Leitsatz:
Zur Berechnung der bei Mietbeginn zulässigen Miethöhe im Fall der Indexmiete gemäß § 557 b Abs. 4 BGB.
BGH vom 5.7.2023 – VIII ZR 94/21 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das obige zur „Kellermiete“ ergangene Urteil kreist auch noch um eine andere interessante Frage zur Mietpreisbremse.
Es ging um § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vorschrift lautet: „Ist die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556 d Absatz 1 zulässige Miete, so darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden.“ Die Besonderheit des vorliegenden Falles war, dass im neuen Mietvertrag – Beginn: 1.12.2015 – eine Indexmiete vereinbart war, beim Vormieter jedoch nicht. Während der Vormieter eine Nettokaltmiete von 727,50 Euro gezahlt hatte, vereinbarten die Mietvertragsparteien nunmehr eine Indexmiete; die Ausgangsmiete belief sich auf 850 Euro netto kalt.
Die nachfolgenden Indexmieterhöhungen führten zu folgenden Miethöhen:
Ab April 2017: 858,74 Euro (+ 1,028 %),
ab April 2018: 872,24 Euro (+ 1,57 %),
ab April 2019 bis Dezember 2019: 884,21 Euro (+ 1,372 %).
Der BGH nahm den vom Vermieter geltend gemachten Ausnahmetatbestand des § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB als gegeben an und hat deshalb für die Wohnung der Mieter eine Anfangsmiete bis zu einer Höhe von 727,50 Euro monatlich als zulässig angesehen. Fraglich war indes, was dies für etwaige Rückzahlungsansprüche der Mieter die preisrechtlich unzulässige Miete betreffend bedeute.
Bei der Anwendung der Vorschrift des § 556 e Abs. 1 BGB müsse nämlich beachtet werden – so der BGH –, dass diese Bestimmung eine Identität des betreffenden Leistungsgegenstands des Vermieters voraussetze. Deshalb könne hier der Summe der Mietentgelte für die Wohnung aus dem Nachmietverhältnis nicht allein die vom Vormieter zuletzt geschuldete Nettokaltmiete für die Wohnung – im Mietvertrag als „Grundmiete“ bezeichnet – gegenübergestellt werden.
§ 556 e Abs. 1 BGB enthalte eine Bestandsschutzregelung zugunsten des Vermieters. Die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe nach §§ 556 d ff. BGB sollen die Unterbindung unangemessener Preissprünge bei der Wiedervermietung bewirken,, nicht aber den Vermieter zur Absenkung zuvor wirksam vereinbarter Mietentgelte im nachfolgenden Mietverhältnis zwingen. Der Vermieter solle unabhängig von der nach § 556 d Abs. 1 BGB allgemein zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn jedenfalls diejenige Miete auch im nachfolgenden Mietverhältnis verlangen können, die er mit dem Vormieter wirksam vereinbart hatte. Nach Sinn und Zweck setze ein solcher auf den Erhalt des gleichen Entgelts im Vor- und Nachmietverhältnis gerichteter Bestandsschutz voraus, dass dem Entgelt auch die gleiche Leistung gegenüberstehe.
Demnach seien die im Streitfall für die Wohnung vereinbarte Ausgangsmiete in Höhe von 850 Euro netto kalt und die vom Vormieter für die Wohnung zuletzt geschuldete Nettokaltmiete in Höhe von 727,50 Euro miteinander zu vergleichen.
Da die Parteien vorliegend eine Indexmiete vereinbart hätten, sei nur die Ausgangsmiete auf ihre Mietpreiswidrigkeit zu überprüfen (§§ 557 b Abs. 4 BGB). Hier sei die Vormiete von 727,50 Euro zunächst die Obergrenze. Diese müsse aber im Rückzahlungsprozess genauso wie die nach dem Mietvertrag geschuldete Indexmiete auch, entsprechend den gleichen prozentualen Steigerungen fortgeschrieben werden.
Die gemäß § 556 e Abs. 1 BGB maßgebliche Vergleichs(ausgangs)miete in Höhe von 727,50 Euro (Differenz zur vereinbarten Ausgangsmiete 122,50 Euro) betrage – zu den jeweiligen Zeitpunkten der Mietentgeltänderung entsprechend indexiert – für die Zeit ab April 2017 monatlich 734,98 Euro (Differenz zur vereinbarten Miete in Höhe von 123,76 Euro), ab April 2018 monatlich 746,52 Euro (Differenz zur vereinbarten Miete in Höhe von 125,72 Euro) und ab April 2019 monatlich 756,76 Euro (Differenz zur vereinbarten Miete in Höhe von 127,45 Euro).
Damit ergebe sich eine Überzahlung für die Zeit von Mai 2016 bis März 2017 in Höhe von 1.347,50 Euro (122,50 Euro x 11 Monate), für die Zeit von April 2017 bis März 2018 in Höhe von 1.485,12 Euro (123,76 Euro x 12 Monate), für die Zeit von April 2018 bis März 2019 in Höhe von 1.508,64 Euro (125,72 Euro x 12 Monate) und für die Zeit von April 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von 1.147,05 Euro (127,45 Euro x 9 Monate), insgesamt mithin 5.488,31 Euro.
Soweit der BGH.
Die bislang von den rechtsberatenden Praktikern angewandte Berechnungsmethode sah dagegen vor, dass lediglich die Differenz der Ausgangsmieten (hier 727,50 zu 850,00 Euro ergibt 122,50 Euro) zurückverlangt werden konnte (hier 122,50 x 44 = 5.390,00 Euro) und dass die Indexmieterhöhungen auf Basis der zulässigen – niedrigeren – Ausgangsmiete neu berechnet werden und insoweit einen weiteren Rückzahlungsanspruch begründen (unzulässige Indexmieterhöhungen (679,65 Euro) minus zulässigen Indexmieterhöhungen (581,34 Euro) ergibt den Rückzahlungsanspruch (98,31 Euro) des Mieters. Beide Rückzahlungsansprüche addiert ergeben 5.488,31 Euro.
Fazit: Die bisherige Berechnungsmethode und die neue des BGH kommen zum gleichen Ergebnis.
Die Berechnung im Detail:
Richtigerweise waren folgende Mieten zulässig
von Dezember 2015 und bis März 2017: 727,50 Euro
ab April 2017: 734,98 Euro (+ 1,028 %),
ab April 2018: 746,52 Euro (+ 1,57 %),
ab April 2019 bis Dezember 2019: 756,76 Euro (+ 1,372 %).
Richtigerweise waren demnach folgende Mieterhöhungen zulässig
April 2017 bis März 2018: 7,48 Euro x 12 = 89,76 Euro
April 2018 bis März 2019: 19,02 x 12 = 228,24 Euro
April 2019 bis Dezember 2019: 29,26 x 9 = 263,34 Euro
Insgesamt also 581,34 Euro
Tatsächlich wurden folgende Mieten verlangt und gezahlt:
Von Dezember 2015 und bis März 2017: 850 Euro,
ab April 2017: 858,74 Euro (+ 1,028 %),
ab April 2018: 872,24 Euro (+ 1,57 %),
ab April 2019 bis Dezember 2019: 884,21 Euro (+ 1,372 %).
Das ergab folgende Mieterhöhungsbeträge:
April 2017 bis März 2018: 8,74 Euro x 12 = 104,88 Euro
April 2018 bis März 2019: 22,24 x 12 = 266,88 Euro
April 2019 bis Dezember 2019: 34,21 x 9 = 307,89 Euro
Insgesamt also 679,65 Euro
23.10.2023