Vor fünf Jahren infizierten sich die ersten Deutschen mit dem damals neuartigen Corona-Virus. Kurz darauf kam das gesellschaftliche Leben weitestgehend zum Erliegen – und auch das Arbeitsleben änderte sich für viele Beschäftigte abrupt, weil sie quasi über Nacht ins Homeoffice geschickt wurden. Wie viel ist davon heute noch übrig? Und was macht das mit der Stadt?

Foto: Sabine Mittermeier
Knapp fünf Jahre liegt der erste Lockdown zurück – in der Zwischenzeit haben Millionen Beschäftigte, deren Jobs das Arbeiten von zu Hause aus zumindest teilweise zulassen, ihre Erfahrungen mit der Heimarbeit gemacht – und unter den Corona-Bedingungen vielerorts auch deren Nachteile erlebt: weniger Sozialkontakte, die zeitliche Vermischung von Beruf und Privatem sowie fehlende gewachsene Alltagsstrukturen. Besonders Familien mussten, oft auf engstem Raum und ohne Rückzugsräume, Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen. Nach und nach wurden dann aber auch die Vorteile der Arbeit zu Hause deutlich: der Wegfall langer Anfahrtswege – was Zeit und Kosten spart – die flexiblere Zeiteinteilung und die bessere Vereinbarkeit von Familie oder Freizeit und Beruf.

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Inzwischen hat sich die Zahl derjenigen Erwerbstätigen, die regelmäßig in der privaten Wohnung arbeiten, laut Statistischem Bundesamt bei rund einem Viertel eingependelt. Mehr als 13 Prozent verbringen mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice. Zum Vergleich: Vor der Pandemie waren es nur halb so viele. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeiten vor allem Höherqualifizierte und Vollzeitbeschäftigte zu Hause. Eine repräsentative Onlinebefragung des Immobiliendienstleisters „Jones Lang LaSalle“ vom Sommer 2023 kommt wiederum zu dem Ergebnis, dass Berlinerinnen und Berliner besonders häufig im Büro anzutreffen sind: Ihre Anwesenheitsquote liegt demnach bei 3,55 Tagen pro Woche. In Düsseldorf und Frankfurt sind es dagegen unter drei Tage.
Die Universität Konstanz untersucht das Thema Heimarbeit seit 2020 systematisch mit der „Konstanzer Homeoffice-Studie“. Sie weiß zu berichten, dass ein Drittel der Führungskräfte sich eine Präsenzpflicht wünscht, während es bei den Mitarbeiter:innen ohne Führungsverantwortung nur ein Fünftel ist. Kein Wunder: Laut den Wirtschaftsforschern des ifo-Instituts erwartet eine Mehrheit der Unternehmen zwar eine gleichbleibende Produktivität im Homeoffice und im Büro – knapp ein Drittel geht jedoch davon aus, dass eine Rückkehr ins Büro die Produktivität steigern würde. Und auch mehr Kontrolle und ein besseres Gemeinschaftsgefühl erhoffen sich Führungskräfte von einer Präsenzpflicht.
Größere Produktivität im Büro?
Die Homeoffice-kritischen Stimmen wurden zuletzt lauter: So machten 2024 einige Unternehmen Schlagzeilen, weil sie ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt ins Büro holen wollten. Beim Software-Riesen SAP schaukelte sich der Streit um angekündigte strengere Homeoffice-Regelungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat bis vors Arbeitsgericht hoch. Mitarbeitende der Deutschen Bank, die sich gegen geplante Homeoffice-Kürzungen stellten, wurden von der Gewerkschaft ver.di mit einer Petition unterstützt.

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Allerdings: Unternehmen steigern – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – mit großzügigeren Homeoffice-Regelungen ihre Attraktivität. Die Konstanzer Studie zeigt auch: Eine erzwungene Präsenzpflicht kann zu emotionaler Erschöpfung führen. Dazu passt ein Forschungsergebnis des DIW: Homeoffice macht Angestellte zufriedener, sowohl in Bezug auf die Arbeit als auch auf das Leben allgemein.

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Was aber macht das vermehrte Arbeiten in den heimischen Räumen mit der Stadt? Als das MieterMagazin sich vor gut vier Jahren mit dem Thema beschäftigte, prognostizierte man, dass Büroflächen reduziert, dezentralisiert oder in günstigere Gegenden verlagert werden könnten. Tatsächlich sagt eine Analyse des ifo-Instituts den deutschen „Top-7-Städten“ – dazu gehört auch Berlin – einen „langfristigen Stresstest für den Büromarkt durch die neuen Arbeitsmodelle“ voraus. Bis 2030 könnte demnach der Bedarf an Büroflächen durch die Arbeit im Homeoffice um 12 Prozent zurückgehen. In Berlin ist die Leerstandsquote bei Büroflächen auf 6,7 Prozent gestiegen, wie der Immobilienverband Deutschland (IVD) im Dezember 2024 bekannt gab. Das war eine Verdopplung gegenüber dem Jahr 2022. Vor allem ältere Bestände in Randlagen sind demnach von Leerstand betroffen. Moderne und zentral gelegene Büroflächen sind dagegen weiterhin begehrt und erleben Mietsteigerungen.
Umnutzungsmöglichkeit umstritten
IVD-Vizepräsidentin Jeanette Kuhnert erklärt das so: „Unternehmen setzen zunehmend auf attraktive Arbeitsumgebungen, die den neuen Anforderungen der hybriden Arbeitswelt gerecht werden.“
Immer mehr leerstehende Büroflächen bei Zigtausend fehlenden Wohnungen, da liegt auch die Idee einer Umwandlung und Umnutzung auf der Hand. Das Immobilienberatungsunternehmen Bulwiengesa hat 2024 untersucht, ob es sich lohnt, brachliegende Büroflächen in dringend benötigten Wohnraum umzubauen – und kommt für die Hauptstadt zu einem ernüchternden Ergebnis: „In Berlin scheinen Nutzungsänderungen bisher eine Nische mit vielen Herausforderungen zu sein.“ So sei es aktuell komplex und kaum wirtschaftlich, Bürogebäude zu Wohngebäuden umzubauen. Positiver fiel eine Untersuchung der ARGE Kiel e.V. aus, der zufolge 30 Prozent der rund 350 Millionen Quadratmeter Nutzfläche in Büros und Verwaltungsgebäuden in Deutschland mit geringem baulichem Aufwand für die Umnutzung zu Wohnungen geeignet wären. Weitere 20 Prozent erforderten einen mittleren baulichen Aufwand.

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Potenzial für rund 20.000 Wohnungen in den sieben A-Städten sieht auch eine Untersuchung der Immobilienberater von Jones Lang LaSalle (JLL) aus dem Jahr 2023. Die durchschnittlichen Kosten für den Umbau in Wohnraum beziffern sie auf 1700 bis 2200 Euro pro Quadratmeter – fast 50 Prozent weniger als die Schaffung einer solchen Fläche durch Neubau kostet. JLL weisen aber auch darauf hin, dass die Kosten stark variieren können und beispielsweise erheblich teurer ausfielen, wenn die Gebäudehülle nicht mehr nutzbar sei.
Einig sind sich die Expert:innen darin, dass die Umbauten häufig mit langwierigen Genehmigungsprozessen verbunden sind. Auch eigneten sich nicht alle Lagen zum Wohnen.
Katharina Buri
Die Neuauflage der Werkswohnung
Um diejenigen zu entlasten, für die Homeoffice nicht in Frage kommt – Pflegefachkräfte und Arbeiter:innen etwa – erlebt die Werkswohnung gerade eine kleine Renaissance. Dieses früher in Deutschland noch sehr verbreitete Modell, das mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert aufkam, ist in den letzten Jahrzehnten aus der Mode gekommen. In Zeiten von Fachkräftemangel und Wohnungsnot wird es jetzt aber wieder interessant für Unternehmen wie Beschäftigte. Nicht nur Privatfirmen versuchen, über solche Angebote neue Arbeitskräfte anzuwerben. Auch die Stadt will ihren Bestand an Wohnungen ausbauen – bis 2028 sind 1000 zusätzliche Wohnungen zu den bereits bestehenden 5500 geplant – in deren Genuss aber in erster Linie Landesbedienstete kommen. Bisher profitieren vor allem Mitarbeitende oder Auszubildende der Klinikkonzerne Charité und Vivantes, die zum Teil im Ausland angeworben wurden. Künftig sollen auch Feuerwehrmänner und -frauen sowie Angestellte – zum Beispiel von Finanzämtern – Werkswohnungen beziehen können.
kb
Die Konstanzer Homeoffice-Studie, die seit 2020 läuft, findet sich unter:
www.polver.uni-konstanz.de/kunze/konstanzer-homeoffice-studie
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat Informationen und Empfehlungen rund um das ortsflexible Arbeiten zusammengestellt:
www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung/Arbeitsorganisation/Ortsflexibles-Arbeiten
28.02.2025