Das Problem der Eigenbedarfskündigungen verschärft sich in Berlin seit Jahren. Deshalb rufen Aktivist:innen zu einer stärkeren Vernetzung der Betroffenen und der Initiativen in den Kiezen auf. Am 18. November 2023 lädt das Bündnis gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn engagierte Mieter:innen und Initiativen zu Austausch und Wissensvermittlung ein. Wir sprachen mit einer der Initiator:innen.
Liebe Coni, du bist mietenpolitische Aktivistin und auch im Mietenwahnsinn-Bündnis, im Netzwerk #200Häuser und bei der Initiative GloReiche Nachbarschaft aktiv. Wie kamt ihr auf die Idee für die Veranstaltung und was wollt ihr erreichen?
Vor ein paar Monaten hat sich meine Nachbarschaftsinitiative GloReiche mit weiteren Initiativen zusammengesetzt, weil wir von immer mehr Eigenbedarfskündigungen in unserem Kiez hörten. In dieser Runde entstand die Idee, dem Thema noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wir selbst haben erst vor Kurzem eine Eigenbedarfskündigung begleitet. Dabei wurde uns bewusst, wie wichtig es ist, dass Initiativen und Arbeitsgruppen wie Eigenbedarf kennt keine Kündigung (kurz: E3K) ihr Wissen bündeln und teilen. Gleichzeitig wollen wir aber auch Personen entlasten, die Betroffene unterstützen.
Wie groß ist das Problem?
Eigenbedarfskündigungen betreffen Mieterinnen und Mieter in ganz Berlin. Ein Amtsrichter sagte uns, er bearbeite inzwischen nur noch Räumungsklagen wegen Eigenbedarfs. Das ist aus meiner Sicht ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nach einer schnellstmöglichen Lösung ruft. Denn eigentlich sieht das Mietrecht vor, dass Menschen unbefristet in ihren Wohnungen leben können. Eigenbedarfskündigungen hebeln dieses Recht aus. Darum richtet sich die Veranstaltung an Betroffene, an Mieterinnen und Mieter, an Initiativen und an alle Personen, die solidarisch unterstützen möchten.
Wer sind die Initiator:innen und was passiert auf der Veranstaltung?
Unter dem Dach des Bündnisses #Mietenwahnsinn arbeiten aktuell folgende Bündnisse und Initiativen aktiv an den Inhalten und der Umsetzung dieser Veranstaltung: das Netzwerk #200Häuser, das Bündnis Zwangsräumung verhindern, E3K, das Kieztreffen Pankow, die Kiezversammlung 44 (KV44), die Initiative Leerstand Hab ich saath, die Stadtteilinitiative Wem gehört Kreuzberg, die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen und das Netzwerk GloReiche Nachbarschaft.
Unser Motto ist „Für Mieter:innen von Mieter:innen“. Nach einer kurzen Einführung wollen wir uns an verschiedenen Themen-Tischen austauschen und informieren. Es geht zum Beispiel um die Frage, was bei der Umwandlung einer Wohnung in Einzeleigentum passiert oder wie man herausfindet, wem das Haus oder die Wohnung gehört. Die Wohnungsbesichtigung, der Ablauf einer Eigenbedarfskündigung, die solidarische Prozessbegleitung und der Umgang mit Zwangsräumungen sind weitere Themen, die uns beschäftigen werden. Wir haben auch den Bereich Gesundheit aufgenommen, weil eine Eigenbedarfskündigung eine große Belastung ist, zu einer existentiellen Krise und gesundheitlichen Problemen führen kann. Darüber hinaus werden mietenpolitische Initiativen vor Ort sein und sich wie an einem Messestand präsentieren – übrigens auch der Berliner Mieterverein.
Wie geht es nach der Veranstaltung weiter?
Im besten Fall haben wir unser Wissen und unsere Erfahrung in viele Kreise weiterverbreitet und erreicht, dass sich Betroffene gegen Verdrängung wehren und dass sie Unterstützung von verschiedenen Seiten erfahren. Gemeinsam gegen Eigenbedarfskündigungen vorgehen können nämlich nicht nur mietenpolitische Initiativen, sondern alle Menschen, die sich für ihren Kiez und ihre Nachbarschaft einsetzen wollen.
Hast du zum Abschluss eine Geschichte, die zeigt, dass gemeinschaftliches Handeln den Betroffenen tatsächlich helfen kann?
Nicht nur eine – viele! Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Gerichtsverfahren wegen Eigenbedarfskündigungen, die Initiativen begleitet haben, in der Regel zugunsten der Mieterinnen und Mieter ausgingen. Sie konnten in ihrer Wohnung bleiben. Es lohnt sich also, gegen Eigenbedarfskündigungen vorzugehen und um die Wohnung zu kämpfen!
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Vera Colditz
Weiterführende Informationen
Vermieter:innen dürfen nur in bestimmten Fällen eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Es lohnt sich daher immer, die Gründe zu hinterfragen.
Unsere Checkliste gibt eine erste Übersicht rund um das Thema Eigenbedarfskündigungen. Betroffene sollten nach Erhalt einer solchen Kündigung dennoch so schnell wie möglich auch eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen.
19.10.2023