Die Hausgemeinschaft AmMa65 hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Mehrmals ging ihr Haus in den vergangenen neun Jahren über den Ladentisch, zuletzt an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Das war nach zwei Großinvestoren als Vermieter ein Lichtblick. Sorgenfrei sind die Bewohner:innen aber bis heute nicht und melden sich aufgrund enormer Mängel und dem eindringlichen Wunsch nach verbesserter Kommunikation zurück. Ein Hausbesuch.
Ein Treffen mit der Hausgemeinschaft AmMa65 (Amsterdamer Straße 14 Ecke Malplaquetstraße 25) führt mich an einem frühen Abend im August in das Herz des Berliner Weddings. Schon vor der Türschwelle werde ich von drei Bewohner:innen herzlich empfangen und finde mich bald darauf im Hof wieder – der Ort unseres heutigen Gesprächs. Doch bevor es um die aktuelle Situation geht, ein Blick zurück.
Die Geschichte der AmMa65 ist in der Berliner Mietenszene bekannt: Mehrere Jahre kämpfte die Hausgemeinschaft, als sie 2015 erstmals erfuhr, dass ihr geliebtes Zuhause verkauft werden soll. Ihr Einsatz führte dazu, dass der Gebäudekomplex 2018 fast zum ersten Vorkaufsfall des Bezirks Mitte wurde. Der Käufer unterzeichnete jedoch kurz vor Ablauf der Frist eine Abwendungsvereinbarung – eine Enttäuschung für die Hausgemeinschaft. Ende 2018 dann die Überraschung: Der neue Eigentümer verkaufte das Haus an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Ein Lichtblick für die Hausgemeinschaft, wenngleich sie ihr Haus am liebsten eigenständig gekauft und verwaltet hätte. Rund vier Jahre sind seither vergangen, doch unbeschwert sind die Mieter:innen bis heute nicht. „Zu Beginn hatten wir hohe Erwartungen an eine erfolgreiche Zusammenarbeit, doch aktuell gestaltet sich die Kommunikation träge und undurchsichtig“, sagt Milo, eine:r der engagierten Mieter:innen des Hauses.
Das Herz der Gemeinschaft: Der Hof
Der Hof ist für die AmMa65 mehr als nur ein Durchgang zu den Seitenflügeln, ein Platz für Fahrräder und die Müllentsorgung – er ist das Herz ihrer Gemeinschaft. Eigentlich. Denn zurzeit ist er größtenteils verschattet. Ein imposantes Gerüst und gespannte Netze bedecken große Teile der Fläche, um die seit Jahren bröckelnde Fassade zu sichern. Ein Zettel im Eingangsbereich warnt vor Lebensgefahr und fordert anderthalb Meter Abstand zur Außenfassade. „Wir dürfen uns jetzt aber sowieso nur noch auf den vom Gerüst überdachten Wegen aufhalten“, erklärt August, der im Vorderhaus wohnt. „Unser Treffpunkt ist so nicht mehr nutzbar und wir wissen nicht, wie lange das so bleiben wird.“ Er zeigt dabei auf eine kleine gemütliche Insel in der linken Ecke des Hofes. Dort steht ein Tisch mit Stühlen, umgeben von selbst gepflanztem Grün.
Bröckelnde Fassade, undichte Fenster, marodes Dach – die Mängelliste ist lang
Doch die bröckelnde Fassade und das provisorische Gerüst sind nicht das einzige Problem. Die Liste der Mängel im für alle Bewohner:innen zugänglichen Bereich ist lang. Bei einem Gang durchs Haus präsentieren mir die drei Bewohner:innen noch ein undichtes Dach und marode, mit Holz verschlagene Fenster, durch die nur ein schmaler Lichtspalt in den Hausflur fällt. Statikprobleme in einem Teil des Gebäudes beeinträchtigen die Nutzung von Gewerberäumen im Erdgeschoss. Die Fläche steht deshalb seit Jahren leer, obwohl die Mieter:innen sie gern als Gemeinschaftsraum nutzen würden. Im Keller darunter wölbt sich derweil die Decke und wirkt, als würde sie bei einem zu lauten Husten einstürzen. Einige Kellertüren stehen offen, weil kürzlich eingebrochen wurde. „Leider müssen wir uns für die Reparatur der Keller alle einzeln bei der Hausverwaltung melden“, sagt August im Vorbeigehen.
Um Stadt und Land dazu zu bewegen, die Mängel anzugehen, führen die Bewohner:innen ein Mängelprotokoll und reichen es einmal im Monat an die Hausverwaltung weiter. Die Reaktionen sind jedoch spärlich. „Wir wünschen uns mehr Transparenz. Wir benötigen klare Informationen über geplante Maßnahmen“, sagt Pia, Mieterin im Seitenflügel. Die meisten Maßnahmen würden ohne oder mit sehr verspäteten Vorankündigungen durchgeführt. Informationen über das geplante Gerüst erhielt die Hausgemeinschaft zwar doppelt – allerdings erst, als das Gerüst schon stand.
Reparaturen: Fehlender Fahrplan und Unsicherheit
Zum schleppenden Ablauf von Reparaturen fallen den drei Bewohner:innen haufenweise Beispiele ein. „Sie haben ein paar Rohre ausgetauscht, um ein Bleiproblem im Wasser zu beheben. Das Wasser wurde dann wieder für trinkbar erklärt, doch der geforderte Nachweis über die Wasserqualität steht bis heute aus“, sagt Milo. Dass die Hausverwaltung gezielte Nachfragen ignoriert, schürt Misstrauen. Dabei sind die Mieter:innen an einer Zusammenarbeit interessiert. „Wir würden auch unterstützen, wo es geht“, sagt Milo. „Doch es scheint leider so, dass nur das erledigt wird, was für die Hausversicherung notwendig ist.“
Die Bewohner:innen vermuten als eine der Hauptursachen des Problems, dass es für das Haus eine eigene GmbH gibt. Dadurch fühle sich augenscheinlich niemand wirklich verantwortlich. „Unser geliebtes Zuhause und die Menschen darin werden vernachlässigt. Das deprimiert“, sagt August und appelliert wiederholt an eine stärkere Kommunikationsbereitschaft. Die Untätigkeit des Wohnungsunternehmens führt noch zu ganz anderen Problemen: Eine der Hausbewohner:innen ist seit Kurzem auf einen Rollstuhl angewiesen und kann dadurch ihre Wohnung im dritten Stock nicht mehr erreichen. „Die Ärzte halfen ihr daraufhin mit einem Aufruf, um eine Tauschwohnung zu organisieren“, berichtet Milo. Es fand sich sogar ein Tauschpartner, doch Stadt und Land ließ die Erlaubnisanfrage zum Tausch bisher unbeantwortet – und ohne barrierefreie Wohnung kann die Mieterin das Krankenhaus nicht verlassen.
Große Hoffnung: Das nächste Treffen mit Stadt und Land
Ein Treffen mit Vertreter:innen von Stadt und Land steht immerhin bald bevor. Dabei will die Hausgemeinschaft nicht nur ihre Anliegen erneut zur Sprache bringen, sondern auch ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft klar formulieren. „Wir lieben unser Zuhause und werden nicht tatenlos zusehen, wie es zerfällt“, sagt Pia. In ihren Worten schwingt Enttäuschung mit: Frühere Treffen mit Vertreter:innen der Wohnungsbaugesellschaft verliefen zwar freundlich und voller Versprechen für eine verbesserte Zusammenarbeit, doch die erhoffte Kooperation blieb bislang aus. Die Bewohner:innen bedauern, dass Stadt und Land nicht einmal das Protokoll des letzten Treffens als verbindlichen Schritt unterzeichnet hat. Entmutigen lassen sie sich deswegen nicht. Während unser Gespräch sich dem Ende nähert, wird klar: Die Hausgemeinschaft AmMa65 wird nicht ruhen, bis Stadt und Land ihren Forderungen Gehör schenkt und sie umsetzt – für eine bessere Kommunikation, ein sicheres Zuhause und eine starke Gemeinschaft.
Vera Colditz hat die AmMa65 besucht.
Dann freut sich die Hausgemeinschaft AmMa65 auf einen Austausch.
Die Gruppe können Sie hier direkt kontaktieren.
17.08.2023