Leitsatz:
Zur Verjährung des Auskunftsanspruchs des Mieters gemäß § 556 g Abs. 3 BGB bei Vereinbarung einer Staffelmiete.
BGH vom 12.7.2023 – VIII ZR 60/22 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In dem Verfahren zum Aktenzeichen – VIII ZR 60/22 – stellte sich der Sachverhalt – vereinfacht – wie folgt dar:
Mietvertragsabschluss am 1.11.2015.
Vereinbarung einer Staffelmiete mit der ersten Erhöhung zum 1.11.2018.
Am 4.5.2020 rügte der Mieter gemäß § 556 g Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556 d ff. BGB) und verlangte Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbarte Mieterhöhungen, über in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen und einen sich gegebenenfalls hieraus ergebenden Betrag einer Mieterhöhung sowie darüber, ob es sich bei dem bestehenden Mietverhältnis um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handele.
Ferner begehrte der Mieter die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung des Vermieters, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.
Der Vermieter rührte sich nicht.
Daher erhob der Mieter am 4.8.2021 Klage auf Erteilung der vorgenannten Auskünfte und auf (Rück-)Zahlung seiner Ansicht nach für den Monat Juni 2020 zu viel gezahlter Miete.
Der Vermieter berief sich auf Verjährung des Auskunftsanspruchs.
Nach Ansicht des BGH komme es auf die in den Vorinstanzen ventilierte Frage, ob der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556 g Abs. 3 BGB aufgrund seiner Ausgestaltung als Hilfsanspruch (überhaupt) vor dem als Hauptanspruch zu wertenden Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB verjähren könne, im Streitfall nicht an. Vielmehr scheide eine Verjährung des Auskunftsanspruchs des Mieters vor Erhebung der Klage im August 2021 bereits aus anderen Gründen – im Hinblick auf die Vorschrift des § 557 a Abs. 4 Satz 1 BGB – aus.
Im Fall einer Staffelmiete seien nach § 557 a Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 556 d bis 556 g BGB auf jede Mietstaffel anzuwenden. Als Folge dieser gesetzlichen Anordnung entstehe mit jeder neuen Staffelstufe ein (selbstständiger) Anspruch des Mieters auf Auskunftserteilung über die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Miethöhe der jeweiligen Staffelmiete maßgeblichen Tatsachen gemäß § 556 g Abs. 3 BGB. Selbst wenn ein zu einem früheren Zeitpunkt – etwa mit dem Abschluss des Mietvertrags oder mit dem Inkrafttreten vorangegangener Staffelstufen – entstandener Auskunftsanspruch bei Inkrafttreten der nachfolgenden Staffelstufe bereits verjährt wäre, hinderte dies die Durchsetzung des neuen Auskunftsanspruchs nicht. Vorliegend stehe dem Mieter jedenfalls der durch die gesetzliche Anordnung in § 557 a Abs. 4 Satz 1 BGB neu begründete Anspruch gegen den Vermieter auf Erteilung von Auskunft gemäß § 556 g Abs. 3 BGB zu, der unter Zugrundelegung der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) bei Klageerhebung im August 2021 auch dann noch nicht verjährt gewesen sei, wenn es für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs (1.11.2018) und nicht auf dessen Geltendmachung (4.5.2020) ankäme.
In drei weiteren Entscheidungen vom 12.7.2023 (VIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22 und VIII ZR 125/22) hat der BGH die Frage „Entstehung oder Geltendmachung“ jedoch entschieden. Er hat hier klargestellt, dass der Auskunftsanspruch nach § 556 g Abs. 3 BGB selbstständig und unabhängig von dem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjährt.
Die Verjährungsfrist beginne dabei nicht – wie die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin angenommen hat – mit der Entstehung des Auskunftsanspruchs im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses, sondern erst mit dem Auskunftsverlangen des Mieters. Der Auskunftsanspruch könne damit – anders als die Zivilkammern 65 und 67 des Landgerichts Berlin gemeint haben – vor dem Rückzahlungsanspruch verjähren.
Der Gesetzgeber habe den Auskunftsanspruch als sogenannten verhaltenen Anspruch ausgestaltet, bei dem der Gläubiger (hier der Mieter) die Leistung jederzeit verlangen könne, der Schuldner (hier der Vermieter) die Leistung jedoch nicht von sich aus erbringen müsse. Für diese Einordnung sprechen der Wortlaut der gesetzlichen Regelung („auf Verlangen des Mieters“) sowie der Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs, welcher darin bestehe, ein durch die strukturelle Unterlegenheit auf angespannten Wohnungsmärkten bedingtes Informationsdefizit des Mieters auszugleichen, und schließlich die für verhaltene Ansprüche charakteristische und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen von Vermieter und Mieter als unbillig empfundene Gefahr einer Anspruchsverjährung infolge des zeitlichen Auseinanderfallens von Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs.
26.09.2023