Der schwarz-rote Senat beschneidet erneut die Rechte der Berliner Mieter:innen. Eine wichtige Errungenschaft der Berliner Mietenbewegung wird mit einem neuen Gesetzesstreich vom Tisch gefegt. An die Stelle politischer Leitlinien tritt nun eine Mieterberatung. Was ist geschehen?
Die „Wohnraumversorgung Berlin – Anstalt öffentlichen Rechts“ (WVB) entstand 2016 im Zuge des erfolgreichen Volksbegehrens zum Mietenvolksentscheid. Ihre Aufgabe war es, politische Leitlinien zur Wahrnehmung des Versorgungs- und Wohnungsmarktauftrags der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) zu entwickeln, zu evaluieren und fortzuschreiben. Die jährlichen Berichte der WVB brachten Transparenz über die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen sowie in die Bereiche Wohnungsneubau, Vermietung und Mitbestimmung.
Umfassende Neuausrichtung
Der Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2024 sieht nun eine umfassende Neuausrichtung der Anstalt vor – im Gesetzeskontext als „Weiterentwicklung“ bezeichnet. Neben der Umbenennung in „Sicheres Wohnen – Beteiligung, Beratung, Prüfung – Anstalt öffentlichen Rechts“ verliert die WVB die Aufgabe, Orientierungshilfen für politische Entscheidungen zu geben, die die LWU betreffen. Dieser Schritt war bereits in den Regierungsrichtlinien von Schwarz-Rot für 2023 bis 2026 vorgesehen.
Beratung statt Monitoring
Die Monitoring-Funktion der WVB, die in der Vergangenheit entscheidende Vorschläge zur Berliner Wohnraumversorgung und zur Mitbestimmung in den LWU lieferte, ist lahmgelegt. Stattdessen soll die Anstalt künftig vor allem Mieter:innen und Mieterbeiräte beraten und die Arbeit einer neu gegründeten Ombudsstelle begleiten. Im Gesetzentwurf ist zu lesen, dass die neue Anstalt die Interessen von Mieter:innen vertreten und ihre Rechte stärken soll – allerdings mit einem reduzierten Mandat und ohne Einfluss auf politische Entscheidungen und die strategische Ausrichtung der LWU in Berlin
Aufgaben der künftigen „Sicheres Wohnen – Beteiligung, Beratung, Prüfung – Anstalt öffentlichen Rechts“
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Vor allem CDU und Teile der SPD bieten auf die Wohnungskrise in Berlin stets nur zwei Lösungen an: den Bau von neuem Wohnraum und eine verstärkte Mieter:innenberatung. Angesichts der seit 2010 anhaltend schwierigen Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sind diese Ansätze jedoch unzureichend. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen spielen eine entscheidende Rolle, da sie dringend benötigten Wohnraum schaffen und preisgünstig erhalten können. Daher ist die Arbeit einer unabhängigen Institution, die Orientierungshilfe und Monitoring für Entscheidungsträger:innen bietet und damit die Interessen der Berliner:innen vertritt, von größter Bedeutung.
Entscheidungen zulasten der Mieter:innen
Die aktuelle Entwicklung lässt progressive Lösungsansätze für die Wohnungskrise nicht erkennen – ganz im Gegenteil. Der Senat hat in den letzten anderthalb Jahren eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die zulasten der Mieter:innen gehen. Dazu zählen die Abschaffung des Mietendimmers bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen, die neue Kooperationsvereinbarung mit den LWU, welche erhebliche Spielräume für Mieterhöhungen eröffnet, sowie eine Reduzierung der Vermietungsquote für die untersten Einkommensgruppen.
Die Jahresberichte der WVB zur Kooperationsvereinbarung und wirtschaftlichen Leistung der LWU spielten eine zentrale Rolle bei der Auswertung der wirtschaftlichen Lage der landeseigenen Wohnungsunternehmen und ermöglichten eine kritische Analyse des Vermietungsgeschäfts und der Entwicklungen im Wohnungsbestand der LWU. Sie boten dabei auch einen Einblick in die gesetzlich verankerten Mitbestimmungsgremien. Mit der neuen Anstalt „Sicheres Wohnen“ geht diese Transparenz und Kontrolle durch die öffentliche Hand verloren.
16.10.2024