Der einflussreiche Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) tritt gern als Sprecher der „sozialen Wohnungswirtschaft“ auf. Doch im BBU sind nicht nur kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften organisiert, sondern auch rein profitorientierte Konzerne wie Vonovia und Covivio. Politische Statements des BBU klingen oft ganz im Sinne der börsennotierten Vermieter. Gegen diese Doppelrolle des BBU regt sich Widerstand. Die Initiative „Die Genossenschafter*innen“ hat ein kritisches Dossier über die Rolle des BBU zusammengestellt. Der BBU weist die Vorwürfe zurück.
Gegründet wurde der BBU 1897 als „Verband der auf Grundlage des gemeinschaftlichen Eigenthums stehenden deutschen Genossenschaften“. Der BBU sieht sich damit als älteste wohnungswirtschaftliche Vereinigung Deutschlands. In der heutigen Form besteht er seit 1992, als sich der West-Berliner Verband mit seinem Pendant für Ost-Berlin und Brandenburg zusammengeschlossen hatte. Als Interessengemeinschaft der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen geführt, verlor er 1990 seine ursprüngliche Geschäftsgrundlage, als die steuerliche Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft wurde. Obwohl der BBU weiterhin nur marktferne Mitglieder hatte, änderte sich sein Auftreten. Schon 1996 beschwerte sich Hartmann Vetter, der damalige Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, der BBU vertrete „Auffassungen, die dem ursprünglichen Gedanken der Gemeinnützigkeit Hohn sprechen“ und sei zum „wohnungspolitischen Geisterfahrer“ geworden.
Mit der Privatisierung öffentlicher Wohnungsunternehmen zwischen 1998 und 2004 änderte sich der Verband grundlegend. Die vormals landeseigenen Gesellschaften Gehag und GSW blieben Mitglieder, obwohl ihren neuen Eigentümern gemeinnützige Prinzipien fremd waren. Inzwischen sind beide Unternehmen in der Deutsche Wohnen aufgegangen, die wiederum von der Vonovia übernommen wurde.
Die Vonovia ist nun das mit Abstand größte BBU-Mitgliedsunternehmen. Rechnet man die Covivio hinzu, so haben diese beiden börsennotierten Aktiengesellschaften beinahe so viele Wohnungen wie die 74 im BBU organisierten Genossenschaften zusammen. Da die Mitgliedsbeiträge für den Verband nach dem Umsatz berechnet werden, haben die privaten Konzerne ein entsprechend großes Gewicht.
Durch die Mitgliedschaft im BBU können sich renditeorientierte Unternehmen wie Vonovia das BBU-Label „Wir sind die Guten“ umhängen und sich als Teil der gemeinwohlorientierten und sozialen Wohnungswirtschaft ins Bild setzen, während sie gleichzeitig als größte Beitragszahler die Ausrichtung des Verbands in ihrem von Markt- und Gewinninteressen geprägten Sinn beeinflussen können.
Keine „neue Gemeinnützigkeit“
Politische Stellungnahmen des BBU sehen in den letzten Jahren nicht selten so aus, als wolle man speziell für Deutsche Wohnen und Vonovia in die Bresche springen. So fährt der BBU eine harte Kampagne gegen die per Volksentscheid beschlossene Vergesellschaftung renditeorientierter Konzerne und versucht, mit Gutachten deren vermeintliche Verfassungswidrigkeit zu beweisen.
Im Namen der „sozialen Wohnungswirtschaft“ kämpfte der BBU auch gegen den Berliner Mietendeckel und gegen ein Mietenmoratorium. Einen bundesweiten Mietenstopp und das Konzept für eine „Neue Wohngemeinnützigkeit“ lehnt der Verband ebenfalls ab. Den aktuell geltenden Berliner Mietspiegel 2021 hat er auch nicht mitgezeichnet.
„Die Genossenschafter*innen“ haben viele Kritikpunkte am BBU in einem Dossier zusammengetragen. In der Initiative vernetzen sich Mitglieder verschiedener Berliner Genossenschaften, die von ihren Unternehmen innere Demokratie und ein aktives wohnungspolitisches Engagement erwarten. Vom BBU sehen sie sich dabei nicht gut vertreten: „Dort arbeitet ein verschachteltes Konglomerat von Unternehmen, das mit einem Rundumsorglospaket die Wohnungsunternehmen an sich bindet“, schreiben die „Genossenschafter*innen“ Irmhild Schrader und Günter Piening – beide Mitglied der Genossenschaft Möckernkiez – in einem Dossier.
Der BBU ist für seine Mitgliedsunternehmen nicht nur politischer Lobbyist, sondern für die Genossenschaften auch Prüfungsverband. Genossenschaften sind verpflichtet, einem solchen anzugehören. Dieser übernimmt die Wirtschaftsprüfung und berät in steuerlichen und rechtlichen Fragen. Auch den anderen Mitgliedern bietet der BBU mit seinen Tochterunternehmen einen Mehrwert: Die Domus AG unterstützt die Wohnungsunternehmen bei der Bilanzerstellung und in Steuer- und Finanzierungsfragen. Die BBT bietet Beratung und Hilfestellung bei Bau, Verwaltung, Versicherung und Software. Die BBA ist eine Akademie zur Aus- und Fortbildung von Immobilienkaufleuten.
Protest gegen den politischen Spagat
Gegen die Unterstellung, er würde einseitig die Interessen der Privatkonzerne vertreten, wehrt sich der Unternehmensverband vehement: „Die Vorwürfe sind Unsinn“, so BBU-Pressesprecher David Eberhart. „Sowohl beim Mietendeckel als auch bei der Enteignungsdiskussion haben wir ausdrücklich auch im Interesse unserer Mitgliedsgenossenschaften gehandelt.“ Durch den Mietendeckel hätten auch sie „erhebliche Umsatzeinbußen erlitten“, so Eberhart. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass Genossenschaften mit mehr als 3000 Wohnungen ebenfalls von der Enteignung betroffen wären. In der Tat haben mehrere Genossenschaftsvorstände von sich aus Front gegen das Volksbegehren gemacht – obwohl deren Vergesellschaftung erklärtermaßen keineswegs beabsichtigt ist.
Der Spagat des BBU zwischen Sozial- und Kapitalinteressenvertretung ruft aber zunehmend Widerspruch hervor. Im Jahr 2019 protestierten über 100 Mieter:innen genossenschaftlicher und landeseigener Unternehmen in einem offenen Brief dagegen, dass der BBU letztlich mit ihren Mieten ein Rechtsgutachten bezahlt hat, das die Verfassungswidrigkeit des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ belegen sollte. „Nicht in unserem Namen!“ stellten sie klar und forderten eine „gemeinwohlorientierte Wende des BBU“. Auf Demos waren Transparente mit der Aufschrift „Deutsche Wohnen & Co raus aus dem BBU“ zu sehen. Der Landesparteitag der Linken forderte 2019, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen aus dem Verband austreten sollen, weil er als „politischer Arm der profitorientierten Wohnungskonzerne“ agiere.
Die Genossenschaft Luisenstadt eG hat dem BBU den Rücken gekehrt und ist stattdessen dem Prüfungsverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften (PkmG) beigetreten. Die meisten der seit Ende der 90er Jahre gegründeten jungen Genossenschaften sind gleich Mitglied im PkmG geworden.
„Die Genossenschafter*innen“ halten es für notwendig, dass die nicht-marktorientierten Immobilienakteure ihre Interessen in einer eigenen Vertretung bündeln. Denn: „Solange Vonovia & Co. Mitglied im BBU sind, wird eine gemeinsame Interessenvertretung der Marktfernen woanders gesucht werden müssen.“
Jens Sethmann
Lobbyverband der Großen
Zum Verein BBU gehören 338 öffentliche, genossenschaftliche, private und kirchliche Wohnungsunternehmen, die in Berlin und Brandenburg rund 1,1 Millionen Wohnungen bewirtschaften. Die 134 Berliner BBU-Mitgliedsunternehmen besitzen in Berlin 745.000 Wohnungen, das entspricht 44 Prozent des Berliner Mietwohnungsbestandes. Darunter sind 360.000 Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften, 190.000 genossenschaftliche Wohnungen und 155.000 Wohnungen von Vonovia/Deutsche Wohnen. Der BBU ist damit einflussreichster Immobilienverband Berlins. Laut Lobbyregister des Bundestages setzte er im Jahr 2021 mehr als 120.000 Euro für seine Interessenvertretung ein. In der Berliner Politik ist der BBU gut vernetzt, insbesondere über die landeseigenen Wohnungsunternehmen, auf die der Senat für die Umsetzung seiner Wohnungspolitik angewiesen ist.
js
Prüfungsverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften:
www.pruefungsverband.de/
Initiative Die Genossenschafter*innen:
www.genossenschafter-innen.de/
19.06.2023