Ende März 2022 sind die ersten 100 Tage der neu gebildeten Landesregierung vorbei. Grund genug für BMV-Geschäftsführer Reiner Wild, die für das Wohnen und Mieten geplanten Vorhaben unter die Lupe zu nehmen.
Zunächst ein Blick auf die Versprechen der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD): Ganz oben auf der Agenda steht die Gründung eines Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen, von dem sich die Regierende Bürgermeisterin viel zur Beseitigung der mannigfachen Berliner Wohnungsprobleme verspricht. Zwei Plenumsveranstaltungen mit vorherrschender Beteiligung der Bau- und Immobilienwirtschaft haben bereits stattgefunden, drei Arbeitsgruppen zu den Themen Neubau & Modernisierung, Mietenentwicklung & Mieterschutz, Städtebau & Architektur haben ihre Arbeit aufgenommen. Doch obwohl die Teilnehmenden unter einigen Mühen eine gemeinsame Erklärung zum Auftaktplenum des Bündnisses abgegeben haben, dürfte den meisten unter ihnen noch nicht klar sein, welche Inhalte konsensfähig sind und welche Themen nur unter die Rubrik „Schön, dass wir darüber geredet haben!“ fallen.
Reichlich Konfliktstoff für das Bündnis
Zwei Fragen dürften überragen. Zum einen: Wird die Immobilienwirtschaft dem Senat 20.000 neue Wohnungen pro Jahr versprechen, 5.000 davon mit sozialer Wohnraumförderung? Welche Gegenleistungen will der Senat sich das kosten lassen? Und zum anderen: Wird die Immobilienwirtschaft freiwillig auf die Ausschöpfung mietrechtlich zulässiger Mietsteigerungen bei Wiedervermietung und in bestehenden Mietverhältnissen verzichten, wie es Bausenator Andreas Geisel (SPD) zum Auftakt verlangte? Hier gibt es also reichlich Konfliktstoff.
Zudem hat der neue Senat die wahltaktisch motivierte Zielzahl von 20.000 neuen Wohnungen jährlich ohne jegliche inhaltliche Begründung aufgebracht. Wir mahnten in den Plenumssitzungen jedenfalls an, schnellstens die konkreten Bedarfe über eine Evaluierung des Stadtentwicklungsplans Wohnen 2030 (StEP Wohnen 2030) zu ermitteln und den Neubau im Hinblick auf die CO2-Reduzierungsziele einer Prüfung zu unterziehen. Um der versprochenen Zahl von Neubauten näherzukommen, wurde bereits eine verwaltungsinterne Senatskommission zur Beschleunigung des Wohnungsbaus angekündigt. Ob sie bis Ende März mit ihrer Arbeit beginnt, ist nicht bekannt.
Der Preis ist möglicherweise hoch
Auch der angekündigte Bericht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenSBW) über alle größeren laufenden und geplanten Wohnungsbauprojekte steht noch aus. Im Rahmen des 100-Tage-Programms sicherte Bausenator Geisel außerdem eine Änderung der Berliner Bauordnung zu. Bis Ende März soll sie dem Senat zur Beschlussfassung zugeleitet werden. Was in dem Vorschlag neu geregelt werden soll, hat der Bausenator der Öffentlichkeit und auch dem BMV bisher weitgehend vorenthalten. Auf eine Anhörung der Verbände zum neuen Referentenentwurf verzichtet er offenbar. Vermutlich weil der Änderungsvorschlag zur Bauordnung schon aus der vergangenen Legislatur stammt, damals aber unter den Koalitionspartnern keine Einigkeit herzustellen war. Die SPD blockierte seinerzeit den Entwurf aus dem von den Linken besetzten Stadtentwicklungsressort.
Änderungsvorschläge konnte der BMV vor einem Jahr einbringen. Was daraus wurde, bleibt bis jetzt das Geheimnis des Bausenators. Zu befürchten ist allerdings, dass die neue Bauordnung mit zum Preis gehört, den die Politik für die Neubauversprechen der Immobilienwirtschaft bezahlen will.
Politische Einigkeit unter den Koalitionären notwendig
Wohl kaum zu halten ist im Rahmen des 100-Tage-Programms die Einrichtung der Expert:innenkommission Vergesellschaftung. Die Kommission soll die Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids vom September 2021 zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen prüfen. Für die Einrichtung der Kommission ist ein Senatsbeschluss notwendig. Doch wie nicht anders zu erwarten war, liegen die Vorstellungen über die Besetzung, die Arbeitsweise, die Benennung der konkreten Aufgaben und die Auswahl der Mitglieder, vor allem auch der Umfang der Beteiligung der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen (DWE) bei den Koalitionspartnern deutlich auseinander. Schließlich versteht sich die Linke als verlängerter parlamentarischer Arm des Volksentscheids, während die Regierende Bürgermeisterin und weite Teile der SPD den Volksentscheid nicht umsetzen wollen. Zur Vertrauensbildung hat sicherlich nicht beigetragen, dass die mit der Vorbereitung der Kommission beauftragte Senatsverwaltung SenSBW erst vor wenigen Tagen überhaupt das Gespräch mit der Initiative DWE gesucht hat.
16.03.2022