Auf einer Sonderkonferenz Ende Juni in Berlin hat die Bauministerkonferenz (BMK) dringend notwendige Vereinfachungen im Wohngeldrecht gefordert. Die aktuelle Reform „Wohngeld-Plus“ hat zwar den Kreis der Wohngeldempfänger:innen erweitert, stellt die Behörden aber vor große Herausforderungen.
Bayerns Bauminister und Vorsitzender der Bauministerkonferenz (BMK) Christian Bernreiter betonte auf der Sonderkonferenz die Notwendigkeit schneller und effizienter Prozesse bei der Wohngeldantragsbearbeitung. Trotz positiver Effekte des Wohngeld-Plus für Mietende stehen die Verwaltungen vor einem massiven Antragsstau und hohen Kosten. In Berlin hat die Behörde von Januar 2023 bis Mai 2024 mehr als 108.000 Wohngeldanträge positiv beschieden. Noch im Jahr 2022 haben nur rund 25.000 Haushalte Wohngeld erhalten. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer im Antragsverfahren beträgt aktuell 15 Wochen. Spitzenreiter sind die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte: Hier kann ein Antrag derzeit bis zu 29 Wochen liegen.
Das hat einerseits mit personellen Kapazitäten zu tun und ist andererseits der Tatsache geschuldet, dass die Digitalisierung in den Fachbereichen Wohnen der Bezirksämter wenig vorangeschritten ist. Einige Wohnungsämter unterhalten bis zu 37 Personalstellen für die Beantragung von Wohngeldanträgen. Weniger als ein Drittel der Antragstellenden nutzen bislang das digitale Antragsverfahren. Der durchschnittlich ausgezahlte Wohngeldbetrag liegt in Berlin bei 280 Euro im Monat. Vor der Wohngeld-Plus-Reform lag dieser bei 179 Euro monatlich.
Verbesserungen im Antragsverfahren gefordert
Um die Situation zu verbessern, setzen sich die Länder für eine Vereinfachung der Einkommensermittlung und eine verstärkte Digitalisierung bei der Antragstellung ein. Dies soll nicht nur die Bearbeitungszeiten verkürzen, sondern auch die Belastung für Antragstellende und Verwaltung reduzieren.
Einige Länder, wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, fordern zudem eine höhere finanzielle Beteiligung des Bundes am Wohngeld. Die gestiegenen Kosten durch die Wohngeldreform belasten die Länderhaushalte stark, was den Ländern zufolge eine gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten erforderlich macht. Auch Hamburg unterstützt die Forderung nach Vereinfachungen im Antragsverfahren, hält eine weitergehende finanzielle Unterstützung vom Bund aber nicht für nötig. Bislang wird das Wohngeld hälftig von Bund und Ländern finanziert.
Exkurs
Wohngeld erhalten Mieter:innen als Zuschuss zur Miete, aber auch als sogenannten Lastenzuschuss für Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum. Den Zuschuss bekommen alle, die ein eigenes Einkommen haben. Neben dem Lohn aus Erwerbsarbeit zählen dazu Rentenbezüge, Arbeitslosengeld I oder Kurzarbeitergeld. Ursprünglich war das Wohngeld für Haushalte mit niedrigen Einkommen als Unterstützung gedacht, insbesondere größere Familien sollen damit eine familiengerechte Wohnung unterhalten können. Aber auch für Auszubildende und Studierende kann das Wohngeld eine wichtige Unterstützungsleistung sein, wenn sie nicht BAföG berechtigt sind. Spätestens seit der Wohngeldreform und vor dem Hintergrund angespannter Wohnungsmärkte präsentiert sich diese Subjektförderung als Subvention der starken Mietanstiege in den Städten. Damit kommt das Wohngeld privaten Wohnungskonzernen und profitorientierten Immobilieneigentümer:innen zugute und garantiert sichere Einnahmen. Für Mietende bedeutet das Wohngeld einen hohen Bürokratieaufwand sowie die Offenlegung ihrer persönlichen Verhältnisse. Viele Menschen beklagen zudem, auf sozialstaatliche Leistungen angewiesen zu sein, obwohl sie erwerbstätig sind oder waren. Nicht selten schafft das ein gesellschaftliches Minderwertigkeitsgefühl bei den Betroffenen.
Aus BMV-Sicht hat daher die Objektförderung, die etwa dem Bau preisgünstiger Wohnungen zugute kommt, Priorität. Ehe jährlich Milliarden Euro durch Bund und Länder in die Wohngeldfinanzierung fließen, sollten Mietanstiege gedeckelt sein und alle Akteure der Wohnungswirtschaft in die Pflicht genommen werden, preisgünstige Wohnen anzubieten.
Neuer Gesetzentwurf in Arbeit
Die Bauministerkonferenz arbeitet nun an einem Gesetzentwurf zur Reform des Wohngeldrechts, der die Herausforderungen angehen soll: Das umfasst auch die Schaffung notwendiger rechtlicher Grundlagen, die eine reibungslose Umsetzung der Wohngeldreform für die Behörden ermöglichen und die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern klären soll.
Vera Colditz, Franziska Schulte
18.07.2024