Entlastung in der Krise – das könnte das Wohngeld-Plus bieten: Der Gesetzentwurf sieht neben einer Verdopplung der Wohngeldbeträge auch eine Ausweitung der Anspruchsberechtigten vor. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick.
Im September dieses Jahres hat das Bundeskabinett einen Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Wohngeldes (Wohngeld-Plus-Gesetz) beschlossen. Der Bundesrat muss das Gesetz noch absegnen. Die konkrete Ausgestaltung des neuen Wohngeldes in Berlin wird sich vermutlich erst im November klären, doch vieles lässt sich jetzt schon absehen.
Die Erneuerung des Wohngeldes im Koalitionsvertrag
Auf Bundesebene haben die Parteien bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, das Wohngeld insgesamt besser auszugestalten und zu stärken. Neben einer Klimakomponente soll kurzfristig auch ein Heizkostenzuschuss gezahlt werden. Das vom Bundeskabinett beschlossene und wohl ab dem 1. Januar 2023 geltende Wohngeld-Plus-Gesetz geht weiter als die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag – eine Auswirkung der Energiekrise.
Neuberechnung und Ausweitung des Wohngeldanspruchs
Eine der wichtigsten Neuerungen des Gesetzes ist die Änderung der Berechnungsgrundlage zur Ermittlung der Anspruchsberechtigung. Bislang konnten viele stark belastete Haushalte kein Wohngeld erhalten, weil ihr Einkommen die Grenzen für eine Berechtigung knapp überstieg. Durch die Neuberechnung werden bundesweit rund 1,4 Millionen zusätzliche Haushalte Anspruch haben. In die Berechnung einbezogen wird:
- das jährliche Gesamteinkommen der Haushaltsmitglieder,
- die zu zahlende Miete beziehungsweise der Mietanteil und
- die Anzahl der Haushaltsmitglieder. Hierzu zählen im Haushalt lebende Familienmitglieder (Kinder, Ehe- und Lebenspartner:innen, weitere Verwandte), Mitbewohner:innen sogenannter Zweck-Wohngemeinschaften hingegen nicht.
Verzögerung der Auszahlung durch Überforderung der Ämter
Allerdings scheint die Reform das Land Berlin in diesem Punkt vor große Herausforderungen zu stellen: Andreas Geisel (Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, SPD) äußerte schon früh Bedenken, dass die Entlastung über das Wohngeld nicht kurzfristig erfolgen könne, weil die Wohngeldämter schon jetzt hoch ausgelastet sind. Dabei stellt zurzeit nur knapp die Hälfte der bislang Anspruchsberechtigten einen Antrag – oft fehlt schlicht das Wissen, dass der eigene Haushalt wohngeldberechtigt sein könnte. Hinzu kommt, dass viele Menschen keine staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollen oder den hohen bürokratischen Aufwand scheuen. Doch für alle Haushalte, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, besteht ein Rechtsanspruch auf Wohngeld.
Das Wohngeld verdoppelt sich
Grundsätzlich zu begrüßen ist: Neben der Ausweitung der Haushalte, die einen Anspruch auf Wohngeld haben, wird auch das Wohngeld selbst deutlich erhöht. Der Betrag soll sich durch Zuschüsse auf Miete und Heizkosten im Schnitt von knapp 180 auf circa 370 Euro pro Haushalt etwas mehr als verdoppeln.
Der Gesetzentwurf legt außerdem fest, dass der Bewilligungszeitraum auf Wohngeld von zwölf auf 18 Monate ausgeweitet werden kann. Er sieht zudem die Möglichkeit vor, einen Änderungsantrag zu stellen, wenn sich die Miete oder die Heizkosten im Bewilligungszeitraum um mehr als 10 Prozent erhöhen.
Dauerhafter monatlicher Heizkostenzuschuss
In der Koalitionsvereinbarung war nur ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Haushalte vorgesehen. Das Wohngeld-Plus-Gesetz geht jetzt einen wichtigen Schritt weiter und verankert den Zuschuss dauerhaft. Vorgesehen ist ein monatlicher Zuschlag, zu dessen Berechnung dieselben Flächenrichtwerte herangezogen werden wie bei der Ermittlung der Wohngeldhöhe: Pro Quadratmeter gewährt das Gesetz einen Heizkostenzuschlag von 2 Euro, wobei die Wohnflächenrichtwerte eine Grenze ziehen. Das bedeutet in Zahlen: Für einen Einpersonenhaushalt beträgt das Maximum 48 Quadratmeter, für zwei Personen 62 Quadratmeter. Ein Zweipersonenhaushalt kann damit maximal 124 Euro im Monat erhalten. Leider enthält dieser Zuschuss keine Berücksichtigung der ebenfalls steigenden Stromkosten. Dies hätte in Form eines allgemeinen Energiekostenzuschusses umgesetzt werden können.
Klima-Komponente als Entlastung zur CO2-Bepreisung
Das Wohngeld-Plus-Gesetz sieht jedoch neben dem Heizkostenzuschuss zumindest vor, dass Wohngeldempfänger:innen eine Klimakomponente zur Entlastung bei der CO2-Bepreisung erhalten – mit einem monatlichen Zuschuss von 40 Cent pro Quadratmeter auf Miethöchstbeträge. Ein Zweipersonenhaushalt erhält gemäß der Wohnflächenrichtwerte damit maximal 24,80 Euro pro Monat zusätzlich.
Diese Entlastung für Miethaushalte ist in der derzeitigen Situation – und sehr wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren – dringend notwendig. Grundsätzlich sind jedoch noch weitere Maßnahmen erforderlich, um den sozialen und ökologischen Anforderungen an das Wohnen in Zukunft gerecht zu werden.
Keine langfristige Lösung, aber ein rettender Strohhalm
Die Gesetzesänderungen geben Anlass zur Hoffnung, dass das Wohngeld kurzfristig die zurzeit immer größer werdende Bedrohung sozialer Härten abfangen kann. Ob die Neuerungen wirklich ausreichen, um die unteren und durchschnittlichen Einkommensgruppen vor einer finanziellen Überforderung zu bewahren, wird sich zeigen. Flankierende rechtliche Maßnahmen wie ein echter Mieten- und Energiepreisdeckel sowie ein Kündigungsmoratorium würden eine langfristige Erleichterung bringen. Doch für den Moment gilt: Das Wohngeld ist ein Strohhalm, nach dem Mieter:innen jetzt greifen sollten!
Schamgefühl, Sorge vor Fremdbestimmung oder Scheu vor der Bürokratie dürfen kein Grund sein, den eigenen Rechtsanspruch nicht wahrzunehmen. Gespräche und Hilfe in der Nachbarschaft könnten für viele Mieter:innen wertvoll sein.
www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/faqs/Webs/BMWSB/DE/
wohnen/wohngeld-plus-gesetz/wohngeld-plus-liste.html
19.10.2022