Wenn man das Ziel erreichen will, in Deutschland bis 2045 den CO2-Ausstoß auf Null zu verringern, dann müssen zur Wärmeerzeugung alle denkbaren erneuerbaren Ressourcen geprüft werden. Die Nutzung von Erdwärme, hierzulande bisher eine exotische Ausnahme, gerät in den Fokus.
Erdwärme ist eine Ressource, die im Prinzip ununterbrochen zur Verfügung steht. Je nachdem, aus welcher Tiefe die Wärme gefördert wird, spricht man von oberflächennaher oder tiefer Geothermie. Während ganze Stadtteile über die Fernwärmenetze mit Energie aus der Tiefe versorgt werden können, ist es in kleineren Siedlungen oder auch einzelnen Gebäuden gebräuchlich, die Wärme über die oberflächennahe Geothermie zu gewinnen.
Aktuelle Untersuchungen der Investitionsbank Berlin (IBB) haben ergeben, dass in Berlin Erdwärme in Erdoberflächen-Nähe besonders üppig vorhanden ist, denn unter der Stadt befindet sich das sogenannte Norddeutsche Becken mit sehr heißen Gesteinsablagerungen und Thermalquellen. Im letzten Jahr hat eine Forschungsstudie der IBB und der Umwelt-Senatsverwaltung insgesamt 13 Förderstandorte bestimmt. Diese sollen schon bis zum Jahr 2030 viele Berliner über das Fernwärmenetz mit der Energie aus einer Tiefe von 400 Metern (bis zu 25 Grad Celsius) bis zu einer Tiefe von circa 4,5 Kilometer (circa 200 bis 300 Grad Celsius) versorgen. Erste Probebohrungen sind bis 2025 vorgesehen, zum Beispiel auf dem Gelände der Urban Tech Republic, im Schumacher-Quartier auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel, beim Fernheizwerk Neukölln und auf dem Campus Berlin-Buch.
Erdwärmeanlagen der tiefen Geothermie sind sehr groß – und dennoch arbeiten sie ziemlich unauffällig in riesigen Produktionshallen.
Mehrere Verfahren für die Tiefenwärmegewinnung
Um die Tiefenwärme zu fördern, gibt es unterschiedliche Verfahren, doch alle funktionieren nach dem Prinzip der Wärme-Förderung und -Rückführung. Während für Bohrungen bis 1000 Meter das System der Tiefenerdsonde in dieser eher wasserführenden Schicht verwendet wird, bedient man sich für Gesteinsschichten von 3000 bis 6000 Metern des Tiefengesteinverfahrens, auch Petrothermales Verfahren genannt.
In einer Tiefe von 1000 bis 4000 Meter wird die Wärme mit einer Temperatur von 60 bis zu 160 Grad Celsius gefördert. Dafür werden in der Regel zwei parallele Bohrungen gemacht. Ein Bohrloch dient der Entnahme, ein weiteres der Rückführung des genutzten und abgekühlten Wassers in die Erde, das Reinjektionsbohrloch. Durch das erste wird kaltes Wasser nach unten gepumpt. Dadurch gelangt das heiße Tiefenwasser, das sowieso schon einen hohen Druck aufweist, bis zu 100 Meter unter die Erdoberfläche. Von dort wird es mit einer Pumpe weiter nach oben befördert und über das Fernwärmenetz oder zur Stromerzeugung über Generatoren verteilt. Dabei ist das Herzstück die zwischengeschaltete sogenannte Verdampferstation. Sie regelt den Durchfluss und die Temperatur des Wassers, damit Schwankungen unterbleiben.
Die in den Gebäuden ankommende Wärme aus der Fernwärmezuleitung wird durch einen Wärmetauscher auf das Wasser des gebäudeinternen Heizkreislaufs übertragen, ohne dass sich die beiden Wasserkreisläufe vermischen. Da das aus der Erde eintreffende Wasser sehr heiß ist und sich auf einer für die Wärmenutzung geeigneten Temperaturniveau befindet, braucht es für die Nutzung in den Wohnungen keine Wärmepumpe. Will man mit diesem System auch Strom erzeugen, wird ein Teil der „flüssigen Wärme“ auf dem Weg zu den Wohnungen durch eine Turbine geleitet und die entstehende mechanische Energie mit einem Generator in elektrischen Strom umgewandelt.
Der Kreislauf schließt sich, wenn das gebrauchte, mittlerweile abgekühlte Wasser wieder zurück zum ersten Bohrloch geleitet wird, wo es den Förderprozess erneut durchläuft. Nachteilig bei diesem System ist neben der hohen Anfangsinvestition für die Bohrungen vor allem, dass die Verteilung der Wärme über große Entfernungen zu Wärmeverlusten führt, wodurch die Wirtschaftlichkeit leidet.
Oberflächennahe Geothermie braucht keine Probebohrungen
Die zweite Möglichkeit, Geothermie zu nutzen, bietet die oberflächennahe Erdwärme. Ihre Nutzung funktioniert bis zu einer maximalen Tiefe von 400 Metern und kommt ohne Eingriffe in das Grundwasser aus. Abhängig ist diese Methode jedoch von hohen Grundwassertemperaturen, die in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung stehen.
Zur oberflächennahen Geothermie-Nutzung werden entweder mit Wasser gefüllte flache schleifenförmig verlegte Wärmetauscherrohre – sogenannte horizontale Kollektoren – in ausgehobenen Gräben in ungefähr zwei Metern Tiefe verlegt oder aber – in größerer Tiefe – mit Wasser gefüllte Erdsonden beziehungsweise Wärmetauscherrohre in den Boden eingebracht. Bis zu einer maximalen Tiefe von 400 Metern sind diese mit einer Erd- oder Solewärmepumpe verbunden, die die Energie für den Transport der Wärme liefern. Auch Grundwasserbrunnen können für die Förderung oberflächennaher Geothermie eingesetzt werden. Dafür wird die Wärme des direkt aus dem Brunnen kommenden Wassers per Wärmetauscher genutzt und mit Hilfe der Energie aus einer Wärmepumpe in die Haushalte transportiert. Nach der Nutzung wird das Wasser über ein Rohrsystem wieder zurück in den Boden geleitet. Günstig ist, dass im Falle der oberflächennahen Geothermie für die Beurteilung der Wärmevorkommen im Untergrund keine teuren Probebohrungen erforderlich sind, denn Temperatur- und Druckmessungen reichen aus. Die Technik ist sogar im Garten oder Hof einfach zu installieren und hilft, sobald sich die Anschaffung der Wärmepumpe amortisiert hat, richtig Geld zu sparen.
Wie bei allen Systemen der Erneuerbaren Energien zahlt sich der Einsatz von Geothermie vor allem dann aus, wenn das oder die wärmeversorgten Gebäude gleichzeitig eine gute Isolierung und Dämmung aufweisen.
Elke Augustin
Hohe Kosten = enorme Einsparungen
Mit Erdsonden oder dem Verlegen von Erdkollektoren sowie einem Anschluss an eine Wärmepumpe kann auch die Erdwärme im Garten oder Hof für Heizung und Warmwasser genutzt werden. Bei zwar hohen Anfangsinvestitionen von circa 20.000 Euro einschließlich der Wärmepumpe rechnet sich die Investition nach circa 10 bis 15 Jahren. Ab dann kann gespart werden: oft mehr als 40 Prozent der mit einer Gasheizung zuvor entstandenen Heizkosten. Zudem kann die Nutzung der Erdwärme dauerhaft nahezu unabhängig von fossilen Brennstoffen betrieben werden, besonders dann, wenn eine Photovoltaikanlage oder Miniwindturbine das System ergänzt und die Wärmepumpe mit Strom versorgt.
ea
27.06.2024