Im Mai 2023 hat das Architekturbüro Baumschlager Eberle die Ausschreibung für Signas Umbauvorhaben am Leopoldplatz im Wedding gewonnen. Noch bis zum 30. November läuft die Bürgerbeteiligung für das Bebauungsplanverfahren. Wir haben eine Informationsveranstaltung zum aktuellen Stand besucht.
Am 24. Oktober luden die Eigentümerin Signa Real Estate, die Architekt:innen des Ausschreibungsgewinners Baumschlager Eberle sowie Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD) erneut in das Restaurant der noch bestehenden Karstadt-Filiale am Leopoldplatz ein, um den aktuellen Stand der Umbaupläne und die nächsten Schritte der Planungsphase zu erläutern. Im vergangenen Dezember haben wir bereits von der Beteiligungswerkstatt vor Ausschreibungsbeginn berichtet. Der städtebaulich-architektonische Wettbewerb ist mittlerweile beendet, die Fachjury kürte Anfang Mai den Entwurf des Architekturbüros Baumschlager Eberle zum Gewinner. In der Zwischenzeit haben fast alle Mitarbeiter:innen des Kaufhauses die Kündigung erhalten, der Vertrag mit Galeria Karstadt Kaufhof läuft Ende Januar 2024 aus.
Konsumflächen, Büroräume, „Gemeinwohl-Areale“ und rund 80 Mietwohnungen in Planung
Der Plan „Ein Haus für Alle“ des Architekturbüros sieht einen großen, renovierten Gebäudekomplex mit verschiedenen Nutzungen auf insgesamt 20.000 Quadratmetern vor, darunter wieder ein Kaufhaus, Büroräume und eine „konsumorientierte Dachterrasse für alle“. Zusätzlich haben Signa, die Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (B90/Grüne) und Ephraim Gothe eine Absichtserklärung für 2.000 Quadratmeter „gemeinwohlorientierte Flächen“ unterzeichnet, die verschiedenen Vereinen und kulturellen Träger:innen zur Verfügung stehen sollen. Ein Zehntel der Gesamtfläche können gemeinwohlorientiert genutzt werden – der Begriff lässt offen, wer genau die Nutznießer:innen des Konzepts sein werden. In den kommenden Monaten sollen Bedarfsabfragen laufen – wer gefragt wird und wie diese Bedarfsabfragen konkret stattfinden, bleibt ebenfalls offen. Der Bezirk habe die besondere Lage vor Augen, betonte Remlinger. Als Vorbild diene das Haus der Statistik, für dessen Areal ähnliche Aufgaben zu bewältigen, aber schon weiter vorangeschritten seien.
Auch der dramatischen Wohnungsmarktsituation sei sich der Bezirk bewusst. Ephraim Gothe zeigte sich daher erfreut, dass immerhin 80 Mietwohnungen auf dem Areal entstehen sollen, davon 40 Prozent als Sozialwohnungen im Förderrahmen des sozialen Wohnungsbaus. Auf die Frage, wer diese bewirtschaften wird, gibt es bislang keine konkreten Antworten. Die Vermutung liegt nahe, dass sie in der Hand der Versicherungskammer Bayern bleiben, Signas Joint-Venture-Partner in diesem Projekt und Eigentümerin des Grundstücks.
Schließung ab Ende Januar, Zwischennutzung fraglich
Fest steht: Anfang 2024 wird das seit den 1970er Jahren bestehende Kaufhaus die Türen für immer schließen, der Umbau aber frühestens Ende 2024 beginnen. Die Fertigstellung ist für 2027 angesetzt. Was bis zum Beginn des Umbaus mit dem Gebäude geschehen wird, konnte weder die Eigentümerin noch der Bezirksstadtrat beantworten. Das Architekturbüro Baumschlager Eberle verwies vor dem Hintergrund des energetisch desolaten Gebäudezustands auf die Notwendigkeit von Gutachten, die erst nach der Schließung des Kaufhauses erstellt werden könnten. Es bleibt unklar, ob dies einen Leerstand von mindestens einem Jahr rechtfertigen kann. Die Anwohner:innen befürchten, dass das verlassene Gebäude schnell zu einem weiteren „Angstraum“ in der Umgebung werden könnte. Hier sind der Bezirk und die Eigentümerin gefragt, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken.
Vorschläge noch bis zum 30. November 2023 einbringen
Die Veranstaltung war zugleich der Auftakt für das Bebauungsplanverfahren, an dem sich Interessierte noch bis zum 30. November 2023 mit Vorschlägen und Ideen beteiligen können. Behörden und Träger:innen können ihre Stellungnahmen sogar noch bis Ende Mai 2024 einreichen. Machen Sie mit! Denn wie formulierte es Ephraim Gothe gegen Ende der Veranstaltung selbst treffend: „Es ist wichtig, dass die Beteiligung der Bevölkerung groß ist und dass uns beständig auf die Finger geschaut wird, was wir so machen.“
Was passiert nach Signas Baustopp?
Keine zwei Wochen nach der Informationsveranstaltung erreicht die Krise der Signa auch Berlin: Der österreichische Immobilienkonzern kämpft schon länger gegen die Insolvenz; Anfang November gab Gründer René Benko bekannt, seinen Posten als Vorsitzender des Beirats abzugeben, die Signa verkündete den Baustopp für alle Projekte in Berlin. Noch ist unklar, wie es mit dem Projekt am Leopoldplatz weitergeht. Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) gab kürzlich gegenüber dem RBB Auskunft, er halte an den Planungen für die Bauprojekte fest. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey will zunächst einmal Baurecht schaffen, also die Planungsprozesse der Stadt rund um den Umbau des alten Karstadt-Gebäudes weiterverfolgen. Für den Fall, dass sich Signa tatsächlich aus dem Projekt zurückzieht, müssen für neue Investoren wohl Anreize – für die Kiezbewohner:innen Tatsachen – geschaffen sein.
Ein Beitrag von Vera Colditz
Beteiligen Sie sich am Bebauungsplanverfahren!
Teilen Sie bis zum 30. November 2023 Ihre Vorschläge für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan (III-140-1VE) mit. Einreichen können Sie diese online beim Bezirksamt Mitte.
30.03.2024