Das zwanghafte Horten von Gegenständen in der Wohnung ist eine psychische Störung, die nur schwer in den Griff zu bekommen ist. Wann müssen sogenannte Messies mit der Kündigung rechnen?
Beim Berliner Mieterverein (BMV) hat man es immer mal wieder mit Mietenden zu tun, die eine Abmahnung oder Kündigung wegen Verwahrlosung der Wohnung bekommen haben. Oft ist der Zustand bei einer Heizungsablesung aufgefallen. In Extremfällen weigern sich Handwerker sogar, die Wohnung zu betreten. Die Rechtsprechung sei durchaus mieterfreundlich, erklärt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des BMV: „Zustellen, stapeln, Spinnweben überall – all das ist erlaubt.“ Häufig würden Vermieter jedoch bereits in diesem Stadium abmahnen, was die Betroffenen oder ihre Angehörigen verständlicherweise in Panik versetzt. Erreicht ist die Grenze des Zulässigen jedoch, wenn die Bausubstanz gefährdet ist oder andere Personen im Haus erheblich belästigt werden. Die Abgrenzung dieser Sachverhalte ist nicht ganz einfach. Einig sind sich die Gerichte, dass Unordnung allein kein Kündigungsgrund ist.
Die Abmahnung ist noch kein Grund zur Panik
Zeitungen, Computerteile und Kleidungsstücke, die in der Wohnung zentimeterhoch auf dem Boden liegen, gefährden Wert und Substanz der Wohnung nicht und berechtigen daher nicht zur Kündigung, so das Amtsgericht Frankfurt (AG Frankfurt vom 16.Januar 1998 – 33 C 2515/97-67 –) Der Vermieter darf nach Vorankündigung allerdings die Wohnung besichtigen – den Zutritt zu verweigern ist riskant und wird von den Gerichten als kündigungsrelevante Pflichtverletzung gewertet – Fotos dürfen jedoch nicht ohne Zustimmung der Mietpartei gemacht werden.
Der Umstand, dass eine Wohnung voll von Gerümpel, Müll und Lebensmittelresten ist, lasse noch keine schwerwiegende, die Substanz der Mietsache gefährdende Pflichtwidrigkeit des Mieters erkennen, stellte ein anderes Gericht klar (AG Charlottenburg vom 20.Oktober 1988 – 19 C 28/88 –).
Der Vermieter ist in der Beweispflicht
Anders sieht es jedoch aus, wenn die Wohnung derart vernachlässigt wird, dass mit Schäden an der Bausubstanz zu rechnen ist. Hier ist aber der Vermieter in der Beweispflicht. Ungezieferbefall beispielsweise kann auch in hygienisch einwandfrei geführten Haushalten auftreten. Wenn jedoch aus der Wohnung eines Mieters dringende Gerüche dazu führen, dass „man den Hausflur kaum noch ohne Gasmaske betreten kann“ und im ganzen Jahr die Fenster im Treppenhaus geöffnet bleiben müssen, kann das Mietverhältnis fristlos gekündigt werden, urteilte das Amtsgericht Köln (AG Köln – 221 C 409/91 –). Ob eine vorherige Abmahnung erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab. Ist die Wohnung so verwahrlost und vollgestellt, dass das Bad nicht mehr zu betreten ist und Rattenbefall mit Rattenkegeln in der ganzen Wohnung und angeknabberte Türen festgestellt wurden, ist eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung gerechtfertigt (LG Berlin vom 2.März 2017 – 67 S 8/17 –).
Spätestens bei einer Abmahnung sollte man sich daher Hilfe holen – in der Rechtsberatung des BMV, aber auch bei erfahrenen „Messie-Helfern.“
Birgit Leiß
Wo gibt es Hilfe?
Die Bezirksämter bieten in Einzelfällen Aufräumhilfen an. Doch mit einem einmaligen Entrümpelungskommando ist es in der Regel nicht getan. Wer am Messie-Syndrom leidet, hat enorme Schwierigkeiten, Dinge wegzuwerfen und braucht behutsame professionelle Unterstützung. Langjährige Erfahrung hat die Freiraum Ordnungshilfe e.V. Der Verein räumt gemeinsam mit den Betroffenen die Wohnung auf, was Monate dauern kann. Im Team sind auch Psycholog:innen. Beratung und Selbsthilfegruppen bietet das neue Messie-Hilfeprojekt „Nestbau Berlin“ vom Betreuungswerk Berlin. Gemeinsam sollen Wege aus den „desorganisierten Wohnverhältnissen“ gefunden werden – auch um Wohnungslosigkeit zu verhindern.
bl
Nestbau Berlin
Telefon 030 293350 1007
www.messiehilfe-berlin.de
Freiraum Ordnungshilfe e. V.
Telefon 030 367 367 39
www.messie-helfer.de
Aufräumhilfe sowie psychologische Beratung bietet auch Full House Ordnungshilfe
Telefon 030 577 12 619
www.fullhouse-hilfe.de
29.08.2024