Ganz Deutschland ächzt unter steigenden Mieten, nur das Finanzamt findet: Zu günstig darf es nicht sein. Die absurde Regelung: Wer unter Preis vermietet, wird steuerlich schlechter gestellt als der, der nimmt, was er kriegen kann.
Man muss sie zwar mit der Lupe suchen, aber es gibt sie: Wohnungen, die preislich weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Oft finden sie sich in langjährigen Mietverhältnissen. Manchmal, vor allem im ländlichen Raum, handelt es sich um Vermietungen an Familienangehörige.
Es gibt aber auch Vermieterinnen und Vermieter, die mit ihrem Haus nicht den größtmöglichen Gewinn machen, sondern lieber zufriedene Mieter:innen haben wollen, die ihre Immobilie pfleglich behandeln.
40.000 Euro soll ein Münchner Vermieter nachzahlen
So sieht es auch Thaddaeus Spegel aus München, dessen Fall bundesweit Schlagzeilen gemacht hat. Er bekam Ärger mit dem Finanzamt, weil er zu günstig vermietet. 40.000 Euro soll er nachzahlen, wie mehrere Lokalzeitungen berichteten. Die meisten seiner rund 100 Wohnungen liegen zwar mit Preisen um die 13 Euro netto pro Quadratmeter für Münchner Verhältnisse im Rahmen: Der Mietspiegel für die bayerische Landeshauptstadt weist für 2023 eine Durchschnittsmiete von 14,58 Euro auf – 2021 waren es 11,69 Euro. Aber einige Wohnungen vermietet Taddaeus Spegel auch sehr viel günstiger, beispielsweise an seine Hausmeister. In einem Fall sollen es nur 8,80 Euro sein. Die Betreffenden hätten sich die Wohnungen teilweise komplett selber hergerichtet, inklusive Einbau von Böden und Küche, sagt Spegel. Das Finanzamt will nun, dass er 20 Euro pro Quadratmeter verlangt. Wie der Fiskus auf diesen Wert kommt, ist nicht ganz klar. Vermutlich wurde zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht der Mietspiegel, sondern die Marktmiete herangezogen. Darum gibt es häufig Streit, trotz eines Urteils des Finanzgerichtshofs (hierzu unsere Infobox).
Das Steuerrecht will Einnahmen schaffen und nicht die Mieten dämpfen
Die Regelung, die das Finanzamt bei Spegel durchsetzen will, ist nicht neu: laut Einkommensteuergesetz sind bei Mieteinnahmen die Werbungskosten – also die Ausgaben für Instandhaltung, Abschreibung und so weiter – nur dann in voller Höhe absetzbar, wenn die Miete mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Wer günstiger vermietet, muss also mehr Steuern zahlen. Eine absurde, aber aus Sicht des Finanzamts logische Praxis: Sinn und Zweck eines Unternehmens ist es schließlich, Profit zu machen, ganz gleich, ob es um Mieteinnahmen oder um das Betreiben eines Kasinos geht. Das Steuerrecht hat nicht die Aufgabe, mietpreisdämpfend zu wirken. Gefragt ist also der Gesetzgeber.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) fordert seit Jahren, dass sichergestellt werden muss, dass die Finanzämter für ihre Berechnungen grundsätzlich nur den Mietspiegel heranziehen. Außerdem müsse es bei sozial eingestellten Vermieter:innen Ausnahmeregelungen geben.
Birgit Leiß
Vorrang für den Mietspiegel
In einem Urteil hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass die ortsübliche Miete grundsätzlich auf der Basis des örtlichen Mietspiegels zu bestimmen ist (BFH vom 22. Februar 2021 – IX R 7/20). Geklagt hatte eine Eigentümerin, die ihre 57 Quadratmeter große Wohnung zu einem Mietzins von 300 Euro netto an ihre Tochter vermietet hatte. Das seien nur 64 Prozent der ortsüblichen Miete, befand das Finanzamt und berücksichtigte daher nur einen Teil der Werbungskosten steuermindernd. Zur Ermittlung hatte es eine Vergleichswohnung im Haus herangezogen. Das wollte die Eigentümerin nicht akzeptieren. Sie rechnete vor: der untere Wert des Mietspiegels liegt bei 6,09 Euro, somit nimmt sie 90 Prozent der ortsüblichen Miete. In zweiter Instanz bekam sie Recht. Ein qualifizierter Mietspiegel habe Vorrang, so der Bundesfinanzhof.
bl
02.12.2023