Es braut sich etwas zusammen. Die Wohnungskrise in unserer Stadt und die politischen Antworten darauf werden immer absurder, für Mieter:innen und Wohnungssuchende wird es 2024 noch enger. Doch auch die Mietenbewegung bleibt stark und wächst mit ihren Aufgaben: Wir wünschen, wir fordern, wir kämpfen – damit wir wieder lauter sind als die Lobbyverbände der Immobilienwirtschaft. Ein Kommentar mit Blick aufs Jahr.
Kein schlechter Scherz: 3.000 Euro Nachforderung bei den Heizkosten
Das Jahr 2023 endete für viele Mieter:innen mit einem Schock: In zahlreichen Siedlungen, überwiegend von großen Wohnungsunternehmen, sollen etliche Haushalte mehrere tausend Euro an Heizkosten nachzahlen. Derartige Heizkostenabrechnungen haben auch wir im Berliner Mieterverein noch nie gesehen. Das Ausmaß wird uns schnell klar: Hier geht es nicht um einige Dutzend Fälle, sondern um mehr als tausend Abrechnungen. Mietende von privaten und von städtischen Wohnungsunternehmen sind gleichermaßen betroffen. Es geht um vierstellige Nachforderungen und um Vorauszahlungen, die teils höher ausfallen als die Nettokaltmieten. Kein Wunder, dass die Betroffenen sich abgezockt fühlen.
Gut, dass es das Kiezprojekt und in vielen Siedlungen mutige Mieter:innen gibt! In kürzester Zeit haben sie ihre Nachbar:innen zusammengetrommelt und kämpfen nun gemeinsam für transparente und korrekte Abrechnungen. Sie wissen, dass die Heizkostenproblematik eine ist, die immer wiederkehrt, daher wollen sie sich mit anderen Initiativen in Berlin zusammenschließen und gegen den Mietenwahnsinn vorgehen. Denn die Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf das Problem der enormen Heizkosten fällt mager aus. Ein Appell des Staatssekretärs für Mieterschutz Stephan Machulik (SPD) an die Unternehmen, den Mietenden Ratenzahlungsvereinbarungen zu gewähren, stellt uns nicht zufrieden. Wir fordern eine Antwort auf die Frage: Wer macht in dieser für die Bürger:innen undurchsichtigen Gemengelage der schwankenden Energiepreise Profit auf ihre Kosten? Eins ist sicher: Der Bundesgesetzgeber muss dringend an einigen Stellschrauben nachjustieren, denn für die sozial gerechte Wärmewende im Gebäudesektor braucht es eine transparente, vom Finanzmarkt unabhängige Preisgestaltung. Wohnen und Energie sind Bereiche der Daseinsvorsorge.
Während der Gesetzgeber untätig bleibt, bauen die Mieter:innen viel Wissen rund um das Thema Heizen auf. Sie werden für ihre Rechte kämpfen und schließen sich bundesweit zusammen. Auch der Bundesverband Verbraucherzentralen ist in zwei Fällen auf Fernwärmeanbieter mit starken Preissteigerungen aufmerksam geworden und hat zwei Sammelklagen für betroffene Verbraucher:innen initiiert.
Mietspiegel 2024: Die Prognosen sind düster
Die Energiekosten werden uns das ganze Jahr über beschäftigen. Genauso wie der neue qualifizierte Mietspiegel, der im Mai erscheint. In den Mietspiegel fließen alle Mieten ein, die sich in den letzten sechs Jahren verändert haben, also Neuvertragsmieten sowie Mieten nach Mieterhöhungen. Der letzte qualifizierte Mietspiegel – basierend auf einer Datenerhebung nach wissenschaftlichen Kriterien – ist fünf Jahre alt. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Senat für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen behelfsmäßig einen Senatsmietspiegel, der bereits in zahlreichen Haushalten zu Mieterhöhungen führte.
Die Prognose für die weitere Mietentwicklung in Berlin sieht düster aus: Wir rechnen mit teils erheblichen Steigerungen in den unterschiedlichen Wohnlagen. Auch deshalb, weil noch immer zu viele Indexmieten in den Mietspiegel einfließen und zahlreiche Mieten, die gegen die Mietpreisbremse verstoßen und von den Mieter:innen nicht geahndet werden.
Neu ist, dass der Mietspiegel auch für die landeseigenen Wohnungen (LWU) wieder maßgeblich sein wird. Mit dem Inkrafttreten einer neuen Kooperationsvereinbarung am 1. Januar 2024 sind die bisherigen Begrenzungen für Mieterhöhungen bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften aufgehoben. Für viele Mieter:innen sind die Mieterhöhungen bereits zum 1. Januar wirksam geworden. Auch hier tut sich etwas. Mieterräte und Mieterbeiräte sowie weitere Engagierte haben sich in einem neuen Bündnis zusammengeschlossen. Nachdem die neue Kooperationsvereinbarung viele ihrer sozialen Flanken eingebüßt hat, soll in diesem Jahr auch das Wohnraumversorgungsgesetz novelliert werden. Auch die Mitbestimmung der Mieter:innen wird vielerorts nicht umgesetzt. Die Wohnraumversorgung Berlin soll zukünftig weniger berichten über die wirtschaftliche Lage der LWU und die Einhaltung der Kooperationsvereinbarung. Ob damit noch die Ziele des Mietenvolksentscheids verfolgt werden, kann bezweifelt werden.
Mit einem starken Netzwerk gegen Eigenbedarfskündigungen
Wie ein Damoklesschwert hängen die vielen Eigenbedarfskündigungen über Berlin. In den vergangenen zwei Jahren ist die Anzahl stark gestiegen. Gemeinsam mit verschiedenen Initiativen und dem Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn machen wir mobil. Wir finden Antworten, leisten Rechtshilfe und begleiten die Menschen. In vielen Fällen können die Betroffenen Zeit gewinnen, die Klagen der Eigentümer:innen werden häufig abgewiesen. Allein die Kraft und den Mut brauchen die Betroffenen. Daher spinnt das Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn ein breites Netzwerk, um Betroffene aufzufangen. Zwei Veranstaltungen fanden bereits statt, auf denen sich jeweils mehr als 100 Mieter:innen ausgetauscht und vernetzt haben, um den Informationsfluss untereinander zu sichern. Rechtsrat, Recherchehilfe und die solidarische Gerichtsbegleitung sind nur einige der Maßnahmen, die Betroffenen das Gefühl geben, nicht allein zu sein. Und das ist entscheidend, denn allein finden viele nicht die Kraft, sich zu wehren. Deshalb rufen wir alle Mieter:innen, denen Eigenbedarfskündigungen drohen, dazu auf, zu den nächsten Netzwerktreffen zu kommen!
Die Liste der notwendigen Reformen ist lang, doch das Justizministerium bleibt untätig
Mietrechtliche Reformen braucht es nicht nur beim Thema Eigenbedarf. Auch bei zahlreichen weiteren Regelungen sehen wir dringenden Handlungsbedarf: Seit 2021 können die Bezirke in den Milieuschutzgebieten das bezirkliche Vorkaufsrecht gegenüber profitorientierten Investor:innen nicht mehr ausüben. Die mietrechtlichen Themen aus dem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung bisher allesamt nicht angepackt, der soziale Wohnungsbau führt ein Nischendasein und fällt bei den lauten Neubaudebatten regelmäßig hinten runter. Auch die Finanzierung der Neuen Wohngemeinnützigkeit – ein weiterer Punkt aus dem Koalitionsvertrag – bleibt das Finanzministerium bisher schuldig. Bei der Mietpreisbremse fordern wir gemeinsam mit anderen schon seit langem nicht nur wichtige Anpassungen, sondern nach 2025 auch eine Verlängerung des Instruments zum Mieter:innenschutz.
In Berlin fallen zudem tausende Wohnungen aus den Sozialbindungen, die Finanzierung für gemeinnützige Stadtprojekte wie das Initiativenforum Stadtpolitik und die aks Gemeinwohl laufen mangels Budgets aus dem Landeshaushalt aus und die Bezirke erteilen immer noch Abrissgenehmigungen.
Jetzt ist die Zeit, für eine gerechte Wohnpolitik zu kämpfen
Die Verdrängungsmechanismen sind vielfältig und die Mitbestimmung von Mieter:innen und Stadtbewohner:innen bleibt in vielen Bereichen zu dürftig. Wir wünschen uns wieder laute Debatten über das Recht auf Wohnen und wir fordern dieses Recht an vielen Orten auf der Straße ein. Wir als Gesellschaft müssen mit der Politik aushandeln, ob wir die Marktlogik beim Wohnen weiter akzeptieren wollen und was an ihre Stelle treten soll.
Trotz der düsteren Prognosen und der Tatenlosigkeit der politischen Entscheidungsträger:innen resignieren wir nicht. Im Gegenteil: 2024 gibt uns viele Anlässe, unsere Kräfte zu bündeln und für eine gerechte Wohnpolitik zu kämpfen. Das Miteinander, das in denbestehenden und den vielen neuen Mieter:inneninitiativen sehr spürbar ist, wird weiter wachsen. Mieter:innen, die bereits in ihren Kiezen aktiv sind, zeigen, wie wirksam der Widerstand ist.
Wir werden in diesem Jahr nicht müde werden, unseren Unmut zu zeigen: auf dem Housing Action Day 2024, auf unseren Bezirksversammlungen, vor und in den Gerichten, bei der Mahnwache für Obdachlose und auf einer großen Mieten-Demonstration, die schon in Planung ist. Wer sich mehr engagieren kann, ist herzlich willkommen!
Ein Kommentar von Franziska Schulte
25.01.2024