Während die Mieten steigen und bezahlbarer Wohnraum schwindet, fragen sich immer mehr junge Menschen, wie sie in Berlin noch ein Zuhause finden sollen. Die aktuellen Shell- und SINUS-Jugendstudien zeigen, dass viele gezwungen sind, bei ihren Familien zu bleiben. Beim Jugendwohnkongress des Landesjugendrings Berlin im Frühjahr 2024 formulierten junge Menschen 15 konkrete Forderungen für eine gerechte Wohnungspolitik.
Für viele junge Menschen ist das Elternhaus der Rückzugsort in einer zunehmend unsicheren Wohnsituation. Laut Shell-Jugendstudie 2024 leben 71 Prozent der 12- bis 25-Jährigen noch bei ihren Eltern. Besonders Studierende sind betroffen. Sie wohnen heute deutlich häufiger bei den Eltern (47 Prozent) als noch vor zwei Jahrzehnten (31 Prozent). Junge Erwachsene zwischen 22 und 25 Jahren bleiben vor allem dann im Elternhaus, wenn sie in keiner Partnerschaft leben, die eine finanzielle Entlastung bringt. Hohe Wohnkosten sind nicht gerade geeignet, den Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu fördern. Die Unbezahlbarkeit alternativer Wohnmöglichkeiten drängt die jungen Menschen zurück in die Familie, auch wenn sie den Schritt in die Eigenständigkeit wagen möchten.
Wertewandel: Gemeinschaft und Sicherheit statt Luxus
Die SINUS-Jugendstudie 2024 zeigt, dass viele junge Menschen an klassischen Werten wie dem Bedürfnis nach Stabilität und Geborgenheit festhalten. Eine Antwort auf die desolate Situation? Angesichts steigender Wohnkosten und unsicherer Zukunftsaussichten sehnen sie sich nach einem sicheren Zuhause. Erfreulicherweise verzeichnet die Studie keinen Rechtsruck unter Jugendlichen. Vielmehr fürchten sie zunehmende Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit mehr als Zuwanderung. Räume für Begegnungen und nachhaltig gestaltete Wohnmöglichkeiten stehen bei jungen Menschen hoch im Kurs, weil sie so Zugehörigkeit und Verantwortung verbinden können.
15 Forderungen an die Politik: Faire Chancen auf dem Wohnungsmarkt
Die Teilnehmenden des Jugendwohnkongresses des Berliner Jugendring Berlin formulierten im Mai 2024 klare Forderungen an die Politik. Unter dem Motto „Wir wählen euch – ihr setzt um!“ drängen sie auf grundlegende Veränderungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Der Ruf nach erschwinglichen Mieten und einem wirksamen Mietendeckel ist dabei zentral. Leerstand und spekulative Immobilienprojekte empfinden sie als Belastung für die Stadt und fordern eine klare Priorisierung von bezahlbarem Wohnraum. Auch Räume und Flächen zur gemeinschaftlichen Nutzung stehen auf ihrer Liste.
Schutz vor Diskriminierung und transparente Mieterrechte
Ein großes Anliegen der Jugendlichen ist der Schutz vor Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Dafür schlagen sie ein anonymisiertes und zentrales staatliches Wohnungsportal vor, das Bewerbungen ohne Namen und ohne Foto ermöglicht. Zudem fordern sie mehr Transparenz bei Mieter:innenrechten und -pflichten. Ein obligatorischer Aushang in Hausfluren soll sicherstellen, dass alle Mietenden ihre Rechte kennen und sich so gegen ungerechtfertigte Maßnahmen wehren können.
Nachhaltige Perspektiven und faire Wohnchancen für junge Menschen
Für die Jugendlichen steht fest: Wohnen ist kein Luxusgut, sondern muss sicher und bezahlbar sein. Sie wünschen sich mehr als nur funktionale Wohnräume – sie wollen eine Zukunft, in der Berlin ihnen soziale und nachhaltige Wohnmöglichkeiten bietet, Leerstand konsequent bekämpft und Gemeinschaft gefördert wird. Wohnen ist für sie nicht nur eine Frage des Geldes, sondern der sozialen Teilhabe und Lebensqualität.
Appell an die Politik: Die Forderungen junger Menschen ernst nehmen
Die Jugendlichen übergaben ihre 15 Forderungen an Jugendstaatssekretär Falko Liecke – verbunden mit einem Appell, endlich verbindliche Maßnahmen umzusetzen. Gerade angesichts des Wahlalters ab 16 ist es den Jugendlichen wichtig, dass ihre Anliegen und Bedürfnisse ernst genommen werden. Ihre Botschaft ist klar: Der Berliner Wohnungsmarkt braucht echte Veränderungen, damit junge Menschen hier ein Zuhause finden – ohne Angst vor unerschwinglichen Mieten und Diskriminierung.
Doch wird die Politik handeln?
Ob ihre Anliegen langfristig Gehör finden, bleibt offen. Eine wachsende Zahl von Jugendlichen fühlt sich von der Politik übersehen. Die Forderung nach bezahlbarem und gerechtem Wohnen ist eine klare Botschaft an die Politik, diese ernst zu nehmen – die nächste Wahl steht bevor und junge Menschen werden genau hinschauen, ob ihre Sorgen und Wünsche beachtet werden.
Um zu verhindern, dass soziale Ungleichheiten doch noch zu einem politischen Rechtsruck führen, muss die Politik auf die Bedürfnisse der Jugend eingehen. Ein fairer Wohnungsmarkt schützt nicht nur vor Diskriminierung und sozialer Spaltung, sondern stärkt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Junge Menschen wollen Verantwortung übernehmen und ein solidarisches Miteinander gestalten. Dafür benötigen sie Unterstützung und ein Umfeld, das diese Werte fördert.
vc
14.11.2024