Drei milliardenschwere Entlastungspakete hat die Bundesregierung im vergangen Jahr auf den Weg gebracht. Doch wie effizient waren die Hilfen, etwa die Gas- und Strompreisbremse?
Ende März erschien eine Studie des renommierten Freiburger Öko-Instituts. Erstellt wurde sie im Auftrag der den Linken nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der Titel „Mehrfamilienhäuser: der blinde Fleck der sozialen Wärmewende“ verweist schon auf die Kernaussage. Mehr als 85 Prozent der Menschen im untersten Einkommensdrittel wohnen zur Miete. Zwar verursachen sie absolut gesehen weniger Treibhausgasemissionen als Menschen mit mittleren und hohen Einkommen, auch weil sie auf weniger Wohnfläche leben. Trotzdem verbrauchen sie mehr Energie pro Quadratmeter, weil sie meist in schlechter sanierten Häusern leben. Die soziale Ungleichheit, so heißt es in der Studie, habe sich durch die Energiepreiskrise deutlich verschärft. So gaben die Haushalte im untersten Einkommenszehntel 2021 durchschnittlich 4,6 Prozent ihres Einkommens für Wärme aus, die oberen 10 Prozent lediglich 0,9 Prozent. Die Situation hat sich mit den gestiegenen Energiepreisen noch deutlich verschärft: 2022 musste das unterste Einkommensdezil fast 8 Prozent für Wärme verausgaben, das oberste lediglich 1,6 Prozent. Die Hilfen würden zwar auch einkommensschwache Haushalte entlasten, aber das gelte nicht für alle Gruppen gleichermaßen. Beispiel Gaspreisbremse: Es werden 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs zu einem ermäßigten Preis von 12 Cent je Kilowattstunde abgegeben. Der Rest muss zum Marktpreis bezogen werden. Analog dazu werden bei der Strompreisbremse 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs zum gedeckelten Preis von 40 Cent abgegeben.
Wer gespart hat, zahlt jetzt drauf
Der Kardinalfehler beider Bremsen: es werden weder Haushaltsgröße noch Einkommen oder der energetische Standard des Gebäudes berücksichtigt. „Dies stellt tendenziell wohlhabende Haushalte besser als solche mit geringem Einkommen“, schreibt Uwe Witt, Referent für Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in einer Bewertung der staatlichen Entlastungspakete. Im Klartext: Wer bereits in der Vergangenheit die Heizung herunterdrehen musste, zahlt nun drauf. Benachteiligt, so Witt, würden auch Menschen, die in besonders schlecht gedämmten Häusern leben oder aus Gründen des Alters oder der Gesundheit mehr Wärme brauchen. Das gilt beispielsweise für Rentner:innen, die zudem oftmals in der alten Familienwohnung auf großer Wohnfläche leben. Sie alle werden es kaum schaffen, 20 Prozent bei Gas und Strom einzusparen.
Birgit Leiß
„Mit der Gießkanne“ ist teuer und unsozial
Gezielte Unterstützungszahlungen an „vulnerable“, sprich: einkommensschwache Haushalte seien sehr viel effizienter als preisdämpfende Maßnahmen – zu diesem Ergebnis kommt eine schon im November 2022 erschiene Studie des Öko-Instituts, diesmal im Auftrag des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums. Kritisiert wird vor allem, dass ein Großteil der Gelder aus den Entlastungspaketen pauschal verteilt wird und somit auch sehr vermögenden Haushalten zugute kommt. Zwar seien im Schnitt auch ärmere Haushalte ausreichend entlastet worden – wohl aber, weil sie ohnehin weniger Energie verbrauchen und in kleineren Wohnungen leben.
bl
Studie des Öko-Instituts, März 2023:
www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Soziale-Aspekte-Waermewende-Mehrfamilienhaeuser.pdf
Studie des Öko-Instituts, November 2022:
www.oeko.de/aktuelles/2022/energiepreiskrise-wie-sozial-und-nachhaltig-sind-die-entlastungspakete-der-bundesregierung
27.04.2023