Wohnen als Teil der Daseinsvorsorge – das ist der Grundgedanke der Neuen Wohngemeinnützigkeit. Es liegt großes Potenzial in dem Konzept, für Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen. Die Ampelkoalition will jetzt ein Eckpunktepapier zur Umsetzung vorlegen.
„Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen. Sie soll nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzen, ohne diese zu benachteiligen.“
So steht es im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Zeitnah ist ein dehnbarer Begriff. Bis Ende März wollten die Koalitionäre die Eckpunkte für ein Förderprogramm vorlegen, doch die Abstimmungen gestalteten sich schwierig, die Rechtsgebiete sind komplex – und die Vorstellungen innerhalb der Koalition offenbar sehr unterschiedlich. Am 14. Juni 2023 wollte die Bundesregierung ein Eckpunktepapier für ein Wohngemeinnützigkeitsgesetz vorlegen. Bis Redaktionsschluss lag uns ein solches Papier leider nicht vor.
Bereits Ende 2022 stellte der Deutsche Mieterbund (DMB) ein umfassendes Konzept zur Einführung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit (NWG) vor, das der Bundesregierung als Fahrplan dienen sollte. Es enthält viele wichtige und zielführende Ansätze, um einen gemeinnützigen Wohnungssektor zu schaffen, Wohnungen zu dauerhaft bezahlbaren Mieten für die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu sichern und damit zentrale Probleme auch des Berliner Wohnungsmarktes zu lösen.
Neuer Schwung für ein bewährtes Konzept
Das Konzept „Wohngemeinnützigkeit“ an sich ist nicht neu. In der Bundesrepublik waren die kommunalen und staatlichen Wohnungsbaugesellschaften und auch die meisten Wohnungsgenossenschaften über Jahrzehnte gemeinnützig. Sie hatten sich dazu verpflichtet, die Mietpreise aller ihrer Wohnungen zu beschränken, die auszuschüttende Rendite auf vier Prozent zu begrenzen und das Firmenvermögen nur für den Wohnungsbau einzusetzen. Im Gegenzug erhielten sie Steuerbefreiungen. Die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl schaffte die Wohnungsgemeinnützigkeit 1989 ab.
Die Neue Wohngemeinnützigkeit setzt bei den damaligen Grundlagen an, bessert aber bei den Schwächen – etwa bei der schlechten Kontrolle der Unternehmen und der wenig zielgenauen Förderung – nach und erweitert das Konzept. Es beschränkt sich nicht nur auf Neubau, sondern umfasst auch Förderungen für den Bestand und lässt Wohnungsunternehmen die Flexibilität, auch Teile ihrer Bestände in den neuen Sektor einzugliedern.
Was beinhaltet die NWG konkret?
Dauerbindungen
Die NWG soll einen Rechtsrahmen für die Entwicklung eines dauerhaft gemeinwohlorientierten Wohnungssektors bilden. Das zentrale Ziel: Dauerbindungen von günstigen Mieten für bestimmte Zielgruppen schaffen und einen wachsenden Bestand an dauerhaft gebundenem Wohnraum aufbauen. Denn bisher gilt die Bindungsfrist von Sozialwohnungen nur auf Zeit: Nach spätestens 30 Jahren dürfen Immobilienunternehmen geförderte Wohnungen wieder zu marktüblichen Preisen vermieten. Die Folgen – drastische Mieterhöhungen, Verdrängung und Wohnungsnot – sind in Berlin in den sozialen Wohnungsbaubeständen sowie den ehemaligen Sanierungsgebieten zu sehen, aktuell zum Beispiel in Pankow. Die NWG hingegen legt die Sozialbindungen permanent an und berücksichtigt dabei nicht nur Neubau, sondern auch den Bestand. Das scheint auch vor dem Hintergrund der staatlichen Fördermittelprogramme nachhaltig: einmal gefördert, dauerhaft gebunden!
Leistbarkeit der Miete
Zielgruppen der NWG sind Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen. Sie sollen nicht nur Zugang zu leistbarem Wohnraum erhalten, sondern diesen auch langfristig halten können. Deshalb sieht das Konzept eine einkommensabhängige Staffelung der Mieten und nur sehr begrenzte Mietsteigerungen vor. Die Bestandsmieten bleiben dabei mindestens 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Grundmiete plus Nebenkosten darf je nach Einkommensgruppe maximal 25 bis 35 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen. Für Mieterhöhungen gelten klare Regeln: Sie richten sich nach Kostendeckung. Nur der inflationsabhängige Anteil der Bewirtschaftungskosten (25 Prozent) darf analog zum Verbraucherkostenindex steigen.
Absicherung von Bestand und Vermögen
Die NWG setzt klare Regeln für die Bewirtschaftung. Für eine Sicherung von Vermögen und Bestand sorgt zum einen eine klare Ausschüttungsbegrenzung auf maximal zwei Prozent über dem Basiszins der Bundesbank und maximal vier Prozent Gewinn auf Kapital oder Genossenschaftsanteile, zum anderen die Verpflichtung zur Reinvestition von Überschüssen in Instandhaltung oder Ankauf.
Transparenz, Kontrolle und Mitbestimmung sind weitere wichtige Eckpfeiler. In der NWG müssen sich die Wohnungsunternehmen einer regelmäßigen Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer unterziehen. Öffentliche Berichte zu den Förderzielen schaffen zusätzliche Transparenz. Auch die Mieter:innen selbst erhalten Mitbestimmungsrechte an Investitionsentscheidungen und sichern so eine nutzungsorientierte Bewirtschaftung.
Vorteile auch für die Wohnungswirtschaft
Welchen Anreiz haben Wohnungsunternehmen, ihre bereits vorhandenen oder neu zu bauenden Immobilienbestände in die NWG überführen? Neben einer dauerhaften anteiligen Steuerbefreiung erhalten sie einen einmaligen Zuschuss dafür, dass sie dauerhafte Bindungen schaffen. Diesen können sie für Investitionen in den Bestand, Ankauf oder Neubau nutzen. Die Förderung staffelt sich nach den Einkommen der Haushalte: je enger der Fokus auf Mieter:innen mit niedrigen Einkommen, umso höher die Förderung. Im vorliegenden Konzept des Deutschen Mieterbundes sind zudem Sonderförderungen für Klima- und demografische Anpassungen im Bestand vorgesehen sowie die vorrangige Vergabe von Bauland der öffentlichen Hand an gemeinnützige Wohnungsunternehmen.
Neu ist eine Öffnungsklausel, die es Wohnungsunternehmen ermöglicht, einen Teil ihres Bestandes (ohne Förderung) weiterhin ohne Beschränkungen bei der Vermietung anzubieten. Bei der alten Wohngemeinnützigkeit galt noch: ganz oder gar nicht. Vor diesem Hintergrund läuft auch die Kritik von FDP und CDU ins Leere, die Wohngemeinnützigkeit würde nicht zu sozial durchmischten Quartieren beitragen.
Wohlgemerkt haben auch gemeinnützige Wohnungsunternehmen dann immer noch die Möglichkeit, Gewinn zu machen. Zugleich tragen sie unter den klaren Regelungen der NWG dazu bei, den Wohnungsmarkt zu stabilisieren und nicht zuletzt den Gedanken des Gemeinwesens wiederzubeleben.
Warum das Konzept so vielversprechend und wichtig ist
Der BMV setzt sich dafür ein, dass die Bundesregierung die NWG möglichst umfassend umsetzt. Das Konzept hat das Potenzial, einen echten Paradigmenwechsel einzuläuten und Wohnen wieder als Teil der Daseinsvorsorge in der Gesellschaft zu verankern. Ob das mit dem Koalitionspartner FDP gelingen kann, bleibt zunächst bis zum 14. Juni 2023 offen. Schon im Vorfeld hatte eine Sprecherin der Partei vor zu großen Erwartungen gewarnt: Die NWG sei nur ein kleiner Beitrag, der nicht überschätzt werden dürfe, zudem müsse das Projekt finanzierbar sein. Es ist bekannt, dass Teile der FDP die gezielte Subjektförderung bevorzugen, also die Förderung der Haushalte mit kleinen Einkommen über das Wohngeld. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, dass die Koalitionspartner SPD und Grüne sich weiterhin stark machen für ein umfassendes Rechtskonzept.
Mit einem klaren und sicheren Rechtsrahmen kann die NWG zentrale Probleme des angespannten Berliner Wohnungsmarktes auf einmal lösen: Sie ermöglicht dauerhafte Sozialbindungen und damit leistbare Mieten im Neubau und im Bestand gerade für Haushalte mit kleinen Einkommen. Sie schafft Transparenz und demokratische Kontrolle durch stärkere Mitbestimmung der Mieter:innen und sorgt durch Gewinnbeschränkung sowie die verpflichtende Reinvestition von Überschüssen in Instandhaltung oder Ankauf für eine nutzungsorientierte Bewirtschaftung. Zugleich nimmt das neue Förderkonzept auch der Wohnungswirtschaft den Druck, möglichst gewinnorientiert zu wirtschaften und bietet einen verlässlichen Rechts- und Förderrahmen für Investitionen, Ankauf und Neubau.
Ein Beitrag aus der Newsletter-Redaktion
14.06.2023