Der Senat will die verschiedenen Sozialberichte der Senatsverwaltungen zu einem Bericht bündeln. Was dabei bislang herausgekommen ist, weiß noch nicht zu überzeugen. Vor allem: Ein wesentlicher Aspekt der sozialen Lage bleibt unberücksichtigt: die Wohnkostenbelastung der Berliner.

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Das Monitoring Soziale Stadtentwicklung, der Gesundheits- und Sozialstrukturatlas und der Umweltgerechtigkeitsatlas wurden bislang von drei verschiedenen Senatsverwaltungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgelegt. Sie beruhen oft auf denselben Daten, überschneiden sich thematisch und kommen häufig zu ähnlichen, manchmal aber auch zu widersprüchlichen Ergebnissen. Der Senat hat Ende 2023 beschlossen, diese Berichte in einer Integrierten Armuts- und Sozialberichterstattung (IASB) zu bündeln. So soll Mehrfacharbeit vermieden und eine „ganzheitliche, transparente Darstellung der sozialen Realität“ gewonnen werden.
Eigentlich soll dieser Bericht jährlich zum 30. Juni erscheinen. Doch auch nach einer sechsmonatigen Fristverlängerung hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung im Dezember 2024 nur einen Zwischenbericht vorlegen können.

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Fast jede fünfte Person gilt in Berlin als armutsgefährdet – Tendenz steigend. Von 2012 bis 2022 stieg die Quote von 15 auf 19 Prozent. Bei den unter 18-Jährigen ist der Anstieg von 18 auf 23 Prozent alarmierend. Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des hiesigen Durchschnittseinkommens verfügt. In den Bezirken gibt es große Unterschiede: So sind in Neukölln 30 Prozent armutsgefährdet, in Pankow nur 12 Prozent. Besonders hoch ist die Quote bei Menschen mit Migrationshintergrund (29 Prozent), bei jungen Leuten zwischen 18 und 25 Jahren (32 Prozent), bei Menschen mit niedrigem Qualifikationsgrad und bei Alleinerziehenden (jeweils 40 Prozent).
Auch die Einkommensverteilung ist ungleich. Während in Neukölln knapp 28 Prozent der Haushalte ein Monatseinkommen von unter 1500 Euro haben, sind es in Reinickendorf weniger als 18 Prozent. Am anderen Ende der Skala sieht es ähnlich aus: In Pankow haben über 32 Prozent der Haushalte ein Einkommen von 4000 Euro und mehr, in Marzahn-Hellersdorf jedoch nur knapp 17 Prozent. Die Summe des in Berlin vererbten und geschenkten Vermögens stieg von knapp einer Milliarde Euro im Jahr 2009 auf 3,7 Milliarden Euro im Jahr 2023.
Umweltbelastung und soziale Benachteiligung – Hand in Hand
Der Bericht liefert zudem Daten zu Bildungsabschlüssen und zur Lebenserwartung der Bevölkerung. Zum Thema Wohnen – nicht zu unrecht häufig als „die soziale Frage unserer Zeit“ bezeichnet – ist der Bericht aber äußerst dünn. Er bestätigt die naheliegende These, dass in den Gebieten, die im Mietspiegel als einfache Wohnlage festgelegt sind, vermehrt Menschen aus schwächeren sozialen Milieus leben. Außerdem wird die zentrale Aussage aus dem letzten Umweltgerechtigkeitsatlas übernommen, die besagt, dass die Stadtviertel mit den größten Umweltbelastungen meist von ärmeren Bevölkerungsgruppen bewohnt sind. Zahlen zu Mieten und Wohnkostenbelastungen fehlen jedoch. In einem Bericht zur sozialen Lage in einer Stadt, in der 84 Prozent der Bevölkerung zur Miete wohnen und die Wohnkosten rasant steigen, ist das eine eklatante Lücke.
Jens Sethmann
Aktuelle Daten: Lassen noch auf sich warten
Die IASB soll der Sozialpolitik eine „valide Daten- und Informationsgrundlage“ liefern. Der aktuelle Bericht kann das noch nicht einlösen. Die Daten stammen größtenteils aus dem Jahr 2022, sind also bei Erscheinen des Berichts schon zu alt, um auf soziale Veränderungen in der Stadt rechtzeitig reagieren zu können. Das soll sich künftig bessern. Geplant ist, möglichst aktuelle Daten auf einer interaktiven Visualisierungsplattform darzustellen.
js
28.02.2025