Bald nach ihrem Einzug merken Marius, Martin und Christian, dass ihre Miete überhöht und die Wohnung kleiner ist als im Mietvertrag angegeben. Mit Unterstützung unserer Rechtsberatung gehen sie dagegen vor. Ein erstes Urteil bestätigte ihre Bedenken, doch die Freude währte nicht lange – die Eigentümerin legte Berufung ein. Ein Besuch in ihrem Zuhause.
Ende Oktober besuche ich die Wohngemeinschaft in Moabit. Schnell sitzen wir in der kleinen Altbauküche vor ihren Mietunterlagen. Die drei Freunde, zwei davon Brüder, leben in einer gemütlichen Wohnung mit Berliner Altbaucharme. Einige kleinere Renovierungen, wie neue Fliesen in der Küche, hatte der Vermieter in den letzten Jahren vorgenommen – doch insgesamt ist der Bau in einem einfachen Zustand.
„Die bevorstehende Verhandlung macht uns ein wenig Angst“, beginnt Martin. Christian stimmt zu und erwähnt, dass der leitende Richter des Berufungsverfahrens bekannt dafür ist, die Mietpreisbremse nicht anzuerkennen. Die Rede ist von Richter Michael Reinke in der 67. Kammer des Landgerichts Berlin, zuständig für den Bezirk Mitte. „Doch wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt Martin. Die Prozesskostenversicherung, die sie durch den BMV haben, gibt ihnen Rückhalt.
Die Zerwürfnisse des Berliner Wohnungsmarktes: Verzweifelte Suche, hohe Mieten
Doch von vorn. Wie viele junge Menschen in Berlin hatte die WG anfangs Schwierigkeiten, eine passende Wohnung zu finden. Nach etlichen Besichtigungen und gesenkten Erwartungen wurden sie in Moabit schließlich fündig. „Wir hatten eine richtig gute Mappe mit allem, was eine Wohnungsgesellschaft von einem will“, erinnert sich Marius.
Die Freude über das neue Zuhause war nur von kurzer Dauer. Schon bei der Unterzeichnung des Mietvertrags Anfang 2022 hatten sie ein mulmiges Gefühl. „Die Miete erschien uns viel zu hoch, aber wir wollten die Beziehung zur Hausverwaltung nicht gefährden“, sagt Marius. 1.549 Euro nettokalt zahlen sie laut Mietvertrag für 93,03 Quadratmeter – mehr als 16 Euro pro Quadratmeter für eine Altbauwohnung, die weder durch eine hochwertige Ausstattung noch eine gute Lage auffällt. Deshalb ließen sich die drei bereits kurz nach dem Einzug in die Wohnung durch den Mieterverein beraten. Das Ergebnis: Die Miete ist nach geltendem Mietspiegel rund 70 Prozent zu hoch!
Quadratmeter, die es nicht gibt
Doch dabei blieb es nicht: Martin fiel auf, dass sein Zimmer viel kleiner ist als im Mietvertrag angegeben. Er maß die gesamte Wohnung und kam auf knapp 80 statt der im Mietvertrag angegebenen 93,03 Quadratmeter. Ein professionelles Gutachten, beauftragt vom BMV, bestätigte: Die tatsächliche Wohnfläche beträgt 81,248 Quadratmeter – eine Differenz von 11,78 Quadratmetern. „Das war der endgültige Beweis für uns, dass wir über den Tisch gezogen werden“, sagt Martin.
Erster Etappensieg vor Gericht
Einige Monate nach ihrem Einzug leiteten sie Schritte ein. Die Areal Invest III Grundstücks GmbH, die Eigentümerin der Wohnung, zeigte sich unkooperativ und wies die Messergebnisse zurück. Sie behauptete zudem, die hohe Miete sei wegen umfänglicher Sanierungen gerechtfertigt. Belegen konnte sie das aber nicht.
Die Angelegenheit ließ sich nicht außergerichtlich klären. Die zuständige Richterin ordnete ein zweites Gutachten zur Vermessung an, das die Abweichung der Wohnfläche bestätigte. Auch die Berechnung der zulässigen Miethöhe fiel zugunsten der WG aus. „Die Richterin hielt an der Mietpreisbremse fest und ließ sich von der Abwehrhaltung der Eigentümerin nicht beeindrucken“, sagt Christian sichtlich erleichtert.
Ein erfolgreiches erstes Urteil
Am 10. Juli 2024 entschied das Amtsgericht Mitte zugunsten der WG. Die Areal Invest muss laut dem Urteil die zu viel gezahlte Miete und einen Teil der dadurch zu hoch angesetzten Kaution zurückzahlen sowie künftige Mietnachlässe gewähren. Insgesamt stehen den Mietern aus diesem Urteil etwa 30.000 Euro Rückzahlung zu – eine beachtliche Summe, die zeigt, wie tief sie in die eigene Tasche greifen mussten.
„Wir haben 15 Monate lang mehr als doppelt so viel Miete pro Quadratmeter gezahlt, und das zusätzlich für Quadratmeter, die es gar nicht gibt“, sagt Marius. Nach Abzug der Quadratmeter und der neu berechneten Miethöhe bleiben 705,65 Euro statt 1.549 Euro Kaltmiete pro Monat. Ihre Lebenshaltungskosten reduzieren sich dadurch drastisch.
Doch es geht weiter
„Das Urteil ist ein großer Erfolg“, sagt Christian. „Aber es bleibt ungewiss, ob das so bleibt.“ Denn die Eigentümerin legte Berufung ein, der Fall wird nun vor dem Landgericht verhandelt. Es bleibt abzuwarten, wie der Vorsitzende Richter Reinke das erstinstanzliche Urteil beurteilen wird. An der tatsächlichen Wohnungsgröße wird jedenfalls nicht mehr zu rütteln sein.
Update: Richter Reinke schlug den Streitparteien kurz nach unserem Besuch in der WG eine Miethöhe von 766,66 Euro vor, um eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen. Die Mieter der WG haben dem Vergleichsangebot nach Absprache mit ihrem Anwalt zugestimmt. Die Areal Invest hingegen lehnte ab. Am 12. November 2024 fand daraufhin ein neuer Verhandlungstermin statt, der die drei WG-Bewohner enttäuschte. Die Richterin der 67. Kammer, die stellvertretend für Richter Reinke die Sitzung leitete, ordnete ein gerichtliches Gutachten zur Ermittlung der zulässigen Miethöhe an. Das bedeutet eine weitere Verzögerung und weiterhin viel Ungewissheit für die Mieter.
Die WG hofft, dass das 1. Urteil trotzdem ein Zeichen für andere Berliner Mieter:innen setzt, die unter hohen Mietkosten leiden und sich wehren. Wir werden den Fall weiterverfolgen und berichten.
Vera Colditz hat die WG in Moabit besucht.
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14.11.2024