Mieter kommen mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben wird. Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und geraten – im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift – mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hin-gewiesen worden sind.
LG Berlin vom 25.4.2023 – 67 S 103/22 -, mitgeteilt von RiLG Simon Scharf
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging hier um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Das Gericht bejahte diese.
Das Gericht wies zunächst darauf hin, dass es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung im Überweisungsverkehr nicht darauf ankomme, dass die Miete auf dem Konto des Vermieters eingegangen sei; es genüge vielmehr, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag am Fälligkeitstag erteile; Verzögerungen oder Fehlleitungen durch die Bank führten dann nicht zum Verzug.
Denn bei Mietschulden, wie bei anderen Geldschulden auch, handele es sich um eine sogenannte qualifizierte Schickschuld, die im Zweifel am Wohnsitz des Mieters zu erfüllen sei.
Gemäß § 270 Abs. 1 BGB trage der Mieter allerdings die Verlustgefahr bei Geldleistungen, denn Geld habe der Mieter im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Vermieter an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Es handele sich im vorliegenden Fall, in dem der Eingang der von den Mietern behaupteten Zahlungen seitens der Vermieterin unter Vorlage ihrer Mieterkontoübersicht substantiell bestritten wurde, auch nicht lediglich um das sogenannte Verzögerungsrisiko – welches die Vermieterin zu tragen hätte – sondern eben um das Verlustrisiko. Dieses trügen gemäß § 270 Abs. 1 BGB weiterhin die Mieter als Schuldner der Mietzahlungspflicht aus § 535 Abs. 1 BGB.
Demnach kämen Mieter mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben werde.
Bestreite der Vermieter allerdings die Gutschrift, trügen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und gerieten – im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift – mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornähmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden seien. Insofern obliege den Mietern als Schuldnern zwar nicht die Beweislast für die rechtzeitige Gutschrift der Überweisungsbeträge auf dem Konto der Vermieterin; dass die Gutschrift überhaupt erfolgt sei, hätten sie jedoch zu beweisen.
Dieser Beweis sei den Mietern im Streitfall jedoch nicht gelungen. Es fehlte an einem Nachweis dafür, dass der Leistungserfolg tatsächlich eingetreten war. Hinsichtlich von insgesamt acht Zahlungen seien die Mieter der ihnen obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht dahingehend nachgekommen, dass nachgewiesen worden wäre, dass die entsprechenden Zahlungen bei der Vermieterin als Gläubigerin des Mietzinsanspruches eingegangen waren.
Zwar hätten die Mieter Unterlagen vorgelegt, die ihren Angaben nach von ihrer Bank stammen und aus denen sich ergeben sollte, dass die acht streitigen Überweisungen in Höhe von insgesamt 3.250,00 Euro ausgeführt und nicht zurückgezogen oder nicht verbucht worden seien. Demgegenüber habe die Vermieterin jedoch ebenfalls umfangreiche Unterlagen ihres Kreditinstituts vorgelegt, aus denen sich ergab, dass die in Rede stehenden Überweisungen bei ihr – auch weiterhin – nicht eingegangen seien.
Das damit gegebene „non-liquet“ gehe zu Lasten der für die Gutschrift der streitigen Überweisungen beweisbelasteten Mieter.
Die Mieter – so das Gericht – hätten diesen Zahlungsverzug auch zu vertreten i.S.v. § 286 Abs. 4 BGB.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Mieter zunächst keine Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen behaupteten Zahlungen nicht bei der Vermieterin gutgeschrieben wurden, hätten sie jedenfalls durch die Klageschrift und die darin enthaltene Mietenkontoübersicht von dem nach Auffassung der Vermieterin bestehenden Mietrückstand erfahren. Ein bis dahin womöglich bestehender unvermeidbarer Tatsachenirrtum sei spätestens mit Zustellung der Klageschrift entfallen. Dennoch hätten sie in der Folge weder den Mietrückstand ausgeglichen, noch dafür Sorge getragen, dass jedenfalls bei folgenden Zahlungen sichergestellt sei, dass diese auf dem Empfängerkonto der Vermieterin eingehen. Vielmehr sei es auch bei den weiteren Zahlungen erneut dazu gekommen, dass diese Zahlungen zwar von den Mietern behauptet worden seien, der Eingang auf dem Konto der Vermieterin jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Die Mieter hätten insofern jedenfalls fahrlässig gehandelt.
§ 675 z BGB, nach der einem Zahlungsdienstnutzer – hier also den Mietern – bei nicht erfolgter, fehlerhafter oder verspäteter Ausführung eines Zahlungsauftrags ein Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstleister zustehen kann, betreffe lediglich das Innenverhältnis des Zahlungsschuldners gegen den Zahlungsdienstleister und habe auf die Verzugslage zum Zeitpunkt des Zugangs der hier streitgegenständlichen Kündigung keinen Einfluss.
Urteilstext
Gründe:
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Räumungsklage zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausg-be der streitgegenständlichen Wohnung. Das zwischen den Parteien zuvor bestehende Mietverhältnis wurde jedenfalls durch die fristlose Kündigung aus dem Schriftsatz vom 18.11.2021 beendet.
Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, war ein Kündigungsgrund i.S.v. §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) BGB gegeben. Danach liegt ein wichtiger Grund, der jede Vertragspartei zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Dies ist hier der Fall.
a) Wegen der Höhe der von den Beklagten geschuldeten Miete sowie der Höhe des Zahlungsrückstands wird insoweit vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (dort S. 6/7).
b) Es lag auch ein kündigungsrelevanter Zahlungsverzug der Beklagten vor.
Zahlungsverzug tritt nach den Voraussetzungen des § 286 BGB ein. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es im Überweisungsverkehr nicht darauf an, dass die Miete auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist; es genügt vielmehr, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag am Fälligkeitstag erteilt; Verzögerungen oder Fehlleitungen durch die Bank führen dann nicht zum Verzug (vgl. Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 543 BGB Rn. 193 m.w.N.).
Dies liegt darin begründet, dass es sich bei Mietschulden, wie bei anderen Geldschulden auch, um eine sogenannte qualifizierte Schickschuld handelt, die im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen ist. Gemäß § 270 Abs. 1 BGB trägt der Schuldner allerdings die Verlustgefahr bei Geldleistungen, denn Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln (vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 5. Oktober 2016 – VIII ZR 222/15, NJW 2017, 1596 Tz. 23 m.w.N.). Es handelt sich im vorliegenden Fall, in dem der Eingang der von den Beklagten behaupteten Zahlungen seitens der Klägerin unter Vorlage ihrer Mieterkontoübersicht substantiell bestritten wird, auch nicht lediglich um das sogenannte Verzögerungsrisiko – welches die Klägerin zu tragen hätte – sondern eben um das Verlustrisiko. Dieses tragen gemäß § 270 Abs. 1 BGB weiterhin die Beklagten als Schuldner der Mietzahlungs-pflicht aus § 535 Abs. 1 BGB (vgl. etwa Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 535 BGB Rn. 634 m.w.N.). Demnach kommen Mieter mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben wird. Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und geraten – im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift – mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden sind. Insofern obliegt den Beklagten als Schuldnern zwar nicht die Beweislast für die rechtzeitige Gutschrift der Überweisungsbeträge auf dem Konto der Klägerin; dass die Gutschrift überhaupt erfolgt ist, haben sie jedoch zu beweisen (vgl. Krüger, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 270 Rn. 27).
Dieser Beweis ist den Beklagten jedoch nicht gelungen. Es fehlt an einem Nachweis dafür, dass der Leistungserfolg tatsächlich eingetreten ist. Die Leistungshandlung allein vermag hingegen nichts an dem eingetretenen Zahlungsverzug der Beklagten zu ändern. Die bloße Leistungshandlung kann den Verzug nämlich nur unter der – hier nicht bewiesenen – Voraussetzung beenden, dass die Leistungshandlung die Erfüllung bzw. den Leistungserfolg – wenn auch verspätet – herbeigeführt hat (vgl. Ernst, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 286 Rn. 121).
Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass die von den Beklagten behaupteten fünf Mietzahlungen vom 16.01.2021 (350,00 EUR), 23.02.2021 (300,00 EUR), 20.04.2021 (400,00 EUR), 20.05.2021 (400,00 EUR) sowie 02.07.2021 (400,00 EUR) nicht zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen waren. Gleiches gilt für die im weiteren Verfahren behaupteten zusätzlichen Zahlungen vom 15.11.2021 (450,00 EUR), 18.01.2022 (475,00 EUR) sowie 13.02.2022 (475,00 EUR).
Hinsichtlich keiner dieser Zahlungen sind die Beklagten der ihnen obliegende Darlegungs- und Beweislast dahingehend nachgekommen, dass nachgewiesen worden wäre, dass die entsprechenden Zahlungen bei der Klägerin als Gläubigerin des Mietzinsanspruches eingegangen sind.
Zwar haben die Beklagten Unterlagen vorgelegt, die ihren Angaben nach von der Deutschen Bank stammen und aus denen sich ergeben soll, dass die acht streitigen Überweisungen i.H.v. insgesamt 3.250,00 EUR ausgeführt und nicht zurückgezogen oder nicht verbucht worden seien. Demgegenüber hat die Klägerin jedoch ebenfalls umfangreiche Unterlagen ihres Kreditinstituts vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die in Rede stehenden Überweisungen bei ihr – auch weiterhin – nicht eingegangen sind.
Das damit gegebene non-liquet geht zu Lasten der für die Gutschrift der streitigen Überweisungen beweisbelasteten Beklagten.
c) Die Beklagten haben diesen Zahlungsverzug auch zu vertreten i.S.v. § 286 Abs. 4 BGB.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beklagten zunächst keine Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen be-haupteten Zahlungen vom 16.01.2021, 23.02.2021, 20.04.2021 sowie 20.05.2021 nicht bei der Klägerin gutgeschrieben wurden, haben sie jedenfalls durch die Klageschrift vom 01.09.2021 und die darin enthaltene Mieterkontoübersicht von dem nach Auffassung der Klägerin bestehenden Mietrückstand erfahren. Ein bis dahin womöglich bestehender unvermeidbarer Tatsachenirrtum ist spätestens mit Zustellung der Klageschrift entfallen (vgl. Kammer, Beschl. v. 13.10.2016 – 67 S 285/16, BeckRS 2016, 108146 Tz. 8 m.w.N.). Dennoch haben sie in der Folge weder den Mietrückstand ausgeglichen, noch dafür Sorge getragen, dass jedenfalls bei folgenden Zahlungen sichergestellt ist, dass diese auf dem Empfängerkonto der Klägerin eingehen. Vielmehr ist es auch bei den weiteren Zahlungen vom 15.11.2021, 18.01.2022 sowie 13.02.2022 erneut dazu gekommen, dass diese Zahlungen zwar von den Beklagten behauptet werden, der Eingang auf dem Konto der Klägerin jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Die Beklagten haben insofern jedenfalls fahrlässig gehandelt.
d) § 675z BGB, nach der einem Zahlungsdienstnutzer – hier also den Beklagten – bei nicht erfolgter, fehlerhafter oder verspäteter Ausführung eines Zahlungsauftrags ein Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstleister zustehen kann, betrifft lediglich das Innenverhältnis des Zahlungsschuldners gegen den Zahlungsdienstleister und hat auf die Ver-zugslage zum Zeitpunkt des Zugangs der hier streitgegenständlichen Kündigung keinen Einfluss.
e) Weiter hat das Amtsgericht zutreffend erkannt, dass eine Vertragsfortsetzung wegen der von den Beklagten vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht kommt, da hier ein Grund vorliegt, der die Klägerin zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7, Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung nicht. Die Frage, wer bei einer Geldschuld als qualifizierter Schickschuld das Verlustrisiko trägt, ist höchstrichterlich geklärt (vgl. erneut BGH, Urt. v. 5. Oktober 2016 – VIII ZR 222/15, NJW 2017, 1596 Tz. 23 m.w.N.).
4. Die Entscheidung zur Gewährung einer Räumungsfrist beruht auf § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Den Beklagten danach war eine Räumungsfrist von zwei Monaten zu gewähren. Sie ist zur Beschaffung von Ersatzwohnraum vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarkts und der gesundheitlichen Einschränkungen der Beklagten erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Kammer, Urt. v. 3. März 2020 – 67 S 212/19, juris Tz. 28).
26.09.2024