Bayern hat im Bundesrat mit Unterstützung vier weiterer Bundesländer, unter anderem Berlin, eine Initiative gestartet, um die Vorschriften gegen überhöhte Mieten im Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz zu verschärfen. Das könnte Mieter:innen besser helfen als die Mietpreisbremse.
Bayern hat im Bundesrat eine Gesetzesinitiative eingebracht, die es Mieter:innen erleichtern soll, sich gegen zu hohe Mieten zu wehren. Mieten, die mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, sollen wieder einfacher als „Wuchermieten“ verfolgt werden können. Das hat der Bundesrat am 11. Februar 2022 beschlossen. Bisher müssen Mieter:innen vor Gericht nachweisen, dass sie sich lange erfolglos um günstigeren Wohnraum bemüht und dass Vermieter:innen diese Zwangslage ausgenutzt haben. Dieser Nachweis war für die allermeisten Mieter:innen jedoch unmöglich zu erbringen.
Die Beweispflicht soll nun wegfallen. Außerdem soll das Bußgeld für Vermieter:innen bei Verstößen von 50.000 auf 100.000 Euro steigen. Die Reform von Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz könnte mehr Mieter:innen helfen, als es bisher die Mietpreisbremse vermag. Denn die kennt viele Ausnahmen und gilt nur für Neuvermietungen. Daher begrüßt der BMV die Initiative. Offen ist allerdings, wie sich die Bundesregierung zum neuerlichen Vorstoß aus dem Bundesrat verhält.
Früher wurde der Paragraf häufig genutzt
Bis Ende der 1990er Jahre haben die Rechtsberater:innen des Berliner Mietervereins Mietabsenkungen nach Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz ziemlich häufig durchgesetzt. Wann immer die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel um mehr als 20 Prozent überschritten war, konfrontierten sie die Vermieter:innen damit. Nach Verstreichen der gesetzten Frist konnten die Mieter:innen Klage einreichen. Die Vermieter:innen mussten die ungerechtfertigt verlangte Miete zurückzahlen.
Parallel dazu konnten betroffene Mieter:innen auch Anzeige beim Wohnungsamt erstatten. Denn nach dem Gesetz handelt ordnungswidrig, wer für die Vermietung von Wohnraum ein unangemessen hohes Entgelt fordert. Als solches gelten Mieten, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigen (bei Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung: 50 Prozent). Aber es gibt noch eine zweite, wichtige Voraussetzung: Der Vermieter muss das geringe Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausgenutzt haben. Lange Zeit galt: In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ist diese Bedingung automatisch erfüllt.
Inzwischen liegen die Hürden zu hoch
Doch 2004 legte der Bundesgerichtshof (BGH) die Hürden so hoch, dass sich im Grunde keine Mieter:innen mehr auf eine solche Mangellage auf dem Wohnungsmarkt berufen konnten. Denn diese müsste ursächlich sein für die Vereinbarung der überhöhten Miete (BGH vom 28. Januar 2004 – VIII ZR 190/03). Nach Ansicht des BGH müssen die Mieter:innen nachweisen, welche Bemühungen sie bei der Wohnungssuche unternommen haben und dass sie mangels Alternativen auf die Anmietung der überteuerten Wohnung angewiesen waren. Zudem müssen die Vermieter:innen diese Zwangslage gekannt und ausgenutzt haben. Ein solcher Nachweis ist aber in der Praxis kaum möglich. Ein Jahr nach dem Richterspruch stellte das Gericht außerdem klar, dass die Mangellage in der ganzen Stadt vorhanden sein muss – und nicht nur im Stadtteil der entsprechenden Wohnung.
Erster Reformversuch ist gescheitert
Bayern drängt im Bundesrat schon seit Längerem auf eine Reform und hat 2019 einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz vor überhöhten Mietpreisen eingebracht. Nach diesem Entwurf soll nicht nur das Bußgeld von 50.000 auf 100.000 Euro erhöht, sondern auch das Tatbestandsmerkmal „Ausnutzung einer Zwangslage“ gestrichen werden. Passiert ist seitdem jedoch nichts. „Damit steht ein wichtiges Steuerungsinstrument nach wie vor nicht zur Verfügung“, kritisiert Benjamin Raabe, Fachanwalt für Mietrecht. „Wenn man das Gesetz nachschärfen würde, bräuchte man keine Mietpreisbremse, die viele Ausnahmen hat und ohnehin nur bei Neuvermietung greift.“ Besonders effektiv sei zudem die öffentlich-rechtliche Funktion des Gesetzes. Mieter:innen können einen Verstoß einfach beim Wohnungsamt anzeigen, ohne vor Gericht gehen zu müssen. Gerade für Mieter:innen, die nicht rechtsschutzversichert sind, ist das ein großer Vorteil.
Besser als die Mietpreisbremse
Die aktuelle Gesetzesinitiative geht erneut von Bayern aus, allerdings tragen Berlin, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen sie mit. „Wir wollen, dass sich Menschen mit normalen Einkommen, Senioren und Familien das Leben in den Ballungsräumen weiter leisten können“, begründete Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) die Initiative. Die Hürden zur Verfolgung von Mietwucher seien bisher zu hoch. „Vor allem das Ausnutzen der Zwangslage lässt sich praktisch kaum nachweisen“, findet auch Eisenreich und fügte hinzu, „schwarze Schafe unter den Vermietern verdienen keinen Schutz. Deshalb brauchen wir bei Mietwucher eine spürbare Ahndung.“
Der BMV fordert allerdings eine Ahndung bei 15 Prozent Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete, denn vielerorts liegen bereits die Mietspiegelwerte deutlich zu hoch.
Jens Sethmann/Birgit Leiß
17.03.2022