Berlin boomt – als touristisches Ziel, aber auch als Magnet für junge, gut ausgebildete Menschen aus dem In- und Ausland, die in Berlin arbeiten wollen. Das hat auch die Wohnungswirtschaft erkannt. Seit einigen Jahren beobachten wir auf dem Mietmarkt eine rasante Zunahme möblierter Wohnungen, die mit Zeitverträgen angeboten werden. Wir haben unsere Geschäftsführerin Wibke Werner gefragt, warum dieses Wohnungssegment problematisch ist.
ImmoScout gab im Jahr 2023 erstmals an, dass mehr möblierte als unmöblierte Angebote auf der Seite zu finden seien. Bundesweit lag der Anteil möbliert vermieteter Wohnungen Ende 2022 laut einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Marktanalyse von Oxford Exonomics bei 27 Prozent. Und auch der kürzlich veröffentlichte Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin setzte seinen Schwerpunkt auf möblierte Mietangebote auf Zeit. Der Bericht identifizierte in Berlin in den Jahren 2021 und 2022 über die Hälfte der Inserate in diesem Segment. In anderen deutschen Großstädten lag der Anteil bei rund einem Drittel der Inserate.
Doch hinter den glänzenden Angeboten auf Plattformen mit vermeintlich unkomplizierten Zeitmietverträgen verbergen sich komplexe rechtliche und soziale Probleme. Das Segment spaltet sich auf in hochwertige Designwohnungen und „normale“ Mietwohnungen mit veraltetem oder heruntergekommenem Mobiliar und dürftiger Ausstattung. Die Mieten sind meist stark überteuert.
Womit haben wir es bei den sogenannten Kurzzeitvermietungen in Berlin im juristischen Sinn zu tun?
Bei diesen Angeboten handelt es sich um möblierte Wohnungen, die zum „vorübergehenden Gebrauch“ vermietet werden. Juristisch unterscheiden sie sich von den in Paragraphen 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelten Zeitmietverträgen, also befristeten Mietverhältnissen. Ein Zeitmietvertrag liegt vor, wenn ein konkreter Zeitraum vereinbart ist und der Vermieter bei Vertragsschluss einen qualifizierten Grund für die Befristung nennt – beispielsweise Eigenbedarf, umfassende Umbaumaßnahmen oder die spätere Nutzung als Werkswohnung.
Die Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch, also die Kurzzeitvermietung, wird in Paragraph 549 BGB erwähnt: 549 regelt allerdings nur, dass Mieter:innenschutz nicht auf Vermietungen zum vorübergehenden Gebrauch Anwendung findet. Der vorübergehende Gebrauch ist in dem Sinne also nirgendwo geregelt.
Diese Regelung ist gedacht für Menschen, die nur ein paar Monate in Berlin leben, etwa aus beruflichen Gründen oder für ein Auslandssemester. Die Mietdauer muss absehbar sein und die Situation der Mieter:innen berücksichtigen. Bei einer Mietdauer von einem Jahr handelt es sich in der Regel nicht mehr um einen vorübergehenden Gebrauch. Viele Mieter:innen stimmen aus der Not heraus solchen Verträgen zu, obwohl sie dauerhaft in Berlin wohnen möchten.
Wie grenzen sich diese Kurzzeitmieten von Airbnb Angeboten ab?
Airbnb bietet überwiegend Kurzzeitvermietung an wechselnde Feriengäste an, was in der Regel unter Vermietungen zum vorübergehenden Gebrauch fällt. Grundsätzlich ist die Vermietung regulärer Wohnungen an Feriengäste durch das Zweckentfremdungsverbot in Berlin untersagt. Unter bestimmten Voraussetzungen können solche Nutzungen genehmigt werden. So muss für Inserate eine Genehmigung und eine Registierungsnummer beim Bezirksamt beantragt und in den Inseraten genannt werden.
Inwiefern umgehen Vermieter:innen mit der Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch mietrechtliche Instrumente?
Auf Wohnungen, die zum vorübergehenden Gebrauch vermietet werden, finden weder die Mietpreisbremse noch die Vorschriften zur Mieterhöhung nach dem Mietspiegel Anwendung. Das führt oft zu der irrtümlichen Annahme, die Mietpreisbremse sei auf möblierte Wohnungen nicht anwendbar. Sie ist jedoch nur dann nicht anwendbar, wenn der vorübergehende Gebrauch hinzukommt.
Auf der Konferenz des Netzwerks Mieten und Wohnen sind viele Mietrechtsexpert:innen zusammengekommen, um Lösungen gegen dieses Vorgehen von Vermietenden zu diskutieren. Was war aus deiner Sicht der vielversprechendste Ansatz?
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Frage, warum Mieter:innen in Wohnungen zum vorübergehenden Gebrauch weniger schützenswert sein sollen als solche, die dauerhaft bleiben wollen. Die Antwort legt nahe, die Mietpreisbremse auch auf Vermietungen zum vorübergehenden Gebrauch anzuwenden. Bislang fehlt zudem eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berechnung eines Möblierungszuschlags.
Handlungsbedarf gibt es bei den Informationspflichten der Vermieter:innen: Diese sollten schon im Mietvertrag angeben müssen, welche Möbel dem Möblierungszuschlag unterfallen, inklusive Anschaffungsdatum und Anschaffungspreis. Außerdem stellt sich die Frage, ab wann ein Möblierungszuschlag überhaupt gerechtfertigt ist: schon bei einer teilweisen Möblierung oder erst bei einer voll ausgestatteten „löffelfertigen“ Wohnung?
Insgesamt sind die Fragen rund um die Möblierung noch nicht ausreichend geklärt und vieles ist intransparent. Daher müssen aus unserer Sicht dringend Lösungen gefunden und Regelungen durch den Gesetzgeber getroffen werden.
Wenn etwa ein Drittel aller Wohnungsangebote auf den einschlägigen Immobilienplattformen schon teure Wohnungen zum vorübergehenden Gebrauch sind, verändert das auch die Stadtgesellschaft. Welche Folgen sind auszumachen?
Wenn ein erheblicher Teil der Wohnungsangebote auf Immobilienplattformen aus teuren Wohnungen zum vorübergehenden Gebrauch besteht, hat dies spürbare Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft. In einem Kiez, in dem viele Menschen nur auf der Durchreise wohnen, fehlt die langfristige Integration in die Nachbarschaft. Die ständige Fluktuation führt dazu, dass sich die Kurzzeitmieter:innen, die häufig gutverdienend sind, nicht in den Kiez einbringen. Dadurch verändert sich nach und nach die Infrastruktur im Kiez: Restaurants und Geschäfte werden teurer, weitere Wohnungen werden möbliert angeboten, es kommt vielleicht zu mehr Lärmbelastungen. Diese Veränderungen beeinträchtigen die Bestandsmieter:innen, was im schlimmsten Fall zu steigenden Mieten und damit einhergehender Verdrängung der ansässigen Kiezbewohner:innen führen kann.
Was könnte die Berliner Landesregierung dieser „Vernichtung bezahlbaren Wohnraums“ entgegensetzen?
Die Berliner Landesregierung muss die Ahndung von Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz verbessern. Dazu ist es notwendig, die personellen und strukturellen Kapazitäten der Bezirksämter aufzustocken, um Kurzzeit-und Ferienvermietungen ordnungsrechtlich verfolgen zu können. Bislang ist das ein höchst aufwändiges Verfahren, das die Bezirke oft nicht stemmen können.
Gibt es konkrete Schritte oder Maßnahmen, die Mieter:innen ergreifen können, um sich gegen unfaire Vermietungspraktiken zu wehren?
Mieter:innen sollten sich zunächst über ihre Rechte informieren und bei Bedarf rechtlichen Rat einholen, beispielsweise bei uns im Mieterverein. Sie können auch selbst aktiv werden, indem sie sich bei Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz an die zuständigen Behörden im Bezirksamt wenden und den Verstoß anzeigen. Zudem ist es wichtig, dass Mieter:innen bei Vertragsabschlüssen genau prüfen, ob die angebotene Wohnung tatsächlich ihren Bedürfnissen entspricht und nicht fälschlicherweise eine nur vorübergehende Nutzung vorgeschoben wird.
Wie könnte eine transparentere Regelung bezüglich der Möblierung und der damit verbundenen Mietpreisgestaltung aussehen?
Eine mögliche Lösung wäre die Einführung klarer Richtlinien und Standards für die Bewertung und Berechnung der Möblierung in Mietverträgen. Zudem könnte eine unabhängige Instanz geschaffen werden, die bei Unstimmigkeiten oder Streitfällen eine faire Bewertung der Möblierung vornimmt und damit eine Grundlage für die Festlegung angemessener Mietpreise schafft.
Welche Rolle spielen Immobilienplattformen wie ImmoScout oder Airbnb bei der Verbreitung dieser Vermietungspraktiken und wie könnte man sie in die Verantwortung nehmen?
Immobilienplattformen spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermarktung und Vermittlung von möblierten Wohnungen, insbesondere im Bereich der Kurzzeitvermietung. Um unfaire Vermietungspraktiken einzudämmen, muss der Gesetzgeber strengere Regulierungen und Kontrollmechanismen einführen und Plattformen zur Überprüfung und Verifizierung von Vermietungsangeboten verpflichten. Zudem sollten Plattformen wie Airbnb sicherstellen, dass ihre Nutzer:innen die geltenden Gesetze und Regularien einhalten und keine illegalen Kurzzeitvermietungen durchführen.
Abschließend: Welche langfristigen Lösungsansätze siehst du, um die Problematik der Umgehung von Mieterschutzvorschriften nachhaltig zu adressieren?
Es bedarf einer umfassenden Reform des Mietrechts und einer Stärkung der Mieterschutzrechte. Dazu gehören unter anderem eine Überarbeitung und Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, eine bessere Regulierung und Kontrolle von Kurzzeitvermietungen sowie mehr Transparenz und Fairness bei der Vermietung möblierter Wohnungen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten – Mieter:innen, Vermieter:innen, Behörden und Politik – gemeinsam an Lösungen arbeiten, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und faire Wohnbedingungen für alle sicherzustellen.
vc, fs
22.05.2024