Trotz Klimakrise und steigender Energiepreise hat die Sanierungsrate in den vergangenen Jahren ein Rekordtief erreicht. Der Deutsche Mieterbund (DMB) macht gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in einem Update zum „Drittelmodell“ neue Vorschläge, wie sozialverträgliche Sanierung gelingen kann. Die wichtigsten Antworten im Überblick.
Es ist ein bislang ungelöstes Dilemma: Unsanierte, alte Gebäude zählen zu den größten Klimasündern in Berlin. 2020 verursachte der Gebäudesektor in Berlin 43 Prozent der CO2-Emissionen. Auch im Jahr 2023 hat dieser Bereich das vierte Jahr in Folge die gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziele verfehlt, während die Sanierungsrate weiter auf einem Rekordtief bleibt. Bundesweit lag diese im Jahr 2023 bei 0,7 Prozent im Gebäudebestand. Für Vermietende bestehen offenbar nur wenige Anreize, Gebäude klimaeffizienter zu machen.
Mietenden graut es auf der anderen Seite vor steigenden Mieten wegen Modernisierungen und zusätzlich hohen Energiekosten. Am Ende von Sanierungsmaßnahmen zahlen viele Mietende mehr, obwohl ihr Energieverbrauch sinkt. Der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen führt per se zu Kostensteigerungen, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat zusätzliche Verknappungen von Gas herbeigeführt. Allzu oft sorgen Modernisierungsmaßnahmen an den Wohngebäuden nicht für ausreichende Einsparungen beim Heizen, und die Umlage der Investition auf die Mietenden ist zu hoch. Mehr als die Hälfte der Mietenden gehört zum unteren Einkommensdrittel, sie sind von erhöhten Mieten und Energiepreisen besonders hart betroffen. Zudem haben Mietende keinen Einfluss darauf, ob, wann und in welchem Ausmaß ein Gebäude saniert wird.
Mit dem sogenannten Drittelmodell soll Klimaschutz im Gebäudesektor sozialverträglich möglich werden und zugleich wichtige Impulse für die Wohnungswirtschaft setzen. Der Begriff „Drittelmodell“ bezieht sich dabei nicht auf ein mathematisches Drittel, sondern auf die Aufteilung der Kosten auf drei Schultern.
Das Drittelmodell: Ein Lösungsvorschlag
- Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutscher Mieterbund (DMB) und Naturschutzring haben bereits 2012 einen Lösungsvorschlag für sozialen Klimaschutz in Mietwohnungen gemacht. Laut Drittelmodell sollen Mietende, Vermietende und Staat die Kosten gemeinsam tragen. Eine neue Studie in Zusammenarbeit mit dem DMB zeigt, wie die Sanierungskosten – angepasst an die aktuellen Rahmenbedingungen – verteilt werden können:
- Mietende: Laut dem neuen Drittelmodell zahlen die Mietenden nicht mehr, als sie am Ende an Energiekosten einsparen. Zukünftig soll nur noch ein geringer Anteil der Investitionen für die Modernisierung auf die Mietenden umgelegt werden, nämlich drei Prozent. Bislang dürfen Vermietende mit der „Modernisierungsumlage“ acht bis zehn Prozent der Sanierungskosten an die Mietenden durchgeben.
- Vermietende: Diese tragen einen größeren Teil der Sanierungskosten und sollen dafür mehr Mittel, zum Beispiel in Form von Förderungen, erhalten. Außerdem soll die Berechnung der Modernisierungsumlage erleichtert werden.
Staat: Der Staat soll dem neuen Drittelmodell zufolge Förderprogramme zielgenauer einsetzen und Fördersätze verdoppeln. Vermietende müssen erhaltene Fördermittel gegenüber den Mietenden bei der Umlage nicht mehr in Abzug bringen, dürfen diese also „behalten“.
Welche Vorteile hat das Drittelmodell für die Mietenden?
Das Drittelmodell zielt darauf ab, dass Mietende vor und nach einer Sanierung dieselbe Warmmiete zahlen. Die erhöhte Kaltmiete (drei Prozent) soll die sinkenden Heizkosten ausgleichen. Man spricht dann von Warmmietenneutralität.
Ist sozialverträglicher Klimaschutz in Mietwohnungen also realisierbar?
Dazu sagen zumindest BUND und DMB: Ja! „In gut sanierten Gebäuden leben Mietende in einem behaglichen Zuhause mit niedrigen Energiekosten, für Vermietende steigt der Wert der Immobilie und gleichzeitig werden schädliche Treibhausgas-Emissionen eingespart. „Eine Win-win-Situation für alle – wenn die dafür notwendigen Kosten gerecht verteilt werden“, heißt es in der Erklärung zu der Studie.
Wie realistisch ist die Einführung des Drittelmodells?
Die Grundzüge des Modells sind zu begrüßen und vermutlich anderen möglichen Modellen vorzuziehen. Die Bundesregierung hatte sich aufgrund des Mieter-Vermieter-Dilemmas in den Koalitionsvertrag die Prüfung eines Teilwarmmietenmodells eingeschrieben, bei dem sich Vermietende und Mietende die Heizkosten teilen. Das Bundesjustizministerium hatte dazu eine Studie vom Öko-Institut beauftragt, die eine theoretische Machbarkeit unter jedoch teils immensen Herausforderungen bestätigt.
DMB und BMV vertreten die Position, dass eine Teilwarmmietenlösung für die Mietenden aus verschiedenen Gründen nicht vorteilhaft ist, zumal die Teilwarmmiete die Einbindung staatlicher Verantwortung außen vor lässt. Seit Veröffentlichung der Studie zur Teilwarmmiete gab es keinen erkennbaren Impuls, der zu einer Lösung des Mieter-Vermieter-Dilemmas beitragen und darüber hinaus Anreize für die Wohnungswirtschaft zur energetischen Sanierung setzen könnte.
Mit der Neuberechnung des Drittelmodells unter den seit 2012 stark veränderten Rahmenbedingungen wie gestiegenen Bau- und Energiekosten, Finanzierungsmodalitäten der Wohnungsunternehmen durch die gestiegenen Zinsen für Baudarlehen setzen DMB und BUND nun das Thema erneut auf die politische Agenda. Eine zeitnahe Umsetzung ist wahrscheinlich nicht zu erwarten. Die Studie zum vorgestellten Drittelmodell adressiert ausschließlich die finanzielle Kostenaufteilung. Solche Förderregelungen bedürfen aus unserer Sicht auch ordnungs- und mietrechtlicher Anpassungen, die sicherstellen, dass hochpreisige Investitionen der Vermietenden nicht die Drei-Prozent-Umlage an die Mietenden in die Höhe treiben und damit das Ziel der Sozialverträglichkeit erneut aushöhlen. Für geschenktes Geld vom Staat sollten Vermietende darüber hinaus weitreichende soziale Verpflichtungen gegenüber ihren Mietenden eingehen und deren Beteiligung garantieren.
sk, fs
22.05.2024