Komfortabel und technisch auf der Höhe der Zeit, so erwartet man die Ausstattung in einem Neubau. Doch im Mühlengrund sieht das anders aus. Die Mieter:inneninitiative will für Abhilfe sorgen.
Es war es ein großes Glück. Nach langer Suche haben Heike R. und ihr Mann endlich eine barrierearme, behindertengerechte Wohnung gefunden, die sie sich auch leisten konnten. „Drei Jahre haben wir gesucht“, erzählt Heike. Das Glück hielt nur kurze Zeit an. Seither haben sie und ihr Mann Ärger mit der Vermieterin. Schon beim Einzug in den Neubau am Mühlengrund in Hohenschönhausen im Oktober vergangenen Jahres fielen die ersten Mängel auf: Die Wände sind in verschiedenen Weißtönen gestrichen, Teile der Wasseruhr fallen bei der Wohnungsabnahme ab – und es zieht, berichtet Heike. „Wir dachten, wir ziehen in einen Neubau, da haben wir eine Weile Ruhe. Wir haben uns das komplett anders vorgestellt.“ Darum haben Heike und ihre Nachbarn inzwischen die Mieter:inneninitiative am Mühlengrund gegründet, denn auf wirkliche Abhilfe seitens der Vermieterin, der landeseigenen HOWOGE, warten sie noch immer.
Weihnachten saßen Heike und ihr Mann im Wohnzimmer bei 14 Grad und froren. „Die Heizung war ausgefallen“, sagt Heike. Freunde und Bekannte brachten mobile Heizkörper, um es erträglich zu machen. Silvester verbrachte Heike in der Notaufnahme, die Zugluft hatte bei ihr einen steifen Hals verursacht. „Die neuen Wohnzimmerfenster haben eine Zwangsbelüftung – auf drei Seiten, sodass es fast überall zieht“, erklärt Heike. Um die Möbel anders aufzustellen sei zu wenig Platz. Setzt euch doch auf Stühle, habe der Mann von der Baufirma gesagt, den die Vermieterin geschickt hatte.
Schlimmer als im Plattenbau
Mit der Zeit treten immer mehr Mängel zutage: Die Scheuerleisten kleben nicht korrekt, Steckdosen fallen bei Benutzung ab, der Fußboden ist in allen Zimmern uneben, die Wände haben Risse mittig in den Wänden, Farbe und Putz fallen ab. Hinzu kommt, dass der ganz in Leichtbauweise errichtete Gebäudekomplex extrem hellhörig ist. „Das Haus überträgt jedes laute Geräusch – schlimmer als im Plattenbau“, findet Heike. Aber nicht nur Geräusche auch Gerüche dringen durch die Wände.
Während es im Wohnzimmer zieht, steht im Hausflur die Luft, denn der ist überhaupt nicht belüftet. Dafür lässt sich die elektronische Belüftung in WC und Bad in der Wohnung nicht abstellen: „Sie läuft jeden Tag rund um die Uhr“, sagt Heike, der es bereits vor der Stromrechnung graut. Auch hier hatte die Vermieterin zwar einen Elektriker geschickt, doch reparieren konnte er die Lüftung nicht. Und während Heike einsieht, dass Baumängel sich nicht von jetzt auf gleich beheben lassen, so hat sie doch kein Verständnis dafür, dass es immer Tage dauert, bis der Fahrstuhl repariert ist, auf den sie angewiesen ist.
Einige junge Leute sind bereits wieder ausgezogen, erzählt Heike. Das kommt für sie und ihren Mann nicht in Frage, abgesehen davon, dass sie unterschrieben haben, mindestens zwei Jahre zu bleiben. „Wir haben so lange gesucht, um etwas Passendes zu finden, das wir uns leisten können, wir bleiben hier.“
Ein Zettel mit Mängeln
Dass die Probleme nicht nur in ihrer Wohnung liegen, ist Heike längst klar. Eines Tages findet sie dann auch im Hausflur Zettel, auf denen ihr Nachbar Klaus H. ebenfalls auf Mängel aufmerksam macht. „Wir haben die Mieter:inneninitiative auf den Weg gebracht, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt Heike. Dabei haben sie auch Hilfe beim Berliner Mieterverein gesucht und gefunden. „Dort hat man uns geraten, noch weitere Mieter:innen als Unterstützer:innen ins Boot zu holen“, sagt Heike. Sie selbst ist schon lange Mitglied im Mieterverein, aber auch die Nachbarn, die es nicht sind, konnten an der Mieter:innenversammlung mit dem stellvertretenden BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels teilnehmen, die wegen Corona online stattfand.
Inzwischen sind mehr als 40 Mieter:innen dabei. Sie tauschen sich in einer WhatsApp-Gruppe regelmäßig aus. „Unser Ziel ist es, endlich gehört zu werden“, sagt Heike. „Und die korrekte Abarbeitung der Mängel.“ Einiges hat die Mieter:inneninitiative schon erreicht. In der Politik ist man auf den Fall Mühlengrund schon aufmerksam geworden, sagt Heike. Sie setzt darauf, dass sie gemeinsam mehr erreichen.
15.10.2021