Nach der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 entschied sich die Berliner SPD für viele überraschend, die von ihr geführte Koalition mit den Grünen und den Linken nicht fortzuführen, sondern als Juniorpartner mit der CDU zu regieren. Der schwarz-rote Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat im Februar 2025 die Hälfte seiner Amtszeit absolviert. Wie fällt die Halbzeitbilanz aus Mieter:innensicht aus?

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Zur Lösung der Wohnungskrise setzt Schwarz-Rot stark auf den Neubau. Das selbst gesteckte Ziel von „bis zu“ 20. 000 neuen Wohnungen pro Jahr wurde aber nicht erreicht. Nach 17.300 Wohnungen im Jahr 2022 waren es 2023 noch 16.000. Und für 2024 werden nur noch 15.000 neue Wohnungen prognostiziert. Trotz sinkender Tendenz versucht Bausenator Christian Gaebler (SPD) jedes Jahr, die Zahlen als Erfolg darzustellen. Leicht steigend ist zwar der Anteil neuer Sozialwohnungen, doch das ausgegebene Ziel von 5000 Förderbewilligungen pro Jahr wird nicht erreicht.
Die private Immobilienwirtschaft kann der Senat nicht zum Bauen zwingen, aber auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen erreichen das ihnen vorgegebene Ziel von 6500 Wohnungen pro Jahr nicht. Dabei ermöglichte der neue Senat ihnen sogar, die Mieten im Bestand deutlich zu erhöhen, um damit den Neubau zu finanzieren – also auf Kosten der Mieter:innen: jährlich um 2,9 Prozent gegenüber 1 Prozent früher.

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Am 2022 geschlossenen „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten“ hat der Senat festgehalten, obwohl die Bündnispartner aus der Bau- und Immobilienwirtschaft weder die versprochenen Neubauwohnungen geliefert, noch die zugesagten Mietererhöhungsbeschränkungen eingehalten haben. Verbindlichkeit erwartet der Senat offenbar nicht mehr von seinen Partnern, Senator Christian Gaebler nennt das Bündnis denn auch nur noch „ein wichtiges Forum der zentralen Akteure der Wohnungspolitik in Berlin, die sich gemeinsam den großen Herausforderungen stellen und gute Lösungen für die Menschen in der Stadt finden wollen“.

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Im Jahr 2024 haben sich die Bündnispartner vor allem für das Schneller-Bauen-Gesetz gegenseitig auf die Schulter geklopft. Mittlerweile verabschiedet, soll es Baugenehmigungen beschleunigen, indem Zuständigkeiten der Bezirke auf den Senat übergehen, Bürgerbeteiligungsrechte eingeschränkt und Umwelt- und Denkmalschutzbelange beschnitten werden. Ob das wirklich zur Baubeschleunigung beiträgt, muss sich erst noch zeigen.
Geringverdiener haben noch weniger Chancen
Wie angekündigt hat der Senat den Sozialen Wohnungsbau auch für mittlere Einkünfte geöffnet. Jetzt können Haushalte, deren Einkommen bis zu 220 Prozent der bundeseinheitlichen Einkommensgrenze betragen, eine Sozialwohnung beziehen. Den sogenannten Wohnberechtigungsschein WBS 220 bekommt beispielsweise ein Singlehaushalt bei einem Einkommen von 2200 Euro im Monat. Da die Zahl der zur Verfügung stehenden Sozialwohnungen weiterhin leicht sinkt – es fallen mehr alte Sozialwohnungen aus der Bindung als neue gebaut werden – haben durch die Ausweitung der Wohnberechtigten auf die Mittelschicht die Menschen mit geringem Einkommen noch schlechtere Chancen als zuvor.

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Mietenpolitisch hat es sich der Senat bequem darin eingerichtet, dass das Mietrecht Bundessache ist. Die Koalition hat zwar versprochen, sich im Bund für abgesenkte Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen, für einen besseren Kündigungsschutz, für eine Verlängerung der Mietpreisbremse und des Umwandlungsvorbehalts, für einen Gewerbemietspiegel, für ein strengeres Vorgehen gegen Mietwucher und Share Deals einzusetzen. Doch zu sehen war davon wenig. Als Berlin mit den beiden anderen Stadtstaaten die beabsichtigten Mietrechtsverbesserungen der Bundesregierung einforderte und sich einer Bundesratsinitiative zur Verlängerung der Mietpreisbremse anschloss, war es schon zu spät: Nach dem Bruch der Ampel waren die Parteien schnell im Wahlkampfmodus und zeigten an pragmatischen Kompromissen kaum noch Interesse.

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Seine eigenen rechtlichen Möglichkeiten nutzt Berlin hingegen längst nicht aus. Angekündigt hat der Senat ein Wohnraumsicherungsgesetz, eine Stärkung der Wohnungsaufsicht und eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots. Davon ist bislang nichts zu erkennen. Das Treuhandmodell für verwahrloste Häuser wird seit einem Jahr anhand zweier Pilotobjekte getestet – ohne sichtbaren Erfolg. Beim Aufbau eines Gebäudekatasters hat Berlin auf die Aktivitäten des Bundes gewartet, der ein Gebäude- und Wohnungsregister angestrebt hat. Dieses Vorhaben ist mit dem Ende der Ampel-Koalition im Sande verlaufen. Die angekündigten Leitlinien zur Nachverdichtung, mit denen Konflikte um Neubauten in engen Nachbarschaften vermieden werden sollen, hat der Senat jedenfalls nicht detailliert bearbeitet und vorgeleg. Mit der angekündigten „strategischen Ankaufspolitik“ ist es ebenfalls nicht weit her. Es wurden lediglich 4500 Wohnungen des Vonovia-Konzerns durch die landeseigene Howoge erworben. Das waren Bestände, die Vonovia dem Land Berlin angeboten hatte – eine Strategie steckt auf Seiten des Senats nicht hinter diesem Ankauf. Zur „strategischen Bodenbevorratung“ hat der Berliner Bodenfonds in den letzten beiden Jahren nur drei Grundstücke von zusammen knapp 8,7 Hektar Größe erworben.
Die Ankaufspolitik siecht vor sich hin
Schwarz-Rot hat zusätzliche Förderprogramme für den Bau von Frauen-, Studierenden- und Azubi-Wohnheimen sowie für Mitarbeiterwohnungen angekündigt. Seit Dezember 2023 gibt es eine Förderung für „Junges Wohnen“. Das mit 33,7 Millionen Euro pro Jahr ausgestattete Programm wird gut nachgefragt, es wurden bisher 418 Wohnheimplätze bewilligt. Für das Mitarbeiterwohnen hat der Senat im April 2024 eine interne Koordinierungsgruppe eingesetzt, die auf landeseigenen Grundstücken nach geeigneten Baufeldern suchen soll. Für Frauen-Wohnheime ist hingegen nichts passiert.
Das Geschützte Marktsegment für Obdachlose und Wohnungsnotfälle will der Senat auf 2500 Wohnungen aufstocken. Die gleichlautende Zusage aus dem Wohnungsbündnis wird allerdings von den Wohnungsunternehmen nicht eingehalten. Im November 2023 hat der Senat eine Zusatzförderung „Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen“ aufgelegt. Bisher wurden aber nur zwei Anträge für zusammen 41 Wohnungen gestellt.
Jens Sethmann
Auf Kriegsfuß mit der direkten Demokratie
In drei Fällen haben CDU und SPD gemeinsam gegen die Ergebnisse erfolgreicher Volksbegehren gearbeitet. Den Auftrag des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zur Vergesellschaftung profitorientierter Wohnungskonzerne verschleppt der Senat seit 2021 unverhohlen. Als Alibiaktion hat er die Erarbeitung eines „Vergesellschaftungsrahmengesetzes“ angekündigt, bisher aber nichts geliefert. Im Januar hat die Finanzverwaltung angekündigt, ein Gutachten über die Umsetzung in Auftrag zu geben. Die 2014 per Volksentscheid erkämpfte Freihaltung des Tempelhofer Feldes hat der Senat untergraben, indem er einen Ideenwettbewerb zur Bebauung ausgeschrieben hat, obwohl eine eigens einberufene Dialogwerkstatt sich erneut eindeutig dagegen ausgesprochen hatte. Drittens hat der Senat die Wohnraumversorgung Berlin, eine Errungenschaft des Mietenvolksbegehrens von 2015, so sehr in ihren Aufgaben beschnitten, dass sie keinerlei Aufsichtsfunktion über die landeseigenen Wohnungsunternehmen mehr wahrnehmen kann. Die Umbenennung der Anstalt in „Sicheres Wohnen – Beteiligung, Beratung, Prüfung“ kann darüber nicht hinwegtäuschen.
js
28.02.2025