Es gibt Probleme im Mieteralltag, bei denen die rechtliche Beratung nicht ausreicht. Die Juristen können beispielsweise vom Schreibtisch aus schlecht beurteilen, ob eine Renovierung fachgerecht durchgeführt worden ist. Technischer Sachverstand ist auch gefragt, wenn es um bestimmte bauliche Mängel oder um Schadstoffe in der Wohnung geht. Um seine Mitglieder bei allen Fragen rund ums Wohnen zu unterstützen, vermittelt der Berliner Mieterverein (BMV) daher externe Fachleute. Es sind Handwerker, Architekten und Ingenieure, die direkt vom Mieter beauftragt werden können. Gegen ein Honorar beraten sie fachmännisch und erstellen Gutachten. Für seine Mitglieder hat der BMV günstige Konditionen vereinbart. Eine komplette Liste aller Gutachter mit Telefonnummern steht in jeder Ausgabe des MieterMagazin auf den Serviceseiten.
„Der größte Vorteil eines Sachverständigengutachtens ist, dass man damit gerichtstaugliche Beweise erhält“, erklärt Dr. Michael Häberle, Rechtsberater beim BMV. Zudem können viele Streitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden, sobald beispielsweise ein Malermeister die fachgerechte Renovierung bescheinigt hat. Auch vor Gericht hat ein vom Mieter in Auftrag gegebenes Gutachten durchaus Gewicht. Der Richter muss sich zwar an ein solches Parteigutachten nicht halten. Dennoch macht es viel mehr Eindruck, als wenn lediglich der Anwalt die Sachlage darstellt. Die Investition kann sich also lohnen – zumal man unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten vom Vermieter erstattet bekommt. Das genaue Vorgehen sollte man mit seinem Rechtsberater abstimmen.
Besser vorher als nachher
Damit kein Missverständnis entsteht: Gefälligkeitsgutachten werden von den Fachleuten nicht erstellt. „Ich urteile nach bestem Wissen und Gewissen“, betont Malermeister Joachim Lentz. „Ich sage den Leuten klipp und klar, wenn der Anstrich scheckig ist oder die Farbe nicht gleichmäßig aufgetragen wurde, denn das muss der Vermieter nicht akzeptieren.“ Leider, so Lentz, würden ihn die meisten erst dann rufen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sprich: wenn sie bereits renoviert haben und der Vermieter die Abnahme verweigerte. „Sinnvoller wäre es, mich vorher anzurufen, ich kann viele Tipps geben, wie man es richtig macht“, erklärt der Malermeister. Die Kosten für eine mündliche Beratung vor Ort liegen bei circa 75 Euro. Für einen schriftlichen Kurzbericht inklusive Fotos werden etwa 150 bis 200 Euro fällig. Die genauen Preise richten sich nach dem Einzelfall und sollten vorab geklärt werden.
Speziell für die Wohnungsabnahme bietet der Mieterverein einen eigenen Service. Für 50 Euro kann man sich beim Termin von einer fachkundigen Person unterstützen lassen – zum Beispiel von Dietrich Eulitz. Seine Erfahrung: „Abnahmen verlaufen heutzutage viel strenger als früher, viele Vermieter suchen wirklich das Haar in der Suppe.“ Oft hat der Vermieter den Mieter schon im Vorfeld mit einem Riesenforderungskatalog eingeschüchtert. „Wenn ich dann hinzukomme, ist die Atmosphäre vergiftet. Mein Job ist es, zu vermitteln und wieder eine sachliche Ebene herzustellen“, so Eulitz. Er erstellt ein Protokoll inklusive digitaler Fotos. Im Prozess kann Eulitz dann als Zeuge dienen. „Schon meine Anwesenheit zeigt aber auf viele Vermieter Wirkung und sie rücken dann plötzlich von ihren Maximalforderungen ab“, berichtet er. Wichtig: Eine rechtliche Beratung findet – wie bei allen Gutachtern – nicht statt, daher sollte man vorher unbedingt in einer Beratungsstelle des Berliner Mieterverein klären lassen, ob man beispielsweise zur Übernahme der Schönheitsreparaturen überhaupt verpflichtet ist.
Ein Angebot, das in der letzten Zeit vermehrt in Anspruch genommen wird, ist die Wohnflächenberechnung. Grund dafür ist ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach die Fläche für die Miethöhe entscheidend ist. Nun wollen viele Mieter ihre Wohnung nachmessen lassen. Oft werden Fehler festgestellt, doch der Macht der Tatsachen beugen sich fast alle Eigentümer: „In 90 Prozent der Fälle kommt es zu einer außergerichtlichen Einigung“, so der Architekt Hans-Jörg Maier.
Ein weiteres beliebtes Streitthema zwischen Mieter und Vermieter: Feuchtigkeitsschäden. Ein Sachverständigengutachten kann hier Klarheit schaffen und hilft dem Mieter, seine Mängelanzeige zu untermauern. „Zunächst einmal wird geprüft, ob der Mieter ausreichend lüftet und heizt oder ob bauliche Mängel vorliegen“, erklärt der Ingenieur Klaus-Uwe Wöllert. Dazu wird mit speziellen Geräten 14 Tage lang die relative Luftfeuchtigkeit in der Wohnung gemessen. Wenn die Messergebnisse ein Fehlverhalten des Mieters ergeben, wird er entsprechend beraten.
Noch relativ neu ist das Angebot einer Geräuschmessung für technische Geräte wie Lüftungsanlagen und Heizkörper.
Auch für zahlreiche andere Mängel gibt es kompetente Unterstützung. Wer zum Beispiel Holzschutzmittel oder Formaldehyd in seinen Wohnräumen vermutet, kann bei OECOLAB oder B.A.U.C.H. eine Untersuchung in Auftrag geben. Bei Problemen mit Elektroinstallationen in der Wohnung leistet Klaus Bödecker fachlichen Beistand. „Meist geht es darum, dass die veralteten Anlagen nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen oder sogar gefährlich sind“, sagt der Ingenieur. Mit dem Gutachten, das Bödecker erstellt, können die Mieter gegenüber dem Eigentümer besser argumentieren. „Der lässt dann zwar oft ein Gegengutachten machen, und zwar bevorzugt von der Firma, mit der er auch sonst zusammenarbeitet, aber unter Kollegen diskutiert man trotzdem sachlich und findet oft einen Kompromiss“, so Bödecker.
Birgit Leiß
MieterMagazin 1+2/05
05.05.2018