Für das mangelnde Tempo bei der energetischen Sanierung macht die Bundesregierung das „Mieter-Vermieter-Dilemma“ verantwortlich. Ihr Vorschlag: ein Teilwarmmietenmodell. Was hat es damit auf sich und kann so sozialgerechter Klimaschutz gelingen?
1,9 Prozent weniger CO2-Emissionen als im Vorjahr – dieses selbst gesteckte Ziel hat Deutschland 2022 erreicht. Grund zum Ausruhen ist das nicht: Für die zukünftige Einhaltung der Klimaziele ist laut Umweltbundesamt eine jährliche Reduzierung der CO-Emissionen um sechs Prozent nötig. Der Gebäudesektor spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn er verursacht rund 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland – in Berlin waren es 2020 sogar 43 Prozent. Zugleich bietet er ein enormes Einsparpotenzial: Rund 85 Prozent der Gebäude fallen in die Energieeffizienzklasse C oder niedriger. Energetische Sanierungen sind daher dringend nötig und stellen insbesondere in dicht bebauten städtischen Räumen einen wirksamen Hebel für wirksamen Klimaschutz dar.
Teilwarmmiete mit Anreizen für Vermieter:innen
Doch bisher läuft der klimafreundliche Umbau schleppend, unter einem Prozent beträgt die jährliche Sanierungsrate deutschlandweit. Die Bundesregierung macht das „Mieter-Vermieter-Dilemma“ dafür verantwortlich und sieht in ihrem Koalitionsvertrag die Prüfung eines Teilwarmmietenmodells vor. Dessen Grundidee ist es, dass sich Mietende und Vermietende die Heizkosten teilen. Im monatlichen Mietbetrag wäre nach diesem Modell bereits ein fixer Grundbetrag für Heizkosten enthalten. Die Argumentation: Dadurch, dass in Deutschland ein Kaltmietenmodell vorherrscht, das die Heizkosten allein bei den Mieter:innen verortet, haben Vermieter:innen nicht genügend finanzielle Anreize für energetische Sanierungen – sie bringen ihnen keine Einsparungen. Zugleich geraten Mieter:innen durch energetische Sanierungen unter Druck, da die aktuell geltende Modernisierungsumlage es Vermieter:innen ermöglicht, jährlich acht Prozent der Investitionskosten auf die Mieter:innen umzulegen. Die Teilwarmmiete soll auf beiden Seiten Abhilfe schaffen: Sie soll Mieter:innen vor hohen Mietsteigerungen nach energetischen Modernisierungen schützen – die Modernisierungsumlage würde komplett entfallen – und Vermieter:innen Anreize für die klimafreundlichen Investitionen geben.
Profitieren auch die Mieter:innen?
Für die konkrete Gestaltung der Teilwarmmiete liegt noch kein Gesetzesentwurf vor. Im Auftrag des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums hat das Ökoinstitut eine Machbarkeitsstudie zu verschiedenen Teilwarmietenmodellen erhoben. Das Institut empfiehlt die Berechnung der Grundheizkosten für das gesamte Haus mit anschließenden Ausgleichszahlungen zwischen den Mietparteien zugunsten derjenigen mit besonders geringem Verbrauch. Diese Methode kann allerdings leicht zu Verzerrungen führen, beispielsweise wenn Haushalte über den Winter verreist sind oder eine Wohnung zeitweise leer steht.
Hinzu kommt, dass energiesparendes Verhalten für einen Großteil der Haushalte ohnehin schon Standard ist: Bereits 2021 mussten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2,6 Millionen Menschen in Deutschland aufgrund von Geldmangel zuhause frieren. 2022 zahlte laut Institut der deutschen Wirtschaft bereits ein Viertel der Haushalte mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie und war damit akut von Energiearmut bedroht. Unklar bleibt auch, wie das Modell für Mieter:innen vorteilhaft sein kann, wenn bei der Einführung die aktuell hohen Energiepreise für die zu zahlende Teilwarmmiete festgelegt werden.
Ein Streitpunkt: die Modernisierungsumlage
Ein wichtiger Aspekt bei der Einführung eines Teilwarmmietenmodells ist der Umgang mit der Modernisierungsumlage. Eines der Modelle in der Studie sieht die komplette Abschaffung der Modernisierungsumlage vor. Diese Einschätzung teilen wir im BMV gemeinsam mit zahlreichen weiteren Expert:innen. Erfahrungen aus den Jahren bis 2019 zeigen, dass die Sanierungstiefe für Mieter:innen in der Regel nicht ausreicht, um die Energiekosten nachhaltig zu senken und die anschließende Mieterhöhung auszugleichen. Zahlreiche energetische Modernisierungen zielten vor allem auf eine Wohnwerterhöhung und damit auf höhere Mieteinnahmen ab. Wir erwarten allerdings, dass sich ein Großteil der Wohnungswirtschaft sowie die FDP gegen diese Ausgestaltung des Modells aussprechen werden.
Enormer bürokratischer Aufwand
Unabhängig davon, welche Methode für die Ermittlung der Grundheizkosten, die in die Kaltmiete übergehen, verwendet wird, ist die Umstellung mit einem enormen bürokratischen und damit auch finanziellen Aufwand verbunden. Sie erfordert die Anpassung aller Mietverträge. Das kann zu vertragstechnischen Konflikten und zu einer missbräuchlichen Verknüpfung mit „normalen“ Mieterhöhungen führen. Auch die Anpassung von Transferleistungen hinsichtlich der Heizkosten wird viele Ressourcen beanspruchen.
Chance oder Sackgasse?
Klar ist, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen nötig sind, um den Treibhausgasausstoß im Gebäudesektor zu reduzieren. Die politischen Entscheidungsträger:innen sollten die Teilwarmmiete daher primär als ein Instrument zur Entlastung der Mietenden diskutieren und entsprechend gestalten. Insbesondere der enorme bürokratische Aufwand und die Gefahr des Missbrauchs durch Vermieter:innen werfen die Frage auf, ob es nicht einfachere, effizientere Modelle gibt, um mehr Klimaschutz im Gebäudesektor zu erreichen. Eine abschließende Position zur Einführung einer Teilwarmmiete kann der BMV erst dann beziehen, wenn ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch liegt. Derzeit liegt die Zuständigkeit im Bundesjustizministerium, das zum Thema Wohnen und Mieten bislang keine Gesetzesinitiative angestoßen hat.
Welche alternativen Vorschläge gibt es?
Einen vielversprechenden Ansatz bietet das „Drittelmodell“, das der BUND bereits 2012 vorgeschlagen hat. Nach diesem Modell verteilen sich die Kosten auf Mietende, Vermietende und Staat. Das Modell umfasst insbesondere den Ausbau der öffentlichen Förderungen bei gleichzeitiger Absenkung der Modernisierungsumlage. Befürworter:innen des Drittelmodells erwarten, dass im Zuge der Refinanzierung durch Fördergelder weniger finanzielle Härtefälle entstehen. Dadurch würde es zu einer schnelleren Amortisierung der Investitionskosten kommen und den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen.
Effektiv Klima und Mieter:innen schützen
Ob Teilwarmmiete oder Drittelmodell – die konkrete Ausgestaltung der Details wird über den Mieter:innen- und Klimaschutz entscheiden. In den vergangenen mehr als zehn Jahren war bei der energetischen Sanierung von Gebäuden insbesondere bei den privaten Wohnungsunternehmen oft kein Verlass in Bezug auf den Schutz der Mieter:innen sowie die Effizienz der energetischen Modernisierungsmaßnahmen. Berlin sollte jetzt schnellstmöglich mit der Sanierung der schlechtesten Energieeffizienzklassen sowie von öffentlichen Gebäuden beginnen und den Wohnungsbestand im gemeinwohlorientierten Segment im Blick haben. Bei der Einführung ordnungsrechtlicher Instrumente und einer entsprechenden Förderkulisse sollte das Land nicht auf die Bundesregierung warten.
Ein Beitrag von Moritz Lang und Franziska Schulte
FAQ zur Ausgestaltung eines Teilwarmmietengesetzes
Was passiert bei Veränderungen der Energiepreise?
Wie geht die CO2-Bepreisung im Modell auf?
Was passiert mit der Modernisierungsumlage?
Wie werden die Fördermittel gestaltet sein?
Warmmietenmodell in Schweden
In Schweden gibt es bereits seit dem Jahr 2000 ein Warmmietenmodell: Mieter:innen zahlen eine feste Warmmiete, die die Heizkosten bereits enthält. Dafür garantieren die Vermieter:innen eine bestimmte Innenraumtemperatur von meist 20 bis 21 Grad Celsius. Messgeräte protokollieren die Temperatur automatisch. In den überwiegenden Fällen können Mieter:innen die Raumtemperatur auch gar nicht selbst höher einstellen.
Der Anreiz für Vermieter:innen: Nehmen sie Modernisierungsmaßnahmen vor, die die zum Erreichen der garantierten Temperatur benötigte Energie verringern, können sie die Einsparungen behalten, da die zuvor vereinbarte Warmmiete unverändert bleibt. Je höher die Energieeinsparungen, desto größer ist die Kostenreduktion auf Seiten der Gebäudeeigentümer:innen. Eine Umlage der Investitionskosten auf die Mietenden ist in Schweden nicht möglich.
Das schwedische Warmmietenmodell stand ab 2019 im Konflikt mit der EU-Energieeffizienzrichtlinie, die eine individuelle Verbrauchsmessung vorschreibt. Die schwedische Regierung konnte eine Ausnahmeregelung erwirken und so eine Einigung auf EU-Ebene erzielen. Seitdem sind zumindest in Gebäuden der energetisch schlechtesten Effizienzklassen Verbrauchszähler verpflichtend. Eigentümer:innen können diese Ausnahme nur umgehen, wenn sie energetisch sanieren.
Die Einführung des Warmmieten-Modells hat in Schweden den Klimaschutz weit vorangebracht: Die Emissionen der schwedischen Haushalte sind seitdem um 95 Prozent gesunken. Insgesamt ist dieses Modell als sozial- und klimagerechter zu bewerten und löst das Kosten-Dilemma sowie das Problem drastischer Mieterhöhungen nach Sanierung auf.
19.04.2023