Viele Jahre hat sich Reiner Wild im Arbeitskreis „Große Wohnungsunternehmen“ des Deutschen Mieterbundes (DMB) engagiert und die Agenda vorangebracht. Mit dem Eintritt in den Ruhestand wird seine kritische Stimme fehlen. Eine Würdigung von Daniel Zimmermann, Koordinator „Große Wohnungsunternehmen“ beim Deutschen Mieterbund (DMB).
Warum lassen wir den großen börsennotierten Wohnungsunternehmen unsere gesonderte Aufmerksamkeit zukommen?
Diese Frage stellte Reiner Wild gerne im bundesweiten Arbeitskreis „Große Wohnungsunternehmen“ des Deutschen Mieterbundes. Und sie war aus seiner Sicht berechtigt. Denn die Konzerne, über die der Arbeitskreis in seinen Sitzungen und Veranstaltungen üblicherweise sprach, scheinen längst nicht die „schlimmsten“ Akteure zu sein, die der Wohnungsmarkt zu bieten hat. Was aber unterscheidet die großen Börsenkonzerne und warum lohnt es sich, ihr Geschäft gesondert zu verfolgen, vielleicht sogar eigene rechtliche Regelungen für sie zu fordern? Eine provokante Fragestellung, von dessen halbwegs plausibler Beantwortung letztlich die Existenz des Arbeitskreises abhängt.
Aber werfen wir zunächst einen Blick auf die Anfänge des Arbeitskreises. Seine Vorgeschichte reicht zurück in Zeiten noch vor der Vonovia, ja selbst vor der Deutschen Annington. Er entwickelte sich als Vernetzung hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen, wo der Konzern die größten Teile seines Bestandes hatte und wo das Thema auch durch die damalige Privatisierung der landeseigenen Wohnungsgesellschaft LEG Fahrt aufgenommen hatte. Der Koordinationskreis dieser Annington-Vernetzung sollte später dann einmal zum offiziellen Arbeitskreis „Große Wohnungsunternehmen“ des Deutschen Mieterbundes avancieren. Seinen Schwerpunkt „Vonovia“ behielt er bei.
In Berlin aber beherrschte die Deutsche Wohnen die politische Debatte sowie die Rechtsberatungsstunden der Kolleginnen und Kollegen. Der Konzern war weitaus bedeutender in Berlin, spielte im Rest des Landes aber kaum eine Rolle. Reiner muss sich zwangsläufig mit seinen eigenen Themen ein wenig unbeachtet gefühlt haben. Doch Markenzeichen von Reiner war und ist, dass er diese objektive Situation nie hat zu persönlichem Desinteresse führen lassen. Im Gegenteil: Er war stets mit vollem Einsatz dabei, setzte gemeinsame Vorhaben um und nahm auch das ein oder andere Mal den langen Weg bis Bochum oder Dortmund auf sich, um an den Protestveranstaltungen gegen die Vonovia-Hauptversammlung teilzunehmen.
Reiners Engagement gepaart mit seiner kritischen Begleitung und Fragestellung führten dazu, dass wir vorangekommen sind. Der Arbeitskreis fand in den vergangenen Jahren zu den nötigen Antworten auf die eingangs gestellte Frage. Er nahm die Geschäftsmodelle von Vonovia & Co. in den Blick, fragte die Erfahrungswerte der Mietervereine ab, erstellte Handreichungen für die Rechtsberatung und ließ sein angesammeltes Wissen zuletzt in eine Positionierung zur Bundestagswahl einfließen. Als dann 2021 die Vonovia im mittlerweile dritten Anlauf die Deutsche Wohnen übernommen hat, war ein für alle Mal klar: Den börsennotierten Wohnungskonzernen muss unsere gesonderte Beachtung zukommen. Nun kommt – kurz vor Reiners Abschied in den Ruhestand – auch kein:e Berliner:in mehr an der Vonovia vorbei.
Doch selbst wenn sich die Vonovia-Chefs Rolf Buch und Michael Zahn (mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschieden) mit samt ihren Aktionären und Kreditgebern noch einen Moment länger Zeit gelassen hätten, die bis dato bereits erreichte Bedeutung dieser Wohnungskonzerne leitete sich nicht allein aus der Zahl ihrer eigenen Bestände ab. Vielmehr standen und stehen sie Modell für die Branche. Ob teure Modernisierungen in Serie oder In-sich-Geschäfte mit konzerneigenen Tochtergesellschaften für Hausmeister, Energieversorgung oder Gartenpflege – die Großen machen es vor, der Rest macht es nach. Ihr Einfluss geht darüber aber weit hinaus, wenn die einzelnen Konzerne finanzstarke Lobbyarbeit auf allen politischen Ebenen machen und die Vorstände in Ministerien und Rathäusern ein- und ausgehen.
Bequemlichkeit ist nicht produktiv und vorschnelle Schlüsse können in die falsche Richtung leiten. Dem Arbeitskreis „Große Wohnungsunternehmen“ wird Reiners Stimme fehlen.
Danke, Reiner, dass du richtige und wichtige Fragen nie gescheut hast!
25.08.2022