In der Windscheidstraße in Charlottenburg sollen zwei Häuser mit bezahlbaren Wohnungen abgerissen werden. Die Eigentümerin will neu bauen. Die Mieterinnen und Mieter wehren sich gemeinsam.
Im Sommer 2020 hing ein Aushang im Hausflur. Darin konnten die Mieterinnen und Mieter lesen, dass ihr Haus in der Windscheidstraße abgerissen werden soll. Den Abriss habe das Bezirksamt bereits genehmigt, ebenso den geplanten Neubau, wurden die Bewohnerinnen und Bewohner in dem Schreiben der SPD Charlottenburg informiert. Das war nicht nur ein Schock für alle, die hier zum Teil schon seit Jahrzehnten zu bezahlbaren Mieten wohnen. Es war auch eine Überraschung, denn ursprünglich plante die Hauseigentümerin eigentlich eine Sanierung. Die Mieterinnen und Mieter wollten dies nicht einfach hinnehmen und haben sich in einer Mieterinneninitiative zusammengeschlossen, um sich gemeinsam zu wehren.
„Noch im Jahr zuvor hatte uns die Hauseigentümerin zu einer Mieterversammlung eingeladen und uns die Sanierungspläne vorgestellt“, sagt Katja, die ihren wahren Namen lieber nicht nennen will. Anschließend waren auch Gutachter in ihrer Wohnung, in der sie seit mehr als zehn Jahren lebt. Die sahen, was auch den Mieterinnen und Mieter nicht entgangen war: Die beiden Gebäude in der Windscheidstraße – das Vorderhaus ist ein schmuckloser Bau aus den 1950er Jahren, das Hinterhaus entstand etwa um das Jahr 1900 – sind in einem schlechten Zustand. Wechselnde Eigentümer:innen haben hier seit vielen Jahren nichts in die Instandhaltung investiert. Einige Wohnungen stehen bereits lange leer. Fenster, Rohrleitungen und Heizung sind veraltet, das streitet niemand ab. Aber ein Abriss? „Die Bausubstanz im Hinterhaus ist in Ordnung und das Haus ist durchaus erhaltenswert“, sagt Katja.
Mieter:inneninitiative entstand mit Ankündigung der Sanierung
Sie hat sich mit den anderen Mieterinnen und Mieter zusammengetan und zwar bereits nach der Ankündigung der Sanierung, denn auch dies hat viele Mieterinnen und Mieter im Haus schon verunsichert. Zuerst schlossen sie sich in einer Chat-Gruppe zusammen, trafen sich dann auch beim Italiener um die Ecke. Mit Beginn der Pandemie fanden die Treffen mit Abstand und Maske im Hof statt. Aus ihrer Mitte wählten die Mieter:innen zwei Sprecher:innen, die ihre Sache gegenüber der Hauseigentümerin vertraten und sie nahmen sich gemeinsam einen Anwalt, um sich Rat zu suchen.
Unterstützung haben die Mieter:innen auch von anderer Seite erhalten – unter anderem von der MieterWerkStadt Charlottenburg und auch vom Berliner Mieterverein. „Sebastian Bartels vom BMV war bei einem unserer Treffen, um uns zu erklären, wie wir uns verhalten sollen und dass wir unbedingt zusammenhalten und uns abstimmen sollen“, erzählt Katja. Auch sie hat die Beobachtung gemacht, „dass die Hauseigentümerin sich immer mit einzelnen Parteien einigen will“. Der BMV, die MieterWerkStadt und andere hätten sie auf dem langen Weg begleitet, sagt Katja. Das sei wichtig gewesen, denn der Druck ist hoch und der Informationsbedarf ebenso.
Vorher kannten sich die Mieterinnen und Mieter kaum
Denn bisher ist noch keine gute Lösung für die Mieterinnen und Mieter in Sicht. Die Hauseigentümerin habe zwar angeboten, für Ersatzwohnungen zu sorgen, sagt Katja. „Aber sie haben uns nur Anzeigen aus dem Internet gesandt für Wohnungen, die meist nicht infrage kamen.“ Auch die angebotenen Abfindungen seien unzureichend. „Was nützt uns eine Abfindung, die uns nach Abzug der Kosten für den Umzug nur ein oder zwei Jahre über die viel höheren Mieten anderswo über die Runden bringt?“. Hinzukomme, dass die meisten natürlich in der Nähe bleiben wollen. Denn hier sind sie Zuhause.
„Wir sind als Mieterinnen und Mieter sehr eng zusammen gekommen“, berichtet Katja. „Vorher kannten wir uns kaum, haben nur guten Tag gewünscht. Aber dann entstand ein reger Austausch, der wirklich freundschaftlich geworden ist. Wir sind hier zusammengerückt und auch die, die inzwischen ausgezogen sind, stehen weiter mit uns in Verbindung.“ So hat die ganze Sache irgendwie auch etwas Gutes, findet Katja.
Der Kampf der Mieterinnen und Mieter in der Windscheidstraße gegen den Abriss ihrer Wohnungen geht weiter. Zusammen mit der MieterWerkStadt, dem Ini-Forum Berlin und der Hausgemeinschaft wird der BMV weiter dafür einstehen, dass die Mieterinnen und Mieter ihr Zuhause nicht verlassen müssen. Auch aus ökologischen Gründen müssen wir die Abrissvorhaben von Eigentümerinnen und Eigentümer stets hinterfragen.
11.10.2021