Straßenlaternen, Leuchtreklamen, Fassadenbeleuchtung und dergleichen sorgen dafür, dass es in der Stadt auch nachts hell ist. Vielerorts ist dies wichtig und erwünscht, doch wo Licht ist, ist auch Schatten, und so hat die nächtliche Helligkeit auch ihre unerwünschten und schädlichen Seiten.
Als „Lichtverschmutzung“ bezeichnet man die Aufhellung des nächtlichen Himmels durch künstliche Beleuchtung. Ein Forscherteam um den Geoinformatiker Dr. Christopher Kyba vom Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) hat Anfang 2023 ermittelt, dass in Europa die Himmelshelligkeit um 6,5 Prozent jährlich zunimmt. „Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch“, so der Forscher. Legt man die weltweite Zunahme zugrunde – die sogar bei 9,6 Prozent pro Jahr liegt – und geht davon aus, dass sich die Entwicklung so fortsetzt, dann kann ein Kind, das an einem Ort mit 250 sichtbaren Sternen geboren wird, an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne am Nachthimmel erkennen.
Klar ist: Ohne Licht geht es nicht. Das ist auch in § 7 Abs. 5 Berliner Straßengesetz festgelegt: „Die öffentlichen Straßen sind in ihrer Gesamtheit zu beleuchten, soweit es im Interesse des Verkehrs und der Sicherheit erforderlich ist.“ Nicht nur für die Verkehrssicherheit, auch für die gefühlte Sicherheit spielt Licht eine große Rolle. So heißt es im Berliner Lichtkonzept: „Untersuchungen belegen, dass vor allem die Dunkelheit Einfluss darauf hat, ob ein Raum als Angstraum eingeschätzt wird oder nicht.“ Zwar lässt sich das Gefühl von Unsicherheit, das demnach vor allem (ältere) Frauen erleben, statistisch nicht mit zunehmenden Gefahren bei weniger Beleuchtung erklären. Dennoch ist es ein relevanter Aspekt, dem in der Beleuchtung des öffentlichen Raums Rechnung getragen werden muss.
Berlins Gesetz bleibt ziemlich allgemein
Gleichzeitig wird zunehmend Kritik an der „Dauerhelligkeit“ laut. So sprechen sich etwa Astronom:innen wie der Direktor des Berliner Zeiss-Großplanetariums, Tim Florian Horn, Ärzt:innen und Umweltverbände für einen behutsameren Umgang mit künstlicher Beleuchtung aus. „Gib der Dunkelheit eine Chance“, propagiert etwa der BUND Berlin; der Berliner NABU fordert „Macht endlich das Licht aus!“ Allerdings: Auf Bundesebene fehlt bislang eine einheitliche Regelung, um Lichtverschmutzung zu begegnen. In einem Papierdes Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2019 heißt es: „In Deutschland gibt es kein Gesetz, welches unmittelbar als Ziel die Bekämpfung oder Beschränkung der Umweltverschmutzung durch Licht verfolgt.“
Dadurch sind die Länder und Kommunen gefragt, die in unterschiedlichem Maße aktiv werden. Berlin hat mit dem Landes-Immissionsschutzgesetz (LImSchG) eine landesgesetzliche Regelung, die aber sehr allgemein bleibt. Im konkreten Fall werden daher die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ herangezogen, die die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) 2012 erarbeitet hat. Darin ist beispielsweise festgelegt, wie stark die Beleuchtung in bestimmten Gebieten ausfallen darf – in Kerngebieten deutlich stärker als rund um Krankenhäuser. Auch das „Stadtbild Berlin Werbekonzept“ von 2014 und das bereits erwähnte „Stadtbild Berlin Lichtkonzept“ von 2015 enthalten Vorgaben und Empfehlungen, wie Licht eingesetzt werden sollte. In ersterem heißt es: „Licht emittierende Anlagen sind (…) so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert bzw. vermindert werden. Ausschlaggebend dabei ist der jeweilige Stand der Technik.“
Und da hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. So verweist der NABU darauf, dass in Berlin die Umstellung von Gas- und Elektroleuchten auf solche mit LEDs „stetig vorangetrieben“ werde. Die überwiegend eingesetzten warmweißen LEDs werden nach unten ausgerichtet, es gibt kaum Streuverluste in den Nachthimmel, Insekten werden weniger irritiert. Bisher „lichtverschmutzte“ Zonen werden dadurch dunkler. Zehntausende Leuchten sind stadtweit bereits umgerüstet, viele weitere geplant. Hauptmotivation hierfür ist ein deutlich sinkender Energieverbrauch. Dass LED-Leuchten für Straßenlaternen in den letzten Jahren sehr viel günstiger geworden sind, macht sie zusätzlich attraktiv. Forscher:innen haben jedoch auch Hinweise darauf entdeckt, dass durch die inzwischen so erschwinglichen LED-Leuchten nun auch bislang dunklere Gegenden erleuchtet werden – ein unerwünschter Rebound-Effekt.
Meldeportal für Licht-Beschwerden
Immerhin: Senat und Bezirksämter haben auch ein gemeinsames Meldeportal eingeführt, über das Bürger:innen Beschwerden über Lichtbelästigungen eingeben können, denen dann nachgegangen wird. Zudem wird seit dem vergangenen Jahr die Außenbeleuchtung öffentlicher Bauwerke reduziert. Die politische Motivation dahinter ist aber eher, vor dem Hintergrund der Klimakrise und des Krieges in der Ukraine Energie einzusparen. Einem dunkleren Nachthimmel dürfte es dennoch zuträglich sein.
Viel Potenzial liegt auch in „smarter“, bedürfnisorientierter Beleuchtung, etwa in Form von Bewegungssensoren oder Dimmern.
Katharina Buri
Insektenfreundlich beleuchten – so geht’s!
Umweltverbände wie der BUND empfehlen, bei der Außenbeleuchtung – etwa auf Balkonen – auf warmweiße LED-Lampen zu setzen. Denn Insekten orientieren sich normalerweise an natürlichen Lichtquellen wie dem Mond oder den Sternen. Kunstlicht, besonders kaltweiße Leuchtmittel, die kurzwelliges Licht mit hohem Blauanteil verbreiten, bringen die Tiere besonders stark aus der Bahn. Die Außenlampen sollten möglichst niedrig angebracht werden und wenig Licht zur Seite und nach oben abstrahlen. Gehäuse sollten vollständig geschlossen sein, um ein Eindringen der Tiere zu verhindern, und sich nicht auf mehr als 60 Grad erhitzen. Nach Möglichkeit Zeitschaltuhren und Bewegungsmelder einsetzen. Und vor allem: Außenbeleuchtung generell so sparsam wie möglich einsetzen.
kb
Lichtverschmutzung schadet Mensch und Tier
Zuviel Licht am Nachthimmel verschwendet unnötig Energie und führt dazu, dass man am nächtlichen Himmel keine Sterne mehr sieht, was die astronomische Forschung erschwert. Auch das Ökosystem wird empfindlich gestört: Insekten, durch starke Lichtquellen fehlgeleitet, werden in ihrer Futtersuche und Fortpflanzung behindert und sterben massenhaft an heißen Leuchten. Auch die Orientierung von (Zug-)Vögeln wird beeinträchtigt. Einige Arten verändern ihr Singverhalten. Beim Menschen leidet der Schlaf-Wach-Rhythmus, es kann zu Schlafstörungen kommen. Diese wiederum können eine Reihe physischer und psychischer Krankheiten nach sich ziehen – im Verdacht stehen unter anderem Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Fettleibigkeit.
kb
Einreichen einer „Beschwerde über Lichtbelästigung“ gebührenfrei über:
www.berlin.de/umwelt/themen/licht-strahlung/formular.80867.php
Weiterführende Informationen zum Thema:
„Dark Sky“ unter
www.lichtverschmutzung.de
„Paten der Nacht“ unter
www.paten-der-nacht.de
sowie die Aktion „Earth Night – Licht aus für eine ganze Nacht“ (wieder am 6. September 2024) unter
www.earth-night.info
Lasst die Motten sprechen: Klangkunst zum Thema Lichtverschmutzung macht der britische Künstler Jeremy Knowles am Bahnhof Lichtenberg. Weitere Infos:
www.openthenight.de
01.11.2023