Unser Geschäftsführer Reiner Wild zu den Erwartungen des Berliner Mietervereins an die zukünftige neue Landesregierung in Berlin.
Was bedeutet das Wahlergebnis für die Wohnungspolitik in Berlin?
Das Ergebnis zeigt, dass die Wähler der neuen Landesregierung einen klaren Auftrag erteilt haben, für eine soziale, gerechte und ökologischere Wohnungs‐ und Stadtpolitik zu sorgen. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt. Dabei geht es sowohl um die Regulierung der Mieten als auch um ausreichend preisgünstigen Neubau. Mit der klaren Zustimmung zum Volksentscheid ist der neue Senat auch aufgefordert, große privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen in Gemeineigentum beziehungsweise gemeinwirtschaftliche Organisationen durch Vergesellschaftung umzuwandeln. Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass die Wähler im Prinzip hinter dem wohnungspolitischen Kurs des bisherigen Regierungsbündnisses stehen.
Ist auch der BMV mit der bisherigen Wohnungspolitik zufrieden?
Die aktuell noch regierende Koalition hat diverse Anstrengungen unternommen, um die Situation auf einem sehr angespannten Berliner Wohnungsmarkt für Mieter und Mieterinnen erträglicher zu machen. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Instrumente werden weitgehend genutzt. Nicht überall gab es dabei Übereinstimmung mit dem BMV. Wir sind aber überzeugt, dass da noch mehr Luft nach oben ist. Vieles geht zu langsam. Abstimmungen unter Senatsverwaltungen und mit den Bezirksämtern sind nicht lösungsorientiert genug. Umsetzungsprobleme, fehlendes Fachpersonal und massive Auseinandersetzungen mit Investoren und Immobilieneignern machen es aber auch nicht leicht. So bleibt manches Schwert, wie zum Beispiel das Verbot der Zweckentfremdung, immer noch recht stumpf. Wir erkennen aber an, dass dem Senat bei der Schaffung neuen preisgünstigen Wohnraums Grenzen gesetzt sind. Hier müssen die Rahmenbedingungen geändert werden, denn die Bodenpolitik ist Sache des Bundes. Wir brauchen eine neue Weichenstellung. Ob das mit der Ampel im Bund gelingt, ist aber fraglich. Berlin muss jetzt rasch die Neuerungen aus dem verbesserten Baugesetzbuch nutzen.
Was erwarten Sie vom künftigen Senat?
Wir geben die Hoffnung auf eine bessere Mietenregulierung nicht auf. Nach dem Mietendeckel-Aus sind gerade die Wohnungssuchenden wieder besonders schlecht dran. Vermieter verlangen oft absurde Summen. Jedes Jahr verliert Berlin bei Wiedervermietung mehrere zehntausend preisgünstige Mieten. Nun muss der Bund die Grundlagen für eine neue Mietpreisregulierung schaffen. Berlin sollte sich vehement – auch mit anderen Großstädten – beim Bund für eine Öffnungsklausel im BGB zugunsten der Länder einsetzen, mit der die Möglichkeit für wirksamere Regulierungen übertragen wird. Wir erwarten vom Senat und den Bezirken zudem mehr Mut, sich für mehr Gemeinwohl und mehr Sozialen Wohnungsbau stark zu machen. Die Bezirke brauchen die Unterstützung der Landesregierung, um sektorale Bebauungspläne extensiv anzuwenden, über die bis zu 100 Prozent geförderter Wohnraum errichtet werden kann. Die dafür notwendige Rechtsverordnung muss jetzt rasch erlassen werden.
Gibt es noch weitere Baustellen?
Ja, wir sehen auch in anderen Bereichen enormen Handlungsbedarf. Es ist den Mietern und Mieterinnen nahezu unmöglich, bei der Durchsetzung von Mängelbeseitigungen von der Wohnungsaufsicht staatliche Unterstützung zu erhalten. Diesbezügliche Anfragen bei den Bau- und Wohnungsaufsichtsämtern verlaufen im Sande. Und es gibt weiterhin zu viele Abrisse in Berlin, was gleichbedeutend ist mit der Vernichtung preisgünstigen Wohnraums. Hier muss die Landesregierung noch entschlossener handeln, zum Beispiel wenn es um preisgünstige Ersatzwohnungen geht. Dabei ist jede Vernichtung von Wohnraum nicht nur eine Belastung für den Markt, sondern auch für die Umwelt. Uns als Berliner Mieterverein ist es wichtig, dass Wohnraum erhalten bleibt, denn bei der Errichtung eines Neubaus wird eine große Menge an CO₂ freigesetzt.
Bei welchem Regierungsbündnis sehen Sie die besten Chancen für eine mieterfreundliche Wohnungspolitik?
Es ist vollkommen klar, dass es mit CDU und FDP keine mieterfreundliche Wohnungspolitik geben wird. So viel kann man aus den Programmen herauslesen. Sie setzen weitestgehend auf das Engagement privater Investoren. An moderaten Mietpreisen haben die aber kein Interesse. Als Beispiel seien die Pläne der FDP genannt, Milieuschutz, Mietpreisbremse und sozialen Wohnungsbau abzuschaffen. Unsere Hoffnung liegt also auf den Parteien des bisherigen Regierungsbündnisses, wenn sie den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und sich der großen Aufgabe stellen, für mehr klimaneutrale Gebäude mit sozialer Absicherung in dieser Stadt zu sorgen. Der BMV ist bereit, an dieser schwierigen Aufgabe mitzuwirken.
15.10.2021