Im Mietspiegelreformgesetz hat der Gesetzgeber seine Chance verpasst, für mehr Rechtssicherheit und Gerechtigkeit für die Mieterinnen und Mieter zu sorgen, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild im Interview.
Herr Wild, warum wird das Mietspiegelrecht aktuell reformiert?
Der Gesetzgeber hat die Kritik aufgenommen, die in der öffentlichen Diskussion häufig geäußert wurde. Viele Mietspiegel werden von Vermietern angegriffen. Daher wollte der Gesetzgeber die Rechtssicherheit von Mietspiegeln erhöhen und gegebenenfalls auch den Rahmen für Mieterhöhungen stärker einschränken. Das war jedenfalls das Ziel.
In welcher Form haben Vermieter die Mietspiegel angegriffen?
Vermieter vertreten häufig die Auffassung, dass ein Mietspiegel nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelt wurde, also nicht qualifiziert sei. Sie behaupten außerdem, dass bestimmte Wohnungen im Mietspiegel gar nicht vorkämen und der Mietspiegel auch aus diesem Grund nicht richtig sein könne. Hinter all diese Angriffen auf den Mietspiegel steht immer die Absicht, eine höhere Miete durchzusetzen.
Was erhofft sich der Berliner Mieterverein von der Reform?
Unsere Hoffnung für die Mieterinnen und Mieter war, dass der Gesetzgeber sein Ziel auch tatsächlich erreicht, indem er die Rechtssicherheit der Mietspiegel erhöht und andere Methoden zur Begründung wie auch zur Überprüfung einer Mieterhöhung ausschließt. Doch unsere Hoffnung hat sich nicht erfüllt. So können Vermieter zum Beispiel bei der Begründung von Mieterhöhungen weiter Bezug auf Vergleichswohnungen aus dem eigenen Bestand nehmen oder sich an den Oberwerten des Mietspiegels orientieren, ohne den Mieterinnen und Mieter die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete darzulegen. Das ist aus unserer Sicht sehr nachlässig. Denn Mieter können diese Begründung nur schwer überprüfen oder nur mit hohem finanziellen Risiko bestreiten. Das führt dazu, dass viele Mieter einem Mieterhöhungsverlangen der Vermieter am Ende zustimmen, obwohl sie es vielleicht gar nicht müssten.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand des Reformprozesses?
Leider verfehlt der Gesetzentwurf zum Mietspiegelreformgesetz sein Ziel. Viele Anregungen, die wir im Rahmen von Anhörungen an das Ministerium, aber auch an den Bundestagsausschuss gegeben haben, sind nicht aufgenommen worden. Nur in sehr, sehr wenigen Punkten haben die Politiker unsere Ideen tatsächlich für sinnvoll erachtet. Viele, der noch im Referentenentwurf des Justizministeriums vorhandenen Reformansätze, wurden im Kabinett wieder rausgestrichen. Hier hat sich der Wirtschaftsflügel der CDU durchgesetzt. Deswegen sind wir sehr unzufrieden mit der Reform. Wir werden mit dem System der ortsüblichen Vergleichsmiete weiterhin große Probleme haben.
Der vorliegende Gesetzentwurf schafft also nicht mehr Rechtssicherheit?
Nein, das Ziel erreicht er nicht. Die Frage ist allerdings, ob dies im System der ortsüblichen Vergleichsmiete überhaupt möglich sein wird. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die freie richterliche Beweiswürdigung im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung lässt den Gerichten viel Spielraum. Das ist insofern problematisch, da aus unserer Sicht die Beweislast bei den Mieterinnen und Mietern verbleibt. Eine Umkehr der Beweislast auf die Vermieter, die den Mietspiegel angreifen, fehlt im Gesetz.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit die Reform nicht nur mehr Rechtssicherheit, sondern auch mehr Gerechtigkeit bringt?
Wir halten den Mietspiegel auf Basis des ortsüblichen Vergleichsmietensystems insgesamt für kein geeignetes Instrument, die Rechtssicherheit zu erhöhen und für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. In der angespannten Lage eines weitgehend liberalisierten Wohnungsmarktes hat sich der Mietspiegel fast immer als Preistreiber erwiesen, also das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich beabsichtigt war. Das wird sich auch nicht ändern, wenn der Gesetzgeber wie geplant die Spanne für den Betrachtungszeitraum erweitert. Wir schlagen ein anderes System vor: Aus unserer Sicht wäre eine öffentlich-rechtliche Mietpreisfestsetzung gerechter, die sich auch an den Einkommen orientiert. Und sie wäre ebenfalls rechtssicherer, weil jede und jeder leicht selbst ausrechnen kann, wie die Mieterhöhung ausfällt, wenn der Staat eine Mieterhöhung im Rahmen der Inflationsrate oder eines einfachen Prozentsatzes zubilligt. Wir halten zwei Prozent in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin für angemessen. So eine Kappung ist viel unkomplizierter als eine Kappung bei einer ortsüblichen Vergleichsmiete, die konkret zu ermitteln schwierig ist.
20.09.2021