Am 8. Mai 2023 war es soweit: In einem Neuköllner Kongresszentrum fand unsere jährliche Delegiertenversammlung statt. Das Basisgremium des Mietervereins gewährleistet eine breite Beteiligung und ermöglicht unseren Mitgliedern, aktiv an wichtigen Entscheidungsprozessen im BMV mitzuwirken. Ein Einblick in Ablauf und Leitlinien.
Die Delegiertenversammlung ist die breite Basis des Vereins und bestimmt die politischen und innerverbandlichen Richtlinien. Sie setzt sich aus den sogenannten Delegierten zusammen, die zuvor die Mitglieder des Mietervereins auf den zwölf Bezirksmitgliederversammlungen gewählt haben. Insgesamt 133 Delegierte repräsentierten in diesem Jahr die Mieter:innen aus den Bezirksgruppen. Die Anzahl der Delegierten eines Bezirks bestimmt sich nach der Mitgliederzahl im Bezirk. Die Quote wird alle drei Jahre nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren festgelegt.
Die Versammlung begann wie jedes Jahr mit dem Vortrag einer fachlich renommierten Persönlichkeit aus Politik und Gesellschaft. In diesem Jahr durften wir Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer begrüßen. Mit ihrem Beitrag zur dringend nötigen sozial-ökologischen Bauwende machte sie eindringlich deutlich, dass Sozialverträglichkeit von Modernisierungen, ressourcenschonender Neubau und Klimaschutz eng miteinander verwoben sind. Daher fordern wir gemeinsam eine Sozial- und Klimaschutzpolitik aus einem Guss. Theresa Keilhacker zeigte aus Perspektive von Architekt:innen und Stadtplaner:innen vor allem die vielfältigen Möglichkeiten auf, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und weiterzuentwickeln. Viele der Delegierten stellten im Anschluss an den Vortrag Fragen, beispielsweise zum vermehrten Abriss von Wohngebäuden, aber auch zur Effizienz von Wärmedämmungen und zum Heizungsaustausch.
Beschlussfassung zu den wohnungspolitischen Leitlinien für 2023
Als Bindeglied zwischen den Mitgliedern, den ehrenamtlich Aktiven und den hauptamtlichen Mitarbeiter:innen im Mieterverein sind die Delegierten ein wichtiger Teil der Vereinsstruktur. Sie haben eine entscheidende Stimme bei der Festlegung der gesamtstrategischen Ziele und bei der Abstimmung politischer Forderungen. Ein Schwerpunkt der Versammlung ist daher, wohnungs- und organisationspolitische Positionen für den Verein zu beschließen und für die Hauptamtlichen durch die Beschlussfassung zu legitimieren.
Voraussetzung für diese Entscheidungen ist der sogenannte Leitantrag, den die verschiedenen Gremien des Mietervereins in den Wochen vor der Versammlung erarbeiten und diskutieren. Die Delegierten erhalten den Leitantrag zusammen mit der Einladung vier Wochen vor der Versammlung. So haben sie die Möglichkeit, die wohnungspolitische Ausrichtung in der Bezirksaktivengruppe zu diskutieren und ihre Fragen bei der Delegiertenversammlung einzubringen. Dort erfolgt abschließend die Abstimmung. Die Annahme des Leitantrags erfordert die einfache Mehrheit der Delegiertenstimmen.
Schutzmaßnahmen ausbauen und Wohnungsunternehmen stärker in die Pflicht nehmen
In diesem Jahr sollen die Schwerpunkte laut Leitantrag beim Schutz und Erhalt des noch leistbaren Wohnungsbestandes liegen. Unsere Forderung: Die Politik muss private Wohnungsunternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Dazu soll ein Mietenkataster die Mieten und Eigentumsverhältnisse transparent machen und ein Landeswohnungsamt die Mietpreisbremse und Regelungen gegen Mietwucher nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz durchsetzen.
Der Mieterverein setzt sich weiterhin für die Reaktivierung und Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts ein. Das setzt die enge Zusammenarbeit mit unserem Dachverband, dem Deutschen Mieterbund (DMB) voraus, denn das Vorkaufsrecht ist im Bundesbaugesetz geregelt. Als Landesverband im Deutschen Mieterbund adressiert der BMV bei zahlreichen Forderungen auch die Bundesregierung, oft gemeinsam mit dem DMB und anderen Landesverbänden.
Wir fordern eine Schärfung der Regelungen in sozialen Erhaltungsgebieten (Milieuschutzgebieten). Eine Anpassung an notwendige Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand ist erforderlich, mit Blick auf die sozialen Ziele der Milieuschutzsatzungen. Wohnungsnot droht durch das massenhafte Auslaufen von Mietpreis- und Belegungsbindungen in den Sanierungsgebieten und beim sozialen Wohnungsbau vielerorts in Berlin. Mehr als 30.000 Wohnungen werden in den kommenden Jahren in den frei finanzierten Wohnungsmarkt übergehen und damit im bezahlbaren Segment überwiegend vernichtet. Die Landesregierung muss dringend politische Maßnahmen ergreifen, um die Mieter:innen zu schützen und leistbaren Wohnraum zu erhalten. Der Mieterverein fordert seit Jahren die deutliche Erweiterung des gemeinwohlorientierten Wohnungssektors. Das schließt bei entsprechender Empfehlung der Expert:innenkommission zur Vergesellschaftung auch die rechtssichere und schnelle Umsetzung eines Vergesellschaftungsgesetzes ein. Der finale Bericht der Kommission wird übrigens Ende Mai erwartet.
Ehrenamt at its best
Seit Jahren übernehmen die ehrenamtlichen Mitglieder der Bezirksaktivengruppen die wichtige Vorarbeit: Die dreiköpfige Rechnungsprüfungskommission prüft die Einnahmen und Ausgaben des Vereins und stellt den Finanzabschluss auf der Delegiertenversammlung vor. Damit wird im Anschluss die Entlastung des Vorstands zum Beschluss gebracht. Weiterhin stellte der ehrenamtliche Vorstand den Geschäftsbericht und die Mitgliederentwicklung sowie die wichtigsten politischen Meilensteine des vergangenen Geschäftsjahres vor. Die ehrenamtliche Mandatsprüfungskommission mit vier aktiven Mitgliedern stellte zu Beginn der Versammlung die Beschlussfähigkeit fest und legte den Delegierten im Verlauf der Versammlung die Anträge aus den Bezirken vor. Die Bezirksaktivengruppen können jederzeit organisations- und wohnungspolitische Anträge formulieren, von mindestens zehn Mitgliedern unterzeichnen lassen und fristgerecht bei der Mandatsprüfungskommission einreichen. Die Delegierten beschließen mit einfacher Mehrheit, Ablehnungen und Enthaltungen werden zahlenmäßig erfasst.
An dieser Stelle danken wir ganz herzlich den ehrenamtlichen Kolleg:innen für die gute Zusammenarbeit. Viele von ihnen engagieren sich seit Jahren mit uns für Berliner Mieter:innen.
Gemeinsam für eine positive Entwicklung
Der von der Delegiertenversammlung beschlossene Leitantrag bildet das Fundament für die Arbeit der hauptamtlichen Mitarbeiter:innen im Jahr 2023. Mit den beschlossenen wohnungspolitischen Leitlinien im Rücken können wir Strategien und Aktionen erarbeiten sowie konkrete Maßnahmen planen. Bereits seit mehr als 130 Jahren bewirken wir so gemeinsam mit unseren Mitgliedern positive Veränderungen für alle Mieter:innen in Berlin.
Ein Beitrag von Vera Colditz und Franziska Schulte
19.05.2023