Metropolen wie Berlin bergen bei der Transformation zu einer klimafreundlichen Energieversorgung große Potenziale. Wir werfen einen Blick auf Berlins Dächer und die aktuell geltenden Regelungen.
Ungenutztes Potenzial: Die Fläche auf den Dächern
Ende Dezember 2023 hat der Berliner Senat die Novelle der Bauordnung verabschiedet. Die neuen Regelungen sollen den Wohnungsbau, unter anderem bei Dachausbauten und Aufstockungen erleichtern. Zugleich berücksichtigen sie das Potenzial, das die Dächer für die Transformation hin zu einer klimaneutralen Stadt bieten. Die neue Bauordnung beinhaltet eine Begrünungspflicht für Dachflächen ab 100 Quadratmetern und lockert die Regelungen für die Installation von Solaranlagen. Diese spielen auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung, die der Senat bis 2045 anvisiert, eine große Rolle. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Anteil an erneuerbaren Energien deutlich steigen. Da Städte generell kaum über geeignete Windkraftstandorte verfügen, liegt der Fokus auf Photovoltaik.
Zwar hat Solarenergie derzeit noch einen sehr geringen Anteil am Berliner Strommix (weniger als ein Prozent), doch angesichts vieler ungenutzter Dachflächen besitzt Photovoltaik ein großes Potenzial, zu einem der Hauptpfeiler in der Energieversorgung der Hauptstadt zu werden: Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) im Rahmen des Masterplans Solarcity kommt zu dem Schluss, dass Berlin 25 Prozent des Strombedarfs mit Solarenergie decken könnte. Dazu bräuchte es eine installierte Leistung von 4.400 Megawatt Peak (MWp) Leistung neuer PV-Anlagen. Ende 2022 erreichte die installierte Leistung laut ISE allerdings gerade einmal 4,4 Prozent dieses Ziels.
Der Masterplan Solarcity
Um den Ausbau von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in Berlin voranzutreiben, hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe im Rahmen des Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 (BEK 2030) 2019 den „Masterplan Solarcity“ erstellt. Darin legte sie gemeinsam mit rund 30 Schlüsselakteuren aus den Bereichen Energiewirtschaft, Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und Verbraucherschutz in einem ersten Schritt 27 Maßnahmen in neun Handlungsfeldern fest, die die Akteure bis 2024 umsetzen sollen. Die fachliche Begleitung des Prozesses hat das ISE übernommen, eine Koordinierungsstelle vernetzt die verschiedenen Projektpartner und erstellt jährliche Monitoringberichte. Die Zielmarke: Bis 2035 sollen 25 Prozent der in Berlin erzeugten Energie aus Sonnenkraft kommen.
Solarenergie in Berlin – ein Zwischenstand
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) bezeichnet das Jahr 2023 als „Trendwende beim Solarausbau“: Mehr als 10.300 neue Solaranlagen wurden demzufolge im vergangenen Jahr in Berlin installiert. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr und ein bisheriger Höchststand. Allerdings handelt es sich bei einem Großteil der neuen Anlagen um kleinere Steckersolargeräte für Balkon oder Terrasse, die der Senat seit Februar 2023 mit einem Zuschuss in Höhe von 500 Euro fördert. Sie weisen eine deutlich niedrigere Leistung auf als die großen Photovoltaikanlagen fürs Dach.
Das spiegelt sich auch in der Eigentümerstruktur der Gebäude wider, auf denen die installierten Anlagen stehen: Laut Daten des Umweltatlas Berlin sind knapp 85 Prozent natürliche Personen, die restlichen 15 Prozent verteilen sich größtenteils auf Unternehmen/Genossenschaften und das Land Berlin.
Ein anderes Bild ergibt sich beim Blick auf die Eigentümerstruktur der installierten Anlagen: Hier machen natürliche Personen nur 47 Prozent aus, Unternehmen und Genossenschaften erbringen 35 Prozent der installierten Leistung, das Land Berlin gut 16 Prozent. Bei der Leistungsstärke der installierten Anlagen machen institutionelle Akteure also den Unterschied. Ein prominentes Beispiel der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand war zuletzt der Start des Baus der größten Dach-PV-Anlage Berlins auf den Messehallen.
Berlin im Deutschlandvergleich
Die Berliner Verwaltung schätzt den Energieertrag aus den installierten Anlagen auf 207 Millionen Kilowattstunden (kWh) im Jahr. Mit dieser Leistung können theoretisch rund 65.000 Haushalte mit einem mittleren Stromverbrauch von 3.000 kWh im Jahr versorgt werden. Schaut man sich die installierte Leistung im Vergleich zur Fläche an, steht Berlin im bundesweiten Vergleich gar nicht so schlecht da: Mit 189,6 kWh pro Quadratmeter liegt die Hauptstadt knapp über dem bundesweiten Durchschnitt und deutlich über dem Wert der zweitgrößten Stadt Hamburg – jedoch auch deutlich hinter einigen Flächenländern.
Infokasten
MWp: Megawatt-Peak. Die Leistung, die Solaranlagen bei optimalen Bedingungen theoretisch erreichen können.
kWh: Kilowattstunden. Die elektrische Energie, die ein Gerät mit einer Leistung von 1.000 Watt in einer Stunde verbrauchen würde.
Gesetzliche Regelungen für Gebäude-Eigentümer:innen
Seit 2021 gilt das Berliner Solargesetz, seit 2023 die Solarpflicht. Demnach müssen Eigentümer:innen von Neubauten auf 30 Prozent der Dachfläche eine PV-Anlage oder Solarthermie-Anlage installieren und betreiben. Diese Vorgabe gilt auch für Bestandsgebäude, sobald diese umgebaut werden – etwa in Form einer Dachaufstockung oder -sanierung. Die Novelle der Berliner Bauordnung, die am 30. Dezember 2023 in Kraft getreten ist, lockert die bestehenden Regelungen und Auflagen für die Installation einer Solaranlage auf dem Dach. Zudem wird im Laufe des Jahres 2024 über eine Gesetzesänderung seitens der Vermietenden eine Duldungspflicht für die Balkonkraftwerke ihrer Mieter:innen eingeführt.
Was müssen Mieter:innen beachten?
Zu Konflikten zwischen Eigentümer:innen und Mieter:innen kann es vor allem bei einer Mieterhöhung mittels Modernisierungsumlage oder durch Umlage der Betriebskosten der PV-Anlage auf die Mieter:innen kommen.
Mieterhöhung: Eine Mieterhöhung nach Paragraf 559, Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss sich auf „für die Mietwohnung aufgewendete Baukosten“ beziehen. Daher ist eine Mieterhöhung ausgeschlossen, wenn der Vermietende entweder selbst nicht Bauherr der Anlage ist oder den Strom vollständig gegen ein Entgelt in das Stromnetz einspeist. Möglich ist eine Mieterhöhung, wenn die Mieter:innen den Strom nutzen. Das ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn ein Teil des Stroms als sogenannter Allgemeinstrom für die Treppenhausbeleuchtung oder den Aufzug genutzt wird.
Setzt ein Eigentümer eine Mieterhöhung durch, muss er dennoch die Erhaltungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen von den Modernisierungskosten abziehen. Dazu zählen etwa die Neueindeckung des Daches oder die Erneuerung der Heizungsanlage.
Betriebskosten: Die Betriebskosten einer PV-Anlage müssen Mieter:innen auch nur dann tragen, wenn der Mietvertrag eine entsprechende Regelung enthält und der Strom beispielsweise als Allgemeinstrom genutzt wird. Ähnlich wie bei den Mieterhöhungen ist eine Umlage der Betriebskosten ausgeschlossen, wenn Vermietende die Dachfläche zur Solarenergiegewinnung an Dritte verpachten oder die Energie gegen Entgelt vollständig ins Netz einspeisen.
Ein Beitrag von Moritz Lang
Weiterführende Informationen:
- https://www.berliner-mieterverein.de/aktuelles/newsletter/guenstiger-solarstrom-fuer-mieterinnen-nl0422.htm?hilite=solar
- https://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1023/photovoltaik-solarstromausbau-muss-noch-deutlich-zulegen-102308b.htm?hilite=solar
12.09.2024