Viele Mieter:innen in Berlin fragen sich, wie sie Solarstrom vom eigenen Dach nutzen können. Die Lösung heißt: Mieterstrom. Der Berliner Senat unterstützt solche Projekte.
Um unser Klima zu schützen und uns unabhängig(er) von fossilen Energiequellen zu machen, brauchen wir erneuerbare Energien. Für Berlin bedeutet das: Solaranlagen auf den Dächern und Windräder vor den Toren der Stadt. Erklärtes Ziel des Berliner Senats ist es, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden und dafür mindestens 25 Prozent des Berliner Stroms aus Solarenergie zu erzeugen. Dazu hat der Senat im März 2020 den Masterplan Solarcity beschlossen. Doch wie soll der Plan gelingen in einer Stadt, wo nur wenige ein Eigenheim besitzen und die große Mehrheit der Bewohner:innen Mieter:innen sind und nicht darüber entscheiden, was auf dem Dach passiert? Die Lösung könnte heißen: Mieterstrom – doch ganz so einfach ist es nicht.
Was ist der Masterplan Solarcity?
Der Masterplan Solarcity ist das zentrale Instrument des Berliner Senats, um den solaren Ausbau in der Stadt zu beschleunigen. Der Plan sieht dafür verschiedene Maßnahmen vor, deren Umsetzung bereits 2019 begonnen wurden. Am Ende sollen Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) mit einer Spitzenleistung von 4.400 Megawatt auf Berlins Dächern installiert sein. Zum Vergleich: Ende 2020 waren in Berlin PV-Anlagen mit insgesamt gerade einmal 128,3 Megawatt Leistung installiert. Wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe zu der Auffassung gelangt, dass der Zielpfad des Masterplans Solarcity damit erreicht wird, vermag sich nicht zu erschließen.
Ein Teil des Masterplans ist das Förderprogramm EnergiespeicherPLUS für alle Berliner:innen. Mit dem Programm konnten bis September 2021 bereits 9,4 Megawatt Solarleistung gebaut werden. Wegen der hohen Nachfrage hat Berlin das Förderprogramm bis Ende 2022 verlängert.
Ein weiterer Teil des Plans ist das Solargesetz, das Berlin im März 2021 beschlossen hat. Mit ihm kommt ab dem 1. Januar 2023 die Solarpflicht für alle Neubauten und auch für Bestandsgebäude, bei denen das Dach wesentlich umgebaut wird. Unter einem wesentlichen Umbau versteht der Gesetzgeber Änderungen an der Dachfläche, „bei der die wasserführende Schicht durch Dachausbau, Dachaufstockung oder grundständige Dachsanierung erheblich erneuert wird“. Ein Praxisleitfaden zum Solargesetz, der zeitnah veröffentlicht werden soll, soll konkrete Anwendungsfälle nennen.
Eine weitere Maßnahme im Masterplan ist es, Mieter:innen bei der Initiierung von Mieterstromanlagen zu unterstützen. Hierfür sollen zielgruppenspezifische Materialien bereitgestellt und eine entsprechende Beratung angeboten werden.
Was ist Mieterstrom?
Mieterstrom ist eigentlich Vermieterstrom, denn er wird vom Gebäudeeigentümer oder einem Dachpächter zur Verfügung gestellt. Als Mieterstrom wird der Strom deshalb bezeichnet, weil er von Solaranlagen auf dem Dach eines Wohngebäudes erzeugt und von dort direkt an die Bewohner:innen in diesem Gebäude oder im selben Quartier geliefert und von ihnen verbraucht wird. Direkt bedeutet das, dass der Strom dazu nicht durch das Netz der allgemeinen Versorgung geleitet wird. Strom aus anderen erneuerbaren Energiequellen (beispielsweise Strom aus Windkraft) fällt nicht unter den Mieterstrom.
Der Staat fördert Mieterstrom, weil nicht nur Eigenheimbesitzer:innen die Möglichkeit haben sollen, von Strom aus Solaranlagen auf dem Dach zu profitieren. Wenn Vermieter:innen oder durch sie Berechtigte eine Solaranlage auf dem Dach installieren, können sie den so erzeugten Strom an ihre Mieter:innen liefern.
Einerseits entscheiden zwar die Vermieter:innen darüber, was auf dem Dach installiert wird. Andererseits haben die Mieter:innen aber großen Einfluss darauf, ob die Anlage auf dem Dach auch wirtschaftlich zu betreiben ist – und dann auch realisiert wird. Denn dafür kommt es darauf an, wie viele Haushalte in einem Gebäude den Solarstrom vom Dach wirklich nutzen. Es kann nämlich niemand dazu gezwungen werden, auch eine Kopplung im Mietvertrag ist nicht gestattet.
Zu wenig Interesse am Mieterstrom
Tatsächlich ist die Beteiligung der Mieter:innen an Mieterstromprojekten in Berlin mit im Schnitt 30 Prozent relativ gering. Die Beteiligungsquote der Bewohner:innen unterscheidet sich jedoch von Projekt zu Projekt ganz erheblich. Das zeigte das MieterstromPlus genannte gemeinsame Forschungsprojekt der Ökonomin Prof. Dr. Andrea Rumler von der HWR Berlin und des Energieexperten Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning von der HTW Berlin, bei dem wir Projektpartner sind. Neben der zu geringen Nachfrage der Mieter:innen nach klimaneutralem Strom vom eigenen Dach scheitere die Realisierung von Mieterstromprojekten oft an den sehr komplexen Vorgaben und den von der Politik gesetzten schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, schreiben die Forscher:innen.
Um Mieterstrom nutzen zu können, ist ein Stromvertrag notwendig, der die Belieferung mit Sonnenstrom vom Dach und Reststrom aus dem Netz sicherstellt. Es gelten spezielle Tarifbedingungen, die für die Haushalte Vorteile mit sich bringen. Anlagenbetreiber kann der oder die Vermieter:in, aber auch ein spezieller Mieterstromdienstleister – wie zum Beispiel die Berliner Stadtwerke – sein. Für den lokal produzierten Mieterstrom fallen keine Netzentgelte an. Daher kann er im Verhältnis zum normalen Grundstromvertrag kostengünstiger an die Bewohner:innen abgegeben werden.
Das Forschungsprojekt MieterstromPlus hat gezeigt, dass der günstige Preis (72 Prozent) tatsächlich das zweitwichtigste Kriterium bei der Entscheidung für Mieterstrom nach Nachhaltigkeit und Umweltschutz (94 Prozent) und vor der verbrauchsnahen Erzeugung (71 Prozent), wie eine Auswertung von MieterstromPlus ergab. Auch der geringe Wechselaufwand (55 Prozent) und die gute Kommunikation des Mieterstromanbieters (54 Prozent) spielten eine wichtige Rolle. Die wichtigsten Kriterien bei der Entscheidung gegen Mieterstrom: Bei Abschluss des Mietvertrages gab es noch keine Solaranlage (46 Prozent), günstigerer Preis bei anderem Anbieter (42 Prozent), (Wechsel-)Aufwand (25 Prozent) oder keine Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen (25 Prozent).
Der Strom fließt in jedem Fall
Überschüssig erzeugter Strom, der nicht im Wohnhaus verbraucht wird, kann der Mieterstromanbieter ins Netz einspeisen. Umgekehrt liefert dieser auch zusätzlich benötigten Strom, der nicht durch die Solaranlage erzeugt werden kann. Der Mieterstromlieferant übernimmt grundsätzlich die volle Verantwortung für die gesamte Stromlieferung mit den entsprechenden gesetzlichen Rechten und Pflichten.
Gefördert wird der Mieterstrom über den Mieterstromzuschlag. Das ist eine spezielle Förderung für Strom aus Solaranlagen, die 2017 eingeführt wurde. Den Mieterstromzuschlag erhält der Anlagenbetreiber oder gegebenenfalls der Dienstleister. Die Höhe des Mieterstromzuschlags wurde im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 neu festgelegt. Im Januar 2021 lag er für neue Anlagen bis 10 kW bei 3,79 ct/kWh, bis 40 kW bei 3,52 ct/kWh und bis 100 kW bei 2,37 ct/kWh. Der Mieterstromzuschlag soll dem Anbieter helfen, günstige Tarife anzubieten und damit natürlich auch wettbewerbsfähig zu sein. Geförderter Mieterstrom muss deshalb mindestens zehn Prozent günstiger sein als die Grundversorgung vor Ort.
Zwar haben die Änderungen des EEG im Jahr 2021 bereits kleine Verbesserungen gebracht, etwa die Erhöhung des Mieterstromzuschlags, der nun auch von externen Dienstleistungsunternehmen in Anspruch genommen werden darf. Zudem wurde das Stromnutzungskonzept auf die Quartiersebene ausgeweitet. Dennoch kritisieren die Berliner Forscher:innen Andrea Rumler und Volker Quaschning: „Leider lassen die Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Projekte jedoch oft am Rande der Wirtschaftlichkeit operieren und setzen somit wenig finanziellen Anreiz für die breite Umsetzung des Konzepts.“ Auch Mieterstromprojekte müssen die volle EEG-Umlage zahlen. „Dies kann in Kombination mit einer niedrigen Einspeisevergütung für den nicht vor Ort verbrauchten Solarstrom die Wirtschaftlichkeit von Mieterstromprojekten gefährden.“ Die geplante Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Januar 2023 begrüßen die Forscher:innen daher. Aber sie meinen: „Um die Ziele des Berliner Masterplans Solarcity zu erreichen, ist eine umfassende Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anreizsysteme nötig.“
Das SolarZentrum Berlin bietet für Berliner Immobilien eine Beratung zu allen Fragen rund um Solaranlagen und die Nutzung von Solarenergie an. Dazu gehören Fragen zu Photovoltaik, Solarthermie, Wärmepumpen und Mieterstrommodellen – egal, ob Sie Gebäudeeigentümer:in oder Mieter:in sind. Die Basisberatung ist kostenlos. Besuche sind nur nach telefonischer Anmeldung möglich.
Adresse: SolarZentrum Berlin im Effizienzhaus Plus, Fasanenstraße 87a, 10623 Berlin
Telefon: 030 22666300
E-Mail: info@solarzentrum.berlin
Weiterführende Links:
- Das Berliner Solarpotenzial
https://solar.htw-berlin.de/wp-content/uploads/HTW-Studie-Das-Berliner-Solarpotenzial.pdf - Forschungsprojekt MieterstromPlus
https://solar.htw-berlin.de/forschungsgruppe/mieterstromplus/ - Mieterstrom-Potenzialkarte Berlin
https://solar.htw-berlin.de/forschungsgruppe/mieterstromplus/mieterstrom-potenzialkarte/ - Scientist for Future Podcast: Solarstrom für alle
https://s4f-podcast.de/2022/02/folge-21-solarstrom-fuer-alle/
30.04.2024