Barbara Steenbergen ist Leiterin des EU-Verbindungsbüros der Internationalen Mietervereinigung IUT in Brüssel. Dem MieterMagazin erklärt sie, in welcher Weise und wo sie tätig wird, damit sich das europäische Räderwerk für die Mieter in Bewegung setzt.
Im vergangenen Jahr fand in Lissabon die Weltkonferenz des IUT statt. Worüber wurde beraten?
Ein Problem belastet uns immer stärker: Short-term rentals – die Kurzzeitvermietungen. Im Fokus stehen Vermittler wie Airbnb, die inzwischen für einen dramatischen Wechsel in unseren städtischen Ökosystemen verantwortlich sind. In Lissabon beispielsweise werden inzwischen ganze Straßenzüge der Innenstadt an Touristen vermietet.
Und was haben Sie dagegen unternommen?
Wir haben als ersten Schritt mit dafür gesorgt, dass ein Datenaustausch zwischen Städten und den Online-Plattformen verpflichtend wird. Denn wenn man diese Fehlentwicklung eindämmen will, muss man vor allem wissen: Wer vermietet wo, wie lange und wie viele Ferienwohnungen? Das setzt aber den Zugriff auf diese Daten voraus. Gerade wurde dafür in Brüssel ein Gesetz beschlossen – und muss nun in den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
Ein Erfolg. Was konnte die IUT in den zurückliegenden Jahren für die europäischen Mieter noch durchsetzen?
Wir kämpfen um Mieterschutz und Mieterrechte gerade dort, wo es nicht so gut darum bestellt ist – beispielsweise in den Balkanländern: Hier herrscht eine prekäre Wohnsituation, und die Vermieter haben das Sagen, weil es kein vernünftiges Mietrecht gibt. Da ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir das fundamentale Recht auf Wohnen – wie in der Europäischen Sozialcharta verankert – auch in die nationalen Verfassungen einbringen.
Wir kämpfen aber beispielsweise auch seit langem für einen Systemwechsel im sogenannten Beihilferecht, nämlich an einer Änderung der EU-Definition für den Sozialen Wohnungsbau, der bisher nach EU-Maßgabe nur für die Ärmsten gefördert wird. Er muss aber breiten Schichten der Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Das EU-Recht auf Wohnen muss in die nationalen Verfassungen
Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Wir müssen die Mehrheit im Europäischen Parlament, aber auch im Ausschuss der Regionen und im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss für unsere Interessen und Auffassungen gewinnen. Dies kann gelingen, weil wir eng mit Gewerkschaften, Vertretern der Städte und Gemeinden sowie sozialen Vermieterorganisationen zusammenarbeiten, die ebenfalls in Brüssel vertreten sind.
Es gelingt allerdings nur mit Themen, die Europa in seinen Grundfesten erschüttern können – Wohnen ist gerade ein solches Thema. Alle merken: Die europäischen Wohnungsmärkte kollabieren. Und das hat Konsequenzen. Wenn es in großen Metropolen wie Paris und Stockholm, in München und Dublin immer schwerer wird, Arbeitskräfte zu bekommen, weil die sich nirgendwo in diesen Städten eine Wohnung leisten können, dann trifft das die Wettbewerbsfähigkeit in Europa ganz empfindlich.
Das Interview führte Rosemarie Mieder
Für internationale Mieterinteressen seit fast 100 Jahren
Die International Union of Tenants (Internationale Mieter-Vereinigung, kurz: IUT) ist eine nichtstaatliche und gemeinnützige Mitgliederorganisation und wurde 1926 in Zürich gegründet. Ihr Hauptsitz befindet sich in Stockholm, seit 2008 gibt es eine Repräsentanz in Brüssel, die Mieterinteressen gegenüber den EU-Institutionen vertritt. Die IUT hat 74 Mitgliedsorganisationen in 51 Ländern. Sie setzt sich für ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum als universelles Menschenrecht ein, das in den Verfassungen und Gesetzen jedes Landes gesetzlich verankert sein sollte. Die Vereinigung organisiert und erleichtert auch die Zusammenarbeit zwischen nationalen Mieterorganisationen.
rm
www.iut.nu
29.05.2024