Ein grüner Innenhof soll einem siebenstöckigen Neubau weichen, was zu massivem Widerstand der Mieter:innenschaft führt. Das Bauprojekt der Deutsche Wohnen in Charlottenburg-Wilmersdorf sorgt für hitzige Debatten über den Verlust von Wohnqualität und Stadtgrün. Franziska Schulte vom BMV hat sich die Lage vor Ort angesehen.
In einer historischen Siedlung aus den späten 1920er Jahren am Volkspark Wilmersdorf, umgeben von Bundesallee und Hildegardstraße, plant die Deutsche Wohnen eine umstrittene Nachverdichtung. Die Siedlung mit ihren charakteristischen Aufgängen und mehr als 160 Wohnungen gruppiert sich um einen großzügigen, grünen Innenhof. Doch dieser soll nun einem siebenstöckigen Holz-Hybrid-Bau mit 27 Wohnungen weichen. Zwar ist vorgesehen, die Wohnungen zu vermieten, doch viele Mieter:innen stehen dem Projekt skeptisch gegenüber.
Einer der heißesten Orte Berlins
Bei einem Besuch vor Ort konnte ich mich selbst von der Lage überzeugen. Der Innenhof wirkt auf den ersten Blick groß genug, um ein weiteres Wohngebäude zu integrieren – alte Garagen gegenüber der einzigen Toreinfahrt des geschlossenen Karrees müssten abgerissen werden. Doch die geplante Fällung von mindestens zwei Dritteln des Baumbestands stößt auf massiven Widerstand. Die Siedlung gehört laut Wärmeatlas zu den heißesten Quartieren Berlins. Aufgrund der abgeschlossenen Bauweise des Hofs fehlt es an ausreichender Frischluftzufuhr. Der Verlust der Bäume würde die ohnehin schon hohen Temperaturen weiter ansteigen lassen und die Lebensqualität deutlich mindern.
Besonders problematisch ist die Verschattung der angrenzenden Wohnhäuser. Die Bewohner:innen befürchten, dass der Neubau die Räume zu sehr verdunkelt und die Luftzirkulation zusätzlich beeinträchtigt. Auch die Heilig-Kreuz-Kirche am südöstlichen Rand des Hofes wäre betroffen: Die farbenfrohen Bleiglasfenster würden kaum noch Tageslicht in das Kirchenschiff lassen, was die Atmosphäre dieses denkmalgeschützten Bauwerks erheblich verändern würde.
Nachverdichtung auf Kosten der Lebensqualität
Nachverdichtungen, die auch der Senat für Stadtentwicklung zunehmend vorantreibt, führen in vielen Berliner Siedlungen zu Konflikten. Zwar fordert der Senat immer wieder Verständnis für neue Bauvorhaben, doch die Akzeptanz der betroffenen Bewohner:innen wird oft auf eine harte Probe gestellt. Gerade in einer Stadt, die mit immer heißeren Sommern zu kämpfen hat, sind grüne Innenhöfe nicht nur ein ästhetisches, sondern vor allem ein klimatisch wichtiges Element. Auch Senator Gaeblers jüngste Äußerungen zur Initiative „Grüner Kiez Pankow“ lassen auf den zunehmenden Druck schließen, Bauprojekte auch gegen Widerstände durchzusetzen. Dabei kritisierte er, dass die Anwohnenden häufig den Artenschutz vorbringen, um Bauvorhaben zu verzögern oder zu verhindern.
Doch Nachverdichtung muss sinnvoll gestaltet werden, ohne bestehende Lebensräume und die Wohnqualität zu zerstören. Die historische Siedlung am Volkspark wurde einst als Gegenmodell zu den düsteren Mietskasernen Berlins entworfen. Licht, Luft und Sonne waren damals die Leitmotive für den Wohnungsbau – Grundsätze, die angesichts der Klimakrise aktueller sind denn je.
Wenig Unterstützung von offizieller Seite
Die engagierten Mieter:innen haben im Ausschuss für Stadtentwicklung versucht, ihre Bedenken gegen das Bauvorhaben vorzubringen. Doch der für Bauprojekte zuständige Stadtrat Christoph Brzezinski zeigte sich unbeeindruckt. Er verteidigte das Projekt der Deutsche Wohnen und betonte, dass Berlin dringend neuen Wohnraum braucht. Kritik an den Auswirkungen auf die Wohnqualität wies er zurück. Indes bleibt unklar, ob die neuen Wohnungen bezahlbar sein werden. Die Vorhabenträgerin Buwog, eine Tochtergesellschaft der Vonovia, ist in der Vergangenheit vor allem durch den Bau teurer Eigentums- und Luxuswohnungen in Erscheinung getreten.
Ein Fall mit vielen offenen Fragen
Eine Einsicht in die Baupläne blieb den Mietenden bislang verwehrt. Zudem werfen sie die berechtigte Frage auf, warum keine Alternativen zu einer Bebauung des Innenhofs geprüft werden, beispielsweise durch eine behutsame Erweiterung bestehender Gebäude. Die bisherigen Erfahrungen mit Bauprojekten der Buwog, die in Neukölln und anderswo Eigentumswohnungen statt Mietwohnungen realisiert hat, verstärken die Sorgen der Anwohner:innen.
Offen bleibt auch, ob im Genehmigungsverfahren alles mit rechten Dingen zugegangen ist, denn die Baupläne sind für die Anwohner:innen nicht zugänglich. Zudem hat die Deutsche Wohnen kein Beteiligungsverfahren mit den betroffenen Anwohner:innen initiiert. Es ist kein großer Trost für die Bewohner:innen der Siedlung, dass die Mieten in den Bestandswohnungen voraussichtlich gemindert werden können, wenn das Bauvorhaben die Wohnqualität beeinträchtigt.
Trotz aller Widrigkeiten haben die engagierten Mieter:innen den Kampf nicht aufgegeben. Sie setzen sich weiterhin für den Erhalt ihres grünen Innenhofs und gegen die geplante Bebauung ein. Unterstützung erhalten sie aus der Nachbarschaft und von Politiker:innen, die sich für den Schutz bestehender Wohnquartiere und eine nachhaltige Stadtentwicklung stark machen. Denn auch wenn Berlin dringend neuen Wohnraum braucht, sollte dies nicht auf Kosten der Lebensqualität und des wichtigen Stadtgrüns geschehen.
fs
16.10.2024