Anfang 2024 haben sich drei Kreuzberger Initiativen zum Betongold-Bündnis zusammengeschlossen. Das MieterMagazin sprach mit Ulrike Jordan von „No Hype & No Hide“, Felix Hartung von „Kein Luxusbau O-Straße 1“ und Milo von „Keine Verdrängung am Hafenplatz“.
MieterMagazin: Wie habt ihr euch zusammengefunden? Seid ihr ein Kreuzberger Bündnis?
Felix Hartung: Wir haben uns im Januar 2024 bei der Kiezversammlung im SO 36 kennengelernt. Ich selber wohne neben der Brache Oranienstraße 1. Überall in Kreuzberg werden derzeit Hinterhöfe zugebaut und die letzten freien Brachen verwertet. Gegen diese krasse Verdichtung wollen wir kämpfen. Wir haben dann ziemlich schnell beschlossen, eine Parade zu den drei Standorten zu organisieren. Unser Motto war: ‚Der Kiez hat Eigenbedarf!‘. Was wir brauchen sind bezahlbare Wohnungen, Räume für Kitas und Kiezinitiativen – jedenfalls kein Luxushotel.
Ulrike Jordan: Das Problem hochpreisiger Nachverdichtungen ist natürlich nicht auf Kreuzberg beschränkt. Aber der erste Impuls war eben die Betroffenheit als Nachbarn dieser Vorhaben. Wir waren wütend über den Luxusklotz, der da direkt neben uns gebaut wird, ohne Rücksicht auf das Stadtklima und völlig am Bedarf des Kiezes vorbei. Was uns besonders geärgert hat: Das Vorhaben wird mit dem prallen Leben im Kiez beworben – trubelig und doch abgeschirmt im Hinterhof sollen die neuen Bewohner:innen leben. Und genau diejenigen, die für dieses vielfältige Leben sorgen, werden dann verdrängt. Wir sind nur noch die Kulisse, vor der diese Wohnungen vermarktet werden.
MieterMagazin: Was wollt ihr mit dem Bündnis bewegen?
Felix Hartung: Wir fordern, dass Neubauten stärker an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet werden.
Milo: Es macht Sinn, sich zusammenzuschließen, auch wenn es sich um drei unterschiedliche Szenarien handelt. Bei uns am Hafenplatz ist es jetzt sehr dringlich, es geht um 358 leistbare Wohnungen, die vernichtet werden sollen. Das ist eine Katastrophe!
MieterMagazin: Grundsätzlich werden durch Nachverdichtung aber auch Wohnungen geschaffen. Wie seht ihr das?
Ulrike Jordan: Da gibt es bei uns unterschiedliche Positionen. Aber bei zehn Luxus-Eigentumswohnungen im Hinterhof stellt sich diese Frage sicherlich nicht. Das Grundproblem ist: Es wird nicht geschaut, was der reale Bedarf erfordert. Das ist in der Investorenlogik gar kein Thema. Da geht es um Rendite fürs Kapital – Betongold eben.
Milo: Es gibt Versprechungen, niemand werde verdrängt, schöne Worte von einem „gemischten Quartier“ und dass durch den Abriss mehr Wohnraum geschaffen wird. Fakt ist: Nur 30 Prozent der Gewobag-Wohnungen werden gefördert und selbst diese werden teurer sein als unsere jetzigen. Ich habe wie die meisten am Hafenplatz nur einen befristeten Vertrag, wir sollen nicht in den Neubau ziehen dürfen. Dazu kommt: Wie kann man sich mit einem solch windigen Investor wie Moraitis einlassen?
Interview: Birgit Leiß
Drei umstrittene Bauvorhaben
Auf der Brache Oranienstraße 1 soll ein siebengeschossiges Hotel inklusive Coworking-Flächen errichtet werden. Beim Hafenplatz/Köthener Straße war lange ein Teilabriss im Gespräch, inzwischen soll der gesamte Komplex aus den 1970er Jahren abgerissen werden. Die Gewobag und das Unternehmen „Artprojekt“, bei dem auch der einschlägig bekannte Investor Ioannis Moraitis mitmischt, wollen dort in einem Joint Venture ein neues Quartier namens „Kulturhafen“ errichten. Im Innenhof der Reichenberger Straße 142 baut die Ziegert Group derzeit zehn exklusive Eigentumswohnungen. Der Bau ist nur einer von circa zehn Luxusbauprojekten in den Hinterhöfen im Reichenberger Kiez.
bl
27.06.2024