Den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist sie lästig, beim alten Senat hatte sie schon einen schweren Stand und der Landesrechnungshof fordert ihre Abschaffung: Die vom Mietenvolksentscheid 2015 erkämpfte Wohnraumversorgung Berlin AöR (WVB) wird Schritt für Schritt demontiert. Der CDU-SPD-Senat will ihre Aufgaben nun stark beschneiden.
„Weiterentwickeln“ nennt der Senat sein Vorhaben bezüglich des WVB: „Ihre Aufgaben werden verstärkt und auf die Beratung und Partizipation der Mieterinnen und Mieter sowie auf die Schlichtung von Mietstreitigkeiten konzentriert“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Um diese Aufgaben effektiv zu gestalten, sollen die Strukturen, Gremien und Prozesse gestrafft und entbürokratisiert werden.“ Was als Instanz zur Aufsicht über die landeseigenen Wohnungsunternehmen gestartet war, soll nun also zu einer Mieterberatungs- und Schlichtungsstelle zurechtgestutzt werden.
Begrenzter Einfluss
Als Aufsichtsinstanz erarbeitet sie Leitlinien für die Geschäftspolitik der Wohnungsunternehmen, kontrolliert die Vermietungsvorgaben und unterstützt die Arbeit der Mieterräte. In den Chefetagen der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist die WVB entsprechend unbeliebt. Ihr Einfluss auf die praktische Geschäftsführung der sechs Großunternehmen blieb allerdings ohnehin gering.
Wichtigster Punkt in der Arbeit der WVB ist die Kooperationsvereinbarung, die der Senat mit den Wohnungsunternehmen geschlossen hat. Die WVB hat diese Richtlinien im Jahr 2017 mitverhandelt. In ihnen sind unter anderem Mietbeschränkungen, Vermietungsvorgaben und Sozialbelegungsquoten von Neubauten festgeschrieben. Die WVB hat die Aufgabe, deren Einhaltung zu kontrollieren und die Zahlen der sechs Unternehmen jährlich in einem Bericht zusammenzufassen. Den Bericht über das Jahr 2022 hat allerdings die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Dezember 2023 selbst herausgegeben. Er enthält weniger Daten als die WVB-Berichte der Vorjahre und bietet auch keinen Überblick über die langjährigen Entwicklungen.
Rechnungshof: Keine Erfolge zu sehen
In den Augen des Rechnungshofes Berlin ist die WVB komplett gescheitert. Sie habe auch nach sieben Jahren „in zentralen Bereichen ihres gesetzlichen Auftrags noch keine Erfolge vorzuweisen“, heißt es in dessen Jahresbericht 2023. „Insbesondere hat sie keine politischen Leitlinien für die Wahrnehmung des Versorgungs- und Wohnungsmarktauftrags der landeseigenen Wohnungsunternehmen entwickelt.“ Dass die Wohnungsunternehmen sich mit Händen und Füßen gegen solche Leitlinien wehren und die WVB wenig Unterstützung von der letztlich verantwortlichen Senatsverwaltung erhält, erwähnt der Rechnungshof nicht. Statt dessen empfiehlt er die Auflösung der WVB.
Die seit Anfang 2024 geltende neue Kooperationsvereinbarung hat die Senatsverwaltung allein mit den Wohnungsbaugesellschaften ausgehandelt. Ihr scheint die WVB künftig offenbar entbehrlich – ebenso wie die Mieterräte, an denen man eine sie betreffende Satzung weitgehend vorbeiverhandelte. Als sie, die von der WVB betreut werden, bei einer Konferenz die Vorgehensweise des Senats als undemokratisch geißelten, besänftigte sie Bausenator Gaebler mit warmen Worten: „Es ist gut, dass wir so eine weitreichende und engagierte Form der Mietermitwirkung haben.“ Den WVB-Mitarbeiter:innen blieb bislang eine solche Umarmung erspart.
Jens Sethmann
Vom Mietenvolksentscheid erstritten
Die Wohnraumversorgung Berlin ist 2016 als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gebildet worden. Sie ist ein Ergebnis des Berliner Mietenvolksentscheids von 2015. Das erfolgreiche Volksbegehren zielte darauf ab, die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts umzuwandeln und damit auf das Gemeinwohl auszurichten. Die als AG beziehungsweise GmbH organisierten Unternehmen sind, obwohl sie sich vollständig im Besitz des Landes Berlin befinden, auf Gewinnerzielung orientiert. Eine AöR hat diesen wirtschaftlichen Druck nicht. Der Senat hielt das Anliegen jedoch für verfassungswidrig und einigte sich mit der Volksinitiative unter anderem auf die Bildung der WVB.
js
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31.01.2024