Die Freude über ihre neue Wohnung in der Schönfließer Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg währte nicht lange. Kaum war die Tinte unter ihrem Mietvertrag trocken, erfuhren Sascha Pietraßyk und Astrid Kendziorra von ihren Nachbarn, dass in ihrer Wohnung Wandplatten aus Asbestzement verbaut worden waren. Darauf war das Paar bei Mietvertragsabschluss nicht hingewiesen worden. Der Vermieter ist nicht bereit, die gesundheitlich bedenklichen Baumaterialien zu entfernen.
Dass in der Wohnung asbesthaltige Wandplatten verbaut wurden, hat ein Gutachter mittlerweile bestätigt: „Es ist davon auszugehen, dass durch das Schließen von Türen ein so genannter Pumpeffekt eintritt und Asbestfasern freigesetzt und in der Wohnung verteilt werden. Das Einatmen dieser Asbestfasern kann zu erheblichen Gesundheitsschäden besonders bei Kleinkindern führen“, heißt es in dem Gutachten, das der Mieter in Auftrag gegeben hat. Trotz der möglichen Gesundheitsgefährdung zeigt sich die zuständige Verwaltung „Erste Hanseatische Projektmanagement GmbH“ (EHP) nicht willens, die Wohnung grundlegend zu sanieren und die Wandplatten zu ersetzen. „Der Asbest ist fest im Zement gebunden, daher ist es nicht gesundheitsgefährdend“, sagt EHP-Geschäftsführerin Anja Ebens. Aus diesem Grund bestehe „für den Vermieter auch keine Sanierungsverpflichtung“, so Ebens.
Nachdem die Mieter eine Versiegelung der Wände mit einer Spezialtapete abgelehnt hatten, schlug EHP vor, dass die Mieter die Wohnung zunächst auf eigene Kosten sanieren könnten. Im Gegenzug dürften sie die ausgelegten Kosten über einen Zeitraum von 36 Monaten abwohnen, so der Vorschlag der Verwaltung. Man gehe von einem „Vermieteranteil von 12.750 Euro“ aus.
Marlies Lau, Rechtsberaterin beim Berliner Mieterverein (BMV), bezeichnet das Verhalten der EHP als nicht nachvollziehbar. „Es ist Sache des Vermieters, die Wohnung in einen bewohnbaren und asbestfreien Zustand zu bringen“, sagt Marlies Lau. Zudem gehe der BMV davon aus, dass die Sanierungskosten deutlich über der vom Vermieter veranschlagten Summe liegen: bei etwa 20.000 Euro.
Sascha Pietraßyk und Astrid Kendziorra haben sich mittlerweile mit dem Vermieter darauf geeinigt, den Mietvertrag aufzulösen. Allerdings weigert sich der Vermieter, die von den Mietern verauslagten Gutachterkosten zu erstatten – immerhin rund 800 Euro. Auch die Kosten, die durch das Anmieten einer anderen Wohnung entstehen, will er nicht ersetzen. Dagegen werden die Mieter möglicherweise klagen.
Übrigens: Die besagte Wohnung wurde kürzlich bei „Immobilienscout24“ erneut annonciert, vorzugsweise an „Wohngemeinschaften, die was zum selbst gestalten“ suchen.
Volker Wartmann
MieterMagazin 1+2/05
Schneller Auszug der Mieter: Eigentümer EHP verweigerte eine befriedigende Asbestsanierung
Foto: Kerstin Zillmer
22.11.2016