Neben der Vergesellschaftung großer privatwirtschaftlicher Wohnungsunternehmen, bekräftigt durch den eindrucksvoll gewonnenen Volksentscheid vom September 2021, sorgt ein weiterer Vorschlag für Aufregung. Der Wirtschaftsrechtler Professor Dr. Stefan Klinski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin regt an, kapitalmarktgetriebene Unternehmen per Landesgesetz vom Berliner Wohnungsmarkt auszuschließen. In einem 50-seitigen Gutachten hat er die rechtlichen Voraussetzungen geprüft. Was steckt hinter seinem Vorschlag und in welchem Verhältnis steht dieser zum Vorhaben der Vergesellschaftung?
Der lange Schatten der Finanzmärkte
Hintergrund des Vorschlags von Stefan Klinski ist die immer stärkere Finanzialisierung des Wohnens. Mehr oder weniger schleichend sind unsere gesamten Lebensverhältnisse in den vergangenen 20 Jahren zunehmend in die Abhängigkeit der Finanzmärkte geraten. Die Finanzinstrumente des Kapitalmarkts wirken sich mittlerweile in vielen Bereichen des Grundbedarfs auf die Lebensbedingungen der Menschen aus – eben auch auf die elementare Frage des Wohnens. Ob Konsumentenkredite, Hypotheken oder die private Altersvorsorge: Städtische Immobilien werden zunehmend in die Erweiterung vorhandenen Kapitals einbezogen, immobilienbezogene Wertpapiere sind Teil der Vermögensportfolios privater wie institutioneller Kapitalanlagen. Dadurch übertragen sich auch die Risiken und der Druck der Finanzmärkte auf den Wohnungsmarkt. Besonders deutlich wird das bei börsennotierten Unternehmen. Ein aktuelles Beispiel ist der Mieterhöhungsdrang der Vonovia infolge des sinkenden Aktienkurses und Börsenwertes bei gleichzeitigem Zinsanstieg.
Dass die Ausreizung der Mieterhöhungsmöglichkeiten zum Geschäftsmodell kapitalmarktgetriebener Wohnungsunternehmen gehört, macht auch eine aktuelle Studie des Center for Real Estate Studies (CRES) deutlich. Sie vergleicht renditeorientierte Wohnungsunternehmen mit gemeinwirtschaftlichen Unternehmen. Das Ergebnis: Die renditeorientierten Anbieter steigerten ihre Mieterträge innerhalb von elf Jahren um 37 Prozent, während die Erhöhung bei gemeinwirtschaftlichen Anbietern „nur“ 20 bis 26 Prozent betrug.
Klinskis Ansatz: Bestimmte Marktteilnehmer gesetzlich ausschließen
Vor diesem Hintergrund setzt der Wirtschaftsrechtler auf eine Regulierung des Zugangs zum Wohnungsmarkt, die sich am Geschäftsmodell orientiert: Vermieten darf per Genehmigung, wer bezahlbaren Wohnraum anbietet beziehungsweise schafft. Renditeorientierte Unternehmen, die die Preise hochtreiben, sollen per Gesetz ausgeschlossen werden. Als Kriterien für einen Ausschluss zieht Klinski das Geschäftsmodell beziehungsweise die Geschäftspraktiken heran sowie die erforderliche Zuverlässigkeit der Einhaltung einer sozialverträglichen Ordnung auf dem Wohnungsmarkt. Damit adressiert er börsennotierte Anbieter, aber auch kleinere Eigentümerstrukturen wie Hedgefonds und offene Immobilienfonds sowie Unternehmen, die Gewinne in Steueroasen verlagern. Konkret würde das bedeuten, dass die infrage kommenden Unternehmen ab einem Stichtag keine Wohnungen mehr erwerben dürften und ihre Wohnungsbestände innerhalb gesetzlich geregelter Fristen verkaufen müssten.
Die große Frage, die viele mit Blick auf den gescheiterten Mietendeckel umtreibt: Ist ein solcher Eingriff rechtlich möglich? Ja, sagt der Wirtschaftsrechtler. Stefan Klinski ist nach intensiver Prüfung in seiner Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Ausschluss kapitalmarktgetriebener Wohnungsanbieter in Berlin per Landesgesetz möglich ist. Wie er in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, habe der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz für die Ordnung des Wohnungsmarktes keinen Gebrauch gemacht. Das Land Berlin könne daher diese Lücke schließen und eigene Regelungen erlassen, denn das Wohnungswesen liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Länder. Der Wirtschaftswissenschaftler hat weder verfassungsrechtliche noch EU-rechtliche Bedenken, bestimmte Unternehmen vom Wohnungsmarkt auszuschließen. Auch in anderen Branchen gibt es bereits Marktbeschränkungen. Klinski führt hier den Telekommunikations- und den Taximarkt an. Warum, so seine Überlegung, sollte dies nicht auch in einem so wichtigen Bereich wie dem des Wohnens möglich sein?
Wie ist das Verhältnis zur per Volksentscheid befürworteten Vergesellschaftung?
Anders als der Vorschlag zur Marktregulierung per Zugangsbeschränkung richtet sich die Vergesellschaftung im Vorschlag der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen” an der Größe der privatwirtschaftlichen Unternehmen aus. Professor Klinski hingegen hält aus wirtschaftsrechtlicher Perspektive das Geschäftsmodell für vorrangig. Damit nimmt er auch Anbieter mit weniger als 3.000 Wohnungen im Bestand in den Blick. Aus der Beratungspraxis und der Mietenbewegung wissen wir, dass zahlreiche kleinere Vermieter:innen teilweise mit aggressiven Methoden gegen ihre Mieter:innen vorgehen. Zwar ist hier die machtpolitische Komponente nicht derart ausschlaggebend, wie bei den großen Wohnungskonzernen, der Einfluss auf die Lebensbedingungen von Mieter:innen durch das profitorientierte Geschäftsgebaren ist jedoch ebenfalls enorm.
Juristisch gesehen ist die Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes möglich. Das konkrete Berliner Vergesellschaftungsgesetz muss auch verfassungs- und EU-rechtlich zulässig sein. Aus diesem Grund hat die Berliner Landesregierung eine Expert:innenkommission eingesetzt, die diesen Fragestellungen nachgehen soll.
Die Vergesellschaftung geht mit Entschädigungsleistungen an die entsprechenden Unternehmen einher. Diese können aus unserer Sicht und der einiger Expert:innen deutlich unter dem Verkehrswert liegen und müssten nach der Idee der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ nicht aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Eine solche Entschädigungsleistung entfällt im Vorschlag von Professor Klinski, weil dieser zunächst nur die Erweiterung des Bestandes und weiterhin die Marktteilhabe reglementiert. In welcher Zeit die Bestände verkauft werden müssten, muss gesetzlich geregelt werden. In diesem Zusammenhang würden vermutlich auch staatliche Auffanggesellschaften ins Spiel kommen, ähnlich der Anstalt öffentlichen Rechts (AöR), wie sie zur Bewirtschaftung der vergesellschafteten Wohnungen angestrebt wird. Allerdings bleibt unklar, ob die öffentliche Hand oder gemeinnützige Akteure die zu verkaufenden Bestände vorrangig erwerben können und wenn ja, zu welchem Preis. Die Verkaufspreise würden zwar vermutlich sinken – vor der Kulisse großflächiger Veräußerungen innerhalb weniger Jahre – dennoch geht es sicher auch bei diesem Vorschlag um erhebliche finanzielle Mittel, die aufzubringen sind. Schwierig dürfte vor allem die Kriterienbestimmung für den Ausschluss von Unternehmen werden zugunsten einer sozialverträglichen Ordnung auf dem Wohnungsmarkt. Eine Datenerhebung für „unseriöses“ Verhalten ist aufgrund des noch nicht geschaffenen Immobilienregisters sowie eines bislang wenig effizienten Transparenzregisters als höchst aufwendig einzuschätzen. Ebenso fraglich ist beim Vergesellschaftungsgesetz allerdings, ob die Zielgröße von Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohneinheiten rechtlich Bestand haben kann.
Unser vorläufiges Fazit
Sowohl der Vergesellschaftungsansatz als auch der Klinski-Vorschlag zum Marktausschluss bestimmter Akteure verfolgen das Ziel, das Gemeinwohlangebot auf dem Berliner Wohnungsmarkt deutlich zu erhöhen. Beide Vorhaben könnten politische Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit korrigieren. In der ersten öffentlichen Anhörung der Expert:innenkommission für ein Vergesellschaftungsgesetz am 9. Juni 2022 ist erneut deutlich geworden, dass nicht nur die großen börsennotierten Wohnungsunternehmen die Probleme der Berliner Wohnungswirtschaft anheizen. Auch zahlreiche weitere Immobilienanleger:innen, die mit ihren Beständen unter der Zielgröße von 3.000 Wohneinheiten wirtschaften, unterwandern eine sozialverträgliche Vermietungspraxis und Wohnraumbewirtschaftung. Auch sie tragen zu Mietenwahnsinn und Verdrängung bei. Wir unterstützen daher beide Ansätze uneingeschränkt. Sie sollten sich nicht ausschließen, sondern ergänzen. Wir brauchen jetzt dringend die von der Ampelkoalition versprochene Neue Wohngemeinnützigkeit, um die Bestände aus Vergesellschaftung und Marktzugangsbeschränkungen dauerhaft zu sichern.
Sie wollen mitdiskutieren? Dann schicken Sie uns Ihren Beitrag hier
15.06.2022