Leitsatz:
Wenn der Insolvenzverwalter zur Räumung eines Grundstücks rechtskräftig verurteilt worden ist, kann er durch die Freigabe des Grundstücks nicht mehr bewirken, dass diese Masseverbindlichkeit erlischt.
BGH, Urteil vom 2.2.2006 – IX ZR 46/05 –
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Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
„… Der Räumungsanspruch des Vermieters gemäß § 546 BGB wird nicht erfüllt, wenn der Mieter dem Vermieter zwar den Besitz überlässt, aber die zum Zwecke der Gebrauchsnutzung auf das Grundstück geschafften Sachen nicht entfernt; in diesem Fall enthält er dem Vermieter die Mietsache vor (BGHZ 86, 204, 210; 104, 285, 288). Dies gilt auch in der Insolvenz des Mieters (BGHZ 86, 204, 211; 127, 156, 165; 148, 252, 255 f). Durch die Freigabe der auf dem Grundstück befindlichen Sachen kommt der Verwalter seiner Räumungspflicht nicht nach, da die negativen Veränderungen der Mietsache nach wie vor anhaften (Braun NZI 2005, 255, 258; Dziesiaty jurisPR-InsR 8/2005 Anm. 3).
Ebenso wenig konnte die Freigabe der auf dem Grundstück lagernden Gegenstände die Räumung ersetzen. Sie führte lediglich dazu, dass die Gegenstände aus dem Insolvenzbeschlag entlassen wurden und die Schuldnerin die Befugnis zurückerhielt, über diese Gegenstände zu verfügen. Schuldner des titulierten Anspruchs auf Räumung blieb indes der Beklagte; er konnte sich dieser Verpflichtung nicht dadurch zu Lasten der Klägerin entziehen, dass er durch Erklärung gegenüber der Schuldnerin dieser die Verfügungsbefugnis über das Räumungsgut wieder übertrug – ebenso wenig wie ein Mieter sich der Verpflichtung zur Räumung etwa entziehen kann, indem er sein Eigentum an zurückgelassenen Sachen aufgibt oder auf einen Dritten überträgt (BGHZ 127, 156, 167 f). Insoweit ist diese Entscheidung durch das in BGHZ 148, 252, 256 f abgedruckte Senatsurteil vom 5. Juli 2001 nicht überholt. Dort hatte der Senat ausschließlich den anders gelagerten Fall zu beurteilen, dass die Pflicht des Mieters allein auf dem von ihm mit dem Vermieter vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Vertrag beruht.
3. Durch den mit der Freigabe bewirkten Rückfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die Schuldnerin wird dem Verwalter die Erfüllung des Räumungsanspruchs nicht unmöglich. Denn der Anspruch gemäß § 546 BGB setzt keinen Besitz des Mieters voraus; dadurch, dass dieser den Besitz an der Mietsache aufgibt, wird kein Tatbestand verwirklicht, der ein Erlöschen des gegen den Mieter gerichteten Rückgabeanspruchs zur Folge hat. Der Vermieter kann den Mieter daher nach Beendigung des Mietverhältnisses auch dann auf Rückgabe der Mietsache in Anspruch nehmen, wenn dieser sich nicht mehr im Besitz derselben befindet; das Gleiche gilt für den Untermieter (BGHZ 119, 300, 304; 131, 176, 182). Der Umstand, dass die Erfüllung eines Anspruchs von dem Willen eines Dritten abhängt, begründet für sich genommen keine subjektive Unmöglichkeit; die Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine Grundlage für die Annahme, es sei ausgeschlossen gewesen, dass der Beklagte auf die Schuldnerin rechtlich oder auch nur tatsächlich einwirken und so die Leistung erbringen konnte (vgl. BGHZ 131, 176, 183 f; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1974 – VIII ZR 113/72, NJW 1974, 2317; vom 24. Juni 1982 – III ZR 178/80, NJW 1982, 2552, 2553). Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Beklagte überdies mit der Einwendung subjektiver Unmöglichkeit auf das Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu verweisen wäre, bedarf daher keiner Entscheidung. …“
22.11.2016