Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung untersucht die Auswirkungen von Mietendeckel und Mietpreisbremse auf den Wohnungsmarkt. Der Bericht zeigt jedoch auch, wie wissenschaftliche Analysen politisch eingefärbt sein können und wie wichtig eine transparente Methodik für eine faire Vertretung der Interessen von Mietenden ist.
Die IW-Studie, erstellt für die wirtschaftsliberal orientierte Friedrich-Naumann-Stiftung, macht gegen Mietpreisregulierungen mobil. In ihrem Fokus stehen vor allem mögliche „Schäden“ des Berliner Mietendeckels und potenzielle Auswirkungen solcher Maßnahmen auf andere Großstädte. Doch gerade die unrealistischen Annahmen und methodischen Schwächen der Studie legen nahe, dass hier weniger wissenschaftliche Objektivität als politische Agenda im Vordergrund steht.
Wissenschaftliche Analyse oder politisches Kalkül?
Die Studie soll vor allem ökonomische Argumente gegen einen Mietendeckel liefern. Die Autoren behaupten, dass staatliche Eingriffe wie der Mietendeckel die Wohnraumknappheit verschärfen, da sie den Marktmechanismus blockieren. Parteien würden auf solche Maßnahmen oft setzen, um Wähler zu gewinnen, anstatt die Wurzel des Problems anzugehen.
Die IW-Studie zeigt jedoch, dass der Berliner Mietendeckel einen spürbaren Effekt auf die Mietpreise hatte: Während seiner kurzen Geltungsdauer sanken die Neuvertragsmieten in Berlin um etwa 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu unregulierten Wohnungen. Gleichzeitig führte die Regulierung aber auch zu einer erheblichen Minderung des Wohnungsangebots – das Inseratsvolumen sank um mehr als 50 Prozent, da viele Vermietende ihre Wohnungen entweder leer stehen ließen oder diese lieber verkauften.
Die Studie zieht den Schluss, dass solche Mietpreisregulierungen kurzfristig die Mietpreise in den betroffenen Bereichen senken können, langfristig aber das Wohnungsangebot beschränken und damit das Problem der Wohnraumknappheit verschärfen könnten. Dies würde dem Ziel widersprechen, den Wohnungsmarkt nachhaltig zu entlasten und erschwinglichen Wohnraum für eine breite Bevölkerung verfügbar zu machen.
Untersucht wurden außerdem Erfahrungen anderer Länder mit Mietpreisregulierungen und die Verteilungseffekte zwischen Mietenden und Vermietenden. Hauptsächlich konzentriert sich die Studie jedoch auf Berlin mit dem Versucht, die dortigen Effekte des Mietendeckels auf neun weitere Städte zu übertragen.
Verzerrte Darstellungen
Viele Leser:innen überfliegen oft nur Titel und Zusammenfassung. Hier greift die Studie gezielt ein: Sie bezieht sich im Titel allgemein auf Mietpreisregulierungen, ihre tatsächlichen Analysen basieren aber vorwiegend auf den spezifischen Effekten des Berliner Mietendeckels. Der Methodenteil zeigt, dass die Autoren ein „Maximalszenario“ gewählt haben, um die statistisch geschätzten Folgen eines Mietendeckels für andere Städte drastisch darzustellen. Dazu nehmen sie in ihrer Rechnung an, dass die Mieten und Inseratszahlen in den kommenden Jahren eingefroren bleiben – ein unrealistisches Szenario.
Mietendeckel wirkt: Positive Effekte des Mietendeckels
Interessanterweise stellt die Studie fest, dass betroffene Wohnungen im Vergleich zu ungedeckelten Wohnungen in Berlin um bis zu 15 Prozent günstiger angeboten wurden. Die erhöhte Aufmerksamkeit für Mieterrechte durch den Mietendeckel führte dazu, dass viele Mieter:innen auch nach dem Kippen des Deckels ihre Mietrechte geltend machten. Obwohl der Deckel nach kurzer Zeit wieder gekippt wurde, dauern diese Effekte bis heute an.
Während des Mietendeckels, aber auch noch in den Jahren danach, blieben laut der Studie auch die Inserate von gedeckelten Wohnungen deutlich hinter denen von unregulierten Wohnungen zurück. Als besonders hoch vermuten die Autoren den Effekt auf die Inseratszahlen deshalb, „weil viele Vermieter damit gerechnet hatten, dass die Regulierung wahrscheinlich nicht lange Bestand haben würde und daher die Wohnungen lieber haben leer stehen lassen.“ Die Autoren ignorieren dabei, dass das Problem vor allem bei Vermietenden liegt, die sich nicht ans Gesetz halten. Denn eine Wohnung länger als drei Monate unvermietet zu lassen, verstößt gegen das Zweckentfremdungsgesetz.
Widersprüche und Fehlschlüsse
Die Autoren beklagen eine zunehmende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass jede neu inserierte Wohnung ein Abwandern von Bewohner:innen aus Berlin bedeutet. Tatsächlich suchen jedoch auch bei Umzügen innerhalb Berlins Personen neue Wohnungen, das Verhältnis bleibt also konstant. Zudem verweisen liberale Ökonomen häufig auf ein „Mismatch“ zwischen Wohnungs- und Haushaltsgröße, also wenn Menschen mangels günstigerer kleinerer Wohnungen in zu großen Wohnungen bleiben. Anstatt jedoch günstige Wiedervermietungsmieten als Lösung zu betrachten, fordern sie eine Deregulierung des Marktes – was in einem ohnehin angespannten Umfeld zu gravierenden sozialen Problemen führen könnte.
Eine nachhaltige Regulierung – im Sinne der Mieter
Aus Sicht des Berliner Mietervereins ist es ein Trugschluss, auf die Marktmechanismen zu vertrauen. Vielmehr sind Regulierungen erforderlich, um bezahlbare Mieten und damit wieder eine moderate Fluktuation zu fördern, die eine faire Verteilung von Wohnraum ermöglicht. Wir setzen uns daher für eine sozial ausgerichtete Wohnungspolitik ein, die sich an den Bedürfnissen aller Mieter:innen orientiert und nicht die Wohnraumversorgung den Profitinteressen Einzelner unterordnet.
Im Oktober 2024 legte Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach langer Verzögerung den Entwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse vor. Dabei blieb der Vorschlag hinter den im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zurück. Gleichzeitig fielen die im Koalitionsvertrag zugesagten Anpassungen des Mietrechts unter den Tisch: Weder wird es die geplante Absenkung der Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten zur Begrenzung derMieterhöhungen geben noch die Heilungsmöglichkeit einer ordentlichen Kündigung durch Zahlung eines Mietrückstands.
Der Stillstand in der Mietenpolitik erhöht bundesweit den Druck aus der Mietenbewegung, die angesichts der erneut erheblich gestiegenen Mieten in vielen Regionen nun verstärkt einen umfassenden Mietendeckel fordert. Wichtig wäre nicht nur die Verlängerung, sondern eine deutliche Nachbesserung der Mietpreisbremse. Der Wucherparagraf sollte wieder praxistauglich gemacht werden, um so überhöhte Mieten korrigieren zu können. In der derzeitigen Situation rücken diese Ziele jedoch leider in weite Ferne.
ml, fs
14.11.2024