Vor drei Jahren trat das Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft, das darauf abzielt, mehr Bauland für den Wohnungsbau verfügbar zu machen. Darunter fällt auch ein Umwandlungsverbot. Es stellt in angespannten Wohnungsmärkten alle Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt. Wir haben zwei Berliner Stadträte für Stadtentwicklung und Wohnen gefragt, wie sie das Instrument bewerten.
Der IBB-Wohnungsmarktbericht 2023 gibt Auskunft über 158.400 Mietwohnungen, die in den vergangenen zehn Jahren in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. In den umkämpften Innenstadtlagen, wo Kapitalanleger:innen großes Interesse am Verkauf und Kauf von Wohnungen zeigen, ist das Umwandlungsgeschehen besonders dynamisch. In der Vergangenheit haben Investor:innen zahlreiche Mehrfamilienhäuser angekauft, in Einzelobjekte aufgeteilt und dann als Eigentumswohnungen im Grundbuch des Grundstücks vermerkt.
Ephraim Gothe (SPD) und Jochen Biedermann (Bündnis 90/Grüne), Stadträte für Bau und Stadtentwicklung, berichten über die Entwicklung in ihren Bezirken Mitte und Neukölln.
Drei Jahre Umwandlungsverbot: Was hat der generelle Genehmigungsvorbehalt für Ihren Bezirk gebracht?
Gothe: In den Jahren vor der Einführung des Paragrafen 250 BauGB gab es ein reges Umwandlungsgeschehen in Berlin – auch in Mitte. Dieses ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Seit Inkrafttreten der Verordnung sind in Mitte nur drei Häuser mit insgesamt 33 Wohnungen in eine Eigentümergemeinschaft umgewandelt worden. Zusätzlich genehmigen wir bei Dachgeschossausbau die Aufteilung in Eigentumswohnungen, wenn der Rest im Bestandsgebäude bereits in Eigentumswohnungen aufgeteilt ist.
Zwischen 2015 und 2018 wurden in Berlin durchschnittlich 15.000 Wohnungen pro Jahr in Eigentum umgewandelt. Im ersten Halbjahr 2020 wurden allein in Mitte 1.110 Wohnungsaufteilungen beantragt. Insbesondere im Jahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 – bis zum Erlass der Verordnung – ist die Anzahl der Anträge massiv gestiegen. Von Interesse ist der Schutz von Mietwohnraum und das Entgegenwirken der Spekulation.
Biedermann: Die Umwandlungswelle konnte durch die Novellierung des Gesetzes gestoppt werden. Gerade in Neukölln war diese enorm angestiegen – sicherlich auch ein nachholender Effekt im Vergleich mit anderen Bezirken. Um es deutlich zu machen: Im Jahr 2023 wurden keine Umwandlungen im Bezirk genehmigt. Im Vergleich dazu musste der Bezirk im Jahr 2020 – dem letzten vollständigen Jahr vor dem Inkrafttreten des Paragrafen 250 BauGB – allein in den Milieuschutzgebieten 2.769 Wohnungsumwandlungen genehmigen.
Wie konnte es in den Jahren 2021 und 2022 dennoch zu weiteren rund 45.000 Umwandlungen in Berlin kommen?
Biedermann: Die Zahlen zeigen den Vollzug von Umwandlungen, die noch vor der Gesetzesänderung genehmigt worden sind, beziehungsweise die, für die gar keine Genehmigung notwendig waren. Zudem fanden in einigen Fällen noch kurzfristig Umwandlungen statt, bevor die neue Gesetzgebung in Kraft trat. Um solche Last-Minute-Effekte in Zukunft zu vermeiden, muss der Gesetzgeber entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Gothe: Viele Anträge waren bereits vor dem Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung am 21. September 2021 beim Grundbuchamt eingereicht worden und mussten daher gemäß Paragraf 172 BauGB, der den Umwandlungsvorbehalt in Milieuschutzgebieten regelt, entschieden werden. Diese Umwandlungen wurden vor dem Stichtag beantragt.
Haben Sie eine Erklärung, warum der Paragraf 250 BauGB in das Baulandmobilisierungsgesetz aufgenommen wurde?
Gothe: Das Baulandmobilisierungsgesetz soll auf der einen Seite den Wohnungsbau fördern, auf der anderen Seite den Mietwohnungsbestand schützen. Nicht zuletzt setzt das Baulandmobilisierungsgesetz mit Paragraph 250 BauGB die Beschlüsse des Wohngipfels vom 21. September 2018 um.
Biedermann: Bezahlbares Wohnen lässt sich nicht alleine über den Neubau erreichen. Das bedarf zusätzlich flankierender Maßnahmen im Bestand. Auch wenn über die Regelung bis zuletzt gerungen wurde, hat der Gesetzgeber ihre Bedeutung zum Glück erkannt. Aus Berliner Sicht stellt sie die wichtigste Regelung im gesamten Baulandmobilisierungsgesetz dar.
Abgesehen vom Verlust hunderttausender oft noch bezahlbarer Mietwohnungen, die in Berlin dringend benötigt werden – was war vor allem problematisch am Berliner Umwandlungsgeschehen?
Biedermann: Die Umwandlung in Eigentumswohnungen hat viele problematische Facetten. Einzelne Wohnungen lassen sich profitabler verkaufen, das war ein renditestarkes Geschäftsmodell. Für Mieter:innen bedeutet das oftmals Angst vor Verkauf und Eigenbedarfskündigung. Zudem gibt es viele Fälle, in denen Personen unwissentlich in eine vermietete Eigentumswohnung ziehen. Diese Mieter haben im Falle einer Eigenbedarfskündigung nur eine kurze Kündigungsfrist. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes ist dies eine Katastrophe.
Gothe: Umgewandelter Wohnraum führt in der Regel zu Veräußerungen, die sowohl die Kaufpreise als auch die Mieten erhöhen. Dies begünstigt zum einen die Verdrängung von Mieter:innen durch Mieterhöhungen und Eigenbedarfskündigungen, zum anderen fördert es auch Spekulationen auf dem Immobilienmarkt.
Die Bezirke Mitte und Neukölln haben zahlreiche Milieuschutzgebiete ausgewiesen. Warum waren oder sind die Genehmigungsvorbehalte nach Paragraf 172 BauGB, die die Aufteilung und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in diesen Gebieten regeln, ungenügend?
Gothe: Im Gegensatz zu Paragraf 250 BauGB, der die Aufteilung in Eigentumswohnungen bereits verbietet, hat Paragraf 172 Absatz 4 BauGB diese nicht effektiv unterbunden. Der Paragraph 172 BauGB lässt es zu, dass Wohnungen grundsätzlich aufgeteilt werden können. Dort ist lediglich verankert, dass Wohnungen innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter:innen veräußert werden dürfen. In der Praxis ist der Verkauf an Mieter:innen jedoch die Ausnahme. Meist wird gewartet, bis diese Frist abgelaufen ist, um dann ohne Beschränkungen frei verkaufen zu können. Allein die Aufteilung in Eigentumswohnungen erhöht den Buchwert bei den Banken, was eine problematische Kostenspirale in Gang setzen kann.
Biedermann: Die Regelungen des Milieuschutzes waren besser als nichts, aber sie haben das Problem vor allem in die Zukunft verschoben. Die Verpflichtung, innerhalb von sieben Jahren nur an die Mietenden zu verkaufen, sowie eine weitere Schutzfrist vor der Eigenbedarfskündigung bieten den Mietenden zwar eine gewisse Perspektive, aber letztendlich werden die Wohnungen doch verkauft. Das sehen wir aktuell in den Gebäuden, bei denen wir 2017 die Umwandlung genehmigen mussten. Kaum jemand ist in der Lage, die aufgerufenen Preise für die selbstbewohnte Wohnung zu stemmen. Stattdessen wird den Mietenden häufig Geld für den Auszug angeboten.
Im Gesetzestext heißt es: „Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten muss.“ Was bedeutet das, und was können die Länder tun, um das Instrument auch über 2025 hinaus anwenden zu können?
Gothe: Diese Verordnungen sind laut Bundesgesetz nur bis zum 31. Dezember 2025 gültig. Das bedeutet, dass die Bestimmungen des Paragrafen 250 BauGB und die daraus resultierenden Beschränkungen nach diesem Datum nicht mehr anwendbar sind. Die Länder können sich hier nur für eine Verlängerung oder Entfristung der Regelung aussprechen. Darüber hinaus können die Länder nichts machen, um dieses Instrument über den genannten Zeitpunkt hinaus zu nutzen.
Biedermann: Und in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es über den Paragrafen 250 BauGB eben auch: „Er ist solange erforderlich, bis die ergriffenen Maßnahmen zur Belebung des Neubaus dazu geführt haben, dass die Nachfrageüberhänge auf dem Wohnungsmarkt in den betreffenden Gebieten abgebaut sind und die Mietentwicklung nicht mehr zu Verdrängungsprozessen führt.“ Dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Das kann niemand bezweifeln.
Was fordern Sie vor diesem Hintergrund von der aktuellen Bundesregierung?
Gothe: Der Antrag zur Verlängerung wurde bereits in den Bundesrat eingebracht. Hierzu habe ich mich in einem Schreiben an die Staatssekretärin Elisabeth Kaiser im Bundesbauministerium gewandt. Sie antwortete mir umgehend, dass die Entfristung des Paragrafen 250 BauGB im Rahmen der BauGB-Novelle auf der Agenda steht.
Biedermann: Die Bundesregierung sollte noch in diesem Jahr eine Entfristung für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt, mindestens aber eine Verlängerung der Regelung auf den Weg bringen. Der Bundestag sollte das zügig beschließen, denn wir brauchen dringend das Signal, dass die Regelung nicht Ende 2025 ausläuft. Die Dringlichkeit nicht zu erkennen, wäre schlicht Realitätsverweigerung.
Vielen Dank für Ihr Engagement! Auch der BMV wird sich weiterhin für eine Entfristung des Umwandlungsverbots einsetzen.
Das Interview führte Franziska Schulte
19.06.2024