Im November 2023 haben sich das Europäische Parlament und der Rat der EU auf einen Richtlinienentwurf zu Kurzzeitvermietungen geeinigt. Ende Februar soll die Richtlinie verabschiedet werden und hätte dann direkte Auswirkungen auch für Berlin. Wir sprachen mit Barbara Steenbergen von der International Union of Tenants (IUT) über die Details und ihre Erwartungen an die neue Richtlinie.
Fast ein Viertel der touristischen Übernachtungen innerhalb der EU entfällt mittlerweile auf Wohnungen oder Zimmer, die Anbieter über Online-Plattformen wie Airbnb oder booking.com inserieren. 45 Millionen Europäer haben in den letzten zwei Jahren die Kurzzeitvermietung genutzt – das ist besonders in den großen europäischen Metropolen der Fall. In Barcelona, Lissabon, Paris, London oder Berlin findet man ganze Häuser und Straßenzüge, die von Kurzzeitvermietung betroffen sind – Wohnungen, die dem regulären Wohnungsmarkt fehlen. Insgesamt wurden mit dieser Art der Vermietung jährlich 80 Milliarden Euro in Europa umgesetzt.
Der Umgang der einzelnen Länder und Städte mit den Angeboten und Anbietern wie Airbnb und booking.com ist sehr unterschiedlich: Einige haben Registrierungssysteme eingeführt, wobei die Anforderungen und Aufsichtsmaßnahmen variieren. Mit einer neuen Richtlinie will die EU jetzt einheitliche und strengere Informationsvorschriften einführen. Im November 2023 haben sich das Europäische Parlament und der EU-Rat auf einen vorläufigen Entwurf geeinigt, der Ende Februar verabschiedet werden soll. Anschließend müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie umsetzen. Über die Details und die Auswirkungen des Gesetzes sprachen wir mit Barbara Steenbergen, Leiterin des Internationalen Mieterbundes (International Union of Tenants/IUT) in Brüssel.
Barbara, wie sieht der vorgeschlagene Regelungsrahmen für Kurzzeitvermietungen im Entwurf aus?
Bevor wir zu den konkreten Maßnahmen kommen, eine Anmerkung vorweg: Es geht bei der neuen Richtlinie nicht in erster Linie um die wohnungspolitische Dimension, also die Frage des Entzugs von Wohnungen zur Profitmaximierung in den Städten und Regionen. Ebenso wenig kann die EU Kurzzeitvermietungen verbieten, da ihr hierfür die Kompetenz fehlt. Daher kann es nur um Datentransfer und Datenaustausch sowie Kontrolle und Transparenz gehen. Und genau darauf konzentriert sich die neue Richtlinie, die Ende Februar verabschiedet werden soll. Wir gehen davon aus, dass die aktuell verhandelte Version so durchgehen wird und sich keine wesentlichen Veränderungen mehr ergeben werden.
Was genau umfasst die Richtlinie?
Die Richtlinie sieht ein einheitliches Registrierungssystem mit gemeinsamen Bestimmungen für die Einführung von Registrierungsverfahren vor. Das umfasst unter anderem adressgenaue Registrierungsnummern für jede:n Anbieter:in, der:die eine Wohnung auf einer Online-Plattform zur kurzfristigen Vermietung inseriert. Die Plattformen wiederum sollen verpflichtet werden, den Behörden monatlich Tätigkeitsdaten zu übermitteln. Die Regelung gilt im Übrigen auch für kleine Vermietungs-Plattformen. Diese müssen die Daten allerdings nur alle drei Monate übermitteln.
Welche Erwartungen knüpfst Du an die neuen Regelungen?
Einerseits müssen wir davor warnen, allzu viel von den Regelungen zur Offenlegung und Kontrolle der Daten zu erwarten. Andererseits wird es für Städte und Gemeinden aber viel einfacher werden, Verstöße zu identifizieren und gegen diese vorzugehen. Künftig muss europaweit und für jedes Angebot eine adressgenaue Registrierungsnummer vorliegen. Das macht es leichter, Missbräuche gegen nationale Steuergesetze und/oder Zweckentfremdung von Wohnraum zu ahnden. Darüber hinaus führt die neue Richtlinie zu einer großen Vereinfachung: Die Mitgliedstaaten werden zentrale digitale Anlaufstellen einrichten, an die sich die Städte wenden und eine Prüfung der Daten erfragen können, wenn sie Verstöße vermuten. Statt nach den Daten zu fahnden, bekommen die Städte sie nun geliefert. Das spart Geld, Zeit und Ressourcen.
In Berlin besteht die Registrierungspflicht bereits. Kann die neue EU-Richtlinie hier noch Verschärfungen bewirken?
Tatsächlich gibt die neue EU-Richtlinie auch jenen Städten und Regionen, die bereits strenge Regelungen haben, die Möglichkeit für weitere Verschärfungen. Künftig sind die Plattformen selbst verpflichtet, die Registrierungsnummern zu überprüfen, sowohl durch Stichprobenprüfungen als auch durch Kontrollen bei den nationalen Behörden. Bei Verstößen kann die Stadt anordnen, dass der Betreiber der Vermittlungsplattform die entsprechende Registrierungsnummer sperrt; die Vermietenden können sogar von der Plattform ausgeschlossen werden. Nicht nur die großen touristischen Metropolen profitieren von der neuen Möglichkeit, die Märkte wirksamer zu regulieren, sondern auch viele Mittelzentren, zum Beispiel Universitätsstädte und Städte mit Berufsakademien und anderen Ausbildungszentren, in denen statt regulärer Vermietung immer mehr auf Kurzzeitbasis vermietet wird. Diese Städte haben oftmals nicht die personellen Kapazitäten, Missbrauch zu ahnden und zu verfolgen. Dies dürfte jetzt einfacher werden.
Wie verbindlich ist die EU-Richtlinie für die nationale Gesetzgebung und welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es?
Die EU-Richtlinie ist verbindlich. Nicht nur die Vermietenden (Hosts), sondern auch die Plattformen können damit „wirksam“ sanktioniert werden. Die genaue Art der Sanktionen legen jedoch die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene fest.
Stichwort Lobbyismus: Haben Vertreter:innen von Unternehmen, die mit Kurzzeitvermietungen handeln, versucht den Prozess zu beeinflussen? Gab es Kontakte mit EU-Politiker:innen?
Es lässt sich nicht direkt nachverfolgen. Einzelne Abgeordnete haben in der Anhörung im Parlament befürchtet, die neue Datentransparenz und Ex-Ante-Prüfung der Annoncen, die die Plattformen jetzt garantieren müssen, werde zu einer Verteuerung der Kurzzeitvermietungspreise führen. Die European Holiday Homes Association, ein europaweiter Verband für diese Plattformen, dürfte sich über diese Schützenhilfe gefreut haben. Es wurde betont, Kurzzeitvermietungen würden „günstiges Reisen“ ermöglichen und argumentiert, dass eine neue Regulierung die Preise für die Reisenden nach oben treiben würde.
Airbnb hat sich erstaunlich positiv zur geplanten Regelung geäußert. Was sagst Du dazu?
Die positive Reaktion von Airbnb auf die neuen Regulierungen, betrachten wir mit Skepsis. Vor allem das ungehinderte Vorgehen von Airbnb hat in der Vergangenheit in vielen europäischen Städten zu Gentrifizierung, Immobilienspekulation und steigenden Mieten beigetragen. Der von der IUT und weiteren europäischen Initiativen aufgesetzte Code of Conduct für eine verantwortungsvolle Wohnungswirtschaft dient dabei als Leitlinie, um negative Auswirkungen wie Verdrängung von Bewohner:innen in den Stadtvierteln durch Touristifizierung zu verhindern. Es ist wichtig, dass die neuen Regelungen nun tatsächlich von den Städten voll ausgeschöpft werden. Die massive und ungehinderte Marktexpansion dürfte zumindest erschwert werden.
Was bedeutet der Abschluss dieses Richtlinienverfahrens für Dich persönlich?
Es war ein langer politischer Weg durch die Institutionen. Die IUT hat bereits 2018 im EU-Aktionsplan für bezahlbares Wohnen durchgesetzt, Kurzzeitvermietungen zu regulieren. Zusammen mit anderen Stakeholdern haben wir drei Jahre lang am Aktionsplan gearbeitet. Das EU-Parlament hat uns 2021 in unserer Linie bestätigt. Mit der Kurzzeitvermietungs-Richtlinie haben wir nun endlich eine Gesetzgebung gegen die ungebremste Spekulation mit Wohnraum in den Städten. Es ging darum, die Städte in ihrer Befugnis, Kurzzeitvermietung einen Riegel vorzuschieben, zu stärken.
Auf EU-Ebene ist das nicht so einfach, weil die Kompetenz für das Wohnungswesen geteilt ist. Kurzzeitvermietungen sind ein starker Gentrifizierungs- und Mietentreiber in den städtischen Kiezen. Es handelt sich nicht um ein singuläres nationales Phänomen – es ist ein europäisches. Auch der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Grundsatzurteil im September 2020 die Basis für die jetzige Regelung gelegt. Es sei im übergeordneten Interesse der Allgemeinheit, bezahlbaren längerfristigen Wohnraum in den Städten zu erhalten.
Wir sind auf einem guten Weg. Es ist nun an den Städten, für eine schnelle und strikte Umsetzung der Regulierung von Airbnb und Co. zu sorgen.
Das Interview führten Vera Colditz und Franziska Schulte
19.02.2024