Hohe Nebenkosten, fehlerhafte Abrechnungen und mangelnde Erreichbarkeit der Vermieterin – in Lichtenberg formiert sich eine Gruppe engagierter Mieter:innen, um gemeinsam für ihre Rechte und Anliegen einzutreten. Wir haben sie bei einem Treffen besucht.
Es ist Donnerstag, ein warmer Frühlingsabend in Lichtenberg. Die hinter den Wohnblock gesunkene Sonne taucht die Plattenbausiedlung in ein sanftes Licht, als sich die Mieter:innen einer Deutsche-Wohnen-Siedlung aus den 1970er Jahren in einem Kiezladen treffen. Es ist bereits das vierte Mal, dass sie hier zusammenkommen. Ein junger Bewohner, der schon seit ein paar Jahren aktiv für die Rechte der Mieter:innen kämpft und sich nun auch für seine eigene Nachbarschaft stark macht, übernimmt die Moderation. Er begrüßt alle persönlich und kümmert sich darum, dass jede:r einen Sitzplatz bekommt. Um kurz nach 18 Uhr sind rund 20 Mieter:innen, eine Kollegin des Berliner Mietervereins (BMV) und eine Mitarbeiterin des Berliner Kiezprojekts zusammengekommen.
Herzlicher Austausch und engagierte Vernetzung
Schon in der Vorstellungsrunde entsteht schnell eine vertraute Atmosphäre. Nicht nur das Kennenlernen der „Neuen“ steht im Vordergrund, die Vernetzung unter den bereits bekannten Teilnehmenden ist allen weiterhin wichtig. Tanja R., die Vertreterin des Kiezprojekts, erklärt ihre Rolle: „Wir unterstützen schon seit dem ersten Treffen bei der Vor- und Nachbereitung und freuen uns, eure ehrenamtliche Arbeit zu begleiten“, sagt sie. Unsere BMV-Kollegin gibt Einblicke in den Verein, erklärt unsere Struktur, das Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip sowie die Mitgliedschaft als Hausgemeinschaft. Anschließend verteilt sie Infoblätter.
Sorgen wegen hoher Nebenkosten
Viele äußern ihre Sorgen über hohe Mieten und steigende Nebenkosten. Die Teilnehmenden beklagen die schlechte Erreichbarkeit des Wohnungsunternehmens – immer wieder müssen die Mieter:innen feststellen, dass niemand für Schadens- oder Notfälle zur Verfügung steht. Einige Neumieter:innen, sind mit diesem Problem überfordert und fühlen sich hilflos. Eine Mieterin sagt: „Es ist unglaublich frustrierend, mit solch hohen Nebenkosten und zusätzlich mit der Indexmiete konfrontiert zu sein. Wir stottern schon seit Monaten die Nachforderungen ab, haben das Gefühl, dass damit etwas nicht stimmt, und Angst, uns die Wohnung langfristig nicht leisten zu können.“
Gründung einer Arbeitsgruppe Betriebskosten
Glücklicherweise haben sich bereits zwei engagierte Mieter bereit erklärt, die Betriebskostenabrechnungen zu überprüfen und dabei Auffälligkeiten in einer Tabelle für alle festzuhalten. Die Gruppe hatte zuvor dazu aufgerufen, die Abrechnungen zu den Treffen mitzubringen, um so wiederkehrende Fehler identifizieren und eine Strategie zur Durchsetzung ihrer Rechte überlegen zu können. Schnell getan ist das nicht. „Wir haben unheimlich viele Informationen und konnten schon Auffälligkeiten entdecken, aber wir sind gerade nur zu zweit“, sagt einer der beiden Freiwilligen. Sein Appell zur Gründung einer AG Betriebskosten findet einhellige Zustimmung in der Runde. Den Mieter:innen ist klar: Nur wenn sie ihre Kräfte bündeln, können sie gegenüber der Vermieterin eine starke Stimme aufbauen.
Gemeinsame Planungen und Vorfreude auf ein Hoffest
Der zweite Teil des Treffens widmet sich einem weiteren wichtigen Anliegen der Mieter:innengemeinschaft: der Planung eines Hoffestes. Denn für den Zusammenhalt in einer Nachbarschaft braucht es nicht nur gemeinsame Aktionen, sondern auch gemeinschaftliche Anlässe zur Vernetzung. Schnell steht ein Termin, die Arbeitsgruppe „Flyer“ übernimmt die Aufgabe, Einladungen zu erstellen und zu verteilen – ruft aber auch dazu auf, an einem festen Termin gemeinsam loszuziehen, um die Briefkästen aller Nachbar:innen zu bestücken. Das Geld für die Druckkosten haben sie bereits organisiert. „Zusammenarbeit ist nicht nur effektiver, sondern auch erfüllender“, bekräftigt eine Mieterin.
Raum für Herzlichkeit, Austausch und neue Verbindungen
Für das Treffen waren anderthalb Stunden angesetzt, die wie im Flug vergangen sind. Die Gruppe vereinbart einen Folgetermin und sieht den Abend als vollen Erfolg. Ihr geht es nicht nur darum, sich zusammen gegen etwas zu stellen. Solche Treffen bieten vor allem auch den oft verloren geglaubten Raum für Herzlichkeit, Austausch und das Knüpfen neuer Verbindungen. Das wird auch daran deutlich, dass alle den Abend bei Getränken und Suppe gemeinsam ausklingen lassen. Zugleich zeugt die zunehmend stärkere Organisation mit klarer Aufgabenverteilung in Arbeitsgruppen davon, dass diese Gemeinschaft entschlossen ist, ihre Rechte zu verteidigen und für eine bessere Wohnsituation einzutreten. Dass ein solcher Zusammenschluss viel bewirken kann, zeigt sich in unserer Stadt immer wieder und macht Mut.
Vera Colditz hat das Mieter:innentreffen der Siedlung in der Ruschestraße besucht
14.06.2023