründet, die das gleiche Ziel haben: den Erhalt von Grün-, Spiel- und Sozialflächen. Fast immer gibt es ein Verantwortungs-Pingpong zwischen Bezirken und Senat, wobei die Bezirke meist auf Seiten der Initiativen sind. Aber zunehmend greift der Senat in strittige Vorhaben ein, wie aktuell im Lichtenberger Ilse-Kiez, wo offenbar ein Exempel statuiert werden soll. Im September, kurz vor Beginn der Baumfällsaison, haben wir uns mit einem Brandbrief an den Bausenator gewandt, später ein zweites Mal. Wir haben nicht einmal eine Antwort bekommen.
Axel Matthies: Als wir erfahren haben, dass die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land unsere grünen Innenhöfe mit zwei Wohnblocks zubetonieren will, konnten wir das zuerst nicht glauben. Die Innenhöfe machen doch gerade den Charakter der Wohnsiedlung aus, sie wurden damals ganz bewusst so angelegt, als Treffpunkte und Inseln der Erholung. Mit diesem Bauvorhaben werden wichtige städtebauliche Qualitäten geopfert. Und im nächsten heißen Sommer haben wir dann Back-Höfe statt einer Grünen Lunge.
Theresa Keilhacker: Bei der Architektenkammer haben wir uns ganz klar positioniert: Bestandsentwicklung vor Neubau. Wir beobachten seit geraumer Zeit, dass vor allem im Ostteil der Stadt Freiraumqualitäten, die den Zusammenhalt eines Quartiers ausmachen, durch unsensible Baumaßnahmen verloren gehen. Das ist nicht nur ökologisch bedenklich, es geht auch um soziale Aspekte und um ein Stück Baukultur.
MieterMagazin: Aber wo sollen denn die anvisierten 20.000 Wohnungen pro Jahr entstehen? Immerhin sind bei fast allen Nachverdichtungsvorhaben städtische Wohnungsbaugesellschaften beteiligt. Und die wollen bezahlbare Wohnungen bauen.
Theresa Keilhacker: Ich bin davon überzeugt, dass es der falsche Weg ist, sich nur auf den Neubau und auf Masse zu konzentrieren. Statt alle vorhanden Qualitäten kaputt zu machen, indem wir noch den letzten Quadratzentimeter bebauen, müssen wir die Quartiere behutsam weiterentwickeln. Aber der Bausenator rechnet nur in Stückzahlen.
Axel Matthies: Alle im Bündnis suchen nach Kompromissen. Aber dann müssten die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit uns sprechen. Gerade diesen Dialog verweigern sie aus Prinzip. Es geht nur um bauen, bauen, bauen …
Britta Krehl: Bauen nach Zahlen kann nicht nachhaltig sein. Wir können nicht so tun, als ob es keinen Klimawandel gäbe.
Theresa Keilhacker: Stärker mit Brandenburg zusammenzuarbeiten, Mobilität entwickeln, Flächenverbrauch mindern – da müssen Konzepte her statt nur in Berlin zu gucken, wo wir noch etwas hinquetschen können. Aber allmählich dreht sich der Wind, die Klimakrise hat da einiges in Bewegung gebracht.
Das Gespräch führte MieterMagazin-Autorin Birgit Leiß.
Der Senat torpediert schützende Bebauungspläne
Mit wenigen Ausnahmen kommen alle der derzeit 31 Bündnis-Initiativen aus dem Ostteil der Stadt. Das ist kein Zufall. Weil die Bebauungspläne bei der Wiedervereinigung nicht in Bundesrecht überführt wurden, kann nach § 34 Baugesetzbuch ohne ausführliche Bürgerbeteiligung gebaut werden. Bauvorhaben sind damit einfacher und schneller durchsetzbar. Aktuell entzündet sich der Konflikt in Karlshorst, wo sich die Anwohnerinitiative „Rettet den Ilse-Kiez“ seit 2017 gegen die Bebauungspläne der Howoge wehrt. Der Bezirk Lichtenberg hat zum Schutz der Höfe die Aufstellung eines B-Plans beschlossen, doch der Senat hat Einwendungen vorgebracht.
bl
24.03.2023